Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Heute noch ein Nachtrag zu einem besonders eindrucksvollen Geschäft, ein Laden der mir schon im Sommer empfohlen wurde, den ich aber erst jetzt aufsuchen konnte. Und  suchen ist das richtige Wort, nämlich gar nicht leicht zu finden ist Karnaluks, ein Kurzwarengeschäft, das alles hat was man vielleicht mal suchen oder brauchen könnte und noch viel mehr. 

In der K.A. Hermanni 1-Strasse haben wir lange gesucht, mehrere Eingänge in ein grosses Haus, nichts das auf ein solches Geschäft schließen ließe, aber dann an einer Wandtafel die Information: Korpus C: Karnaluks. Also suchten wir den Eingang C und dort wieder kein Hinweis auf das Geschäft, nur ein großes Treppenhaus. Raufkeuchen und Hoffnung aufgeben, hier was zu finden, das war fast eins.

Dann klappte eine Tür und 2 ältere Frauen kamen mir entgegen. Karnaluks каком этаже? fragte ich sie, auf welcher Etage ist Karnaluks? Sie lachten mich aus und gingen einfach weiter. Na dann öffnen wir doch mal die Tür! Eine ganz andere Welt tat sich auf, es war eigentümlich ruhig, viele Frauen standen an der Kasse, ein endloser Gang war einzusehen. Die gesamte Fläche vollgestellt mit beladenen Tischen, vollen Kartons, an den Wänden endlose Angebote... ein Kurzwarenladen der Sonderklasse.

Karnaluks Stricknadelwand

Karnaluks Stricknadelwand

Allein diese Nadelauswahl, fast zum Heulen. Zuhause muss ich manchmal in mehrere Orte fahren und dann doch online bestellen, wenn ich mal so kühn bin, Stricknadeln außerhalb der Halbschritt-Größen zu suchen... Und hier? Alles da, von Addi, Prym, Pony, KnitPicks whatever. Ich habe eine solche Auswahl noch nie gesehen, auch auf Shetland oder Orkney nicht.

Und das war erst der Anfang: Reißverschlüsse kistenweise!

Reißverschlüsse!

Reißverschlüsse!

In allen Farben, Längen, Ausfertigungen... nun Reißverschlüsse brauchte ich mal gerade nicht, Stricknadeln schon, also habe ich mir eine Auswahl Addi Lace-Nadeln in den Korb getan, weiter zu den Bändern.

Estnische Bordüren

Estnische Bordüren

Ich weiß zwar noch nicht, wozu ich diese brauche, aber wenn ich welche brauche ärgere ich mich, wenn ich jetzt nicht zuschlage... Und wie soll man sich bei einer solchen Auswahl entscheiden? Zum Schluß habe ich mir 4m von einer rotbraunen mittelbreiten Bordüre abschneiden lassen, der Meter zu 0,42€!

Ja, es gibt dann Wolle für Strickmaschinen, Strickmaschinen,

Konen für Maschinenstricker

Konen für Maschinenstricker

und auch Raum um Raum mit Handstrickgarn. Sorry, Cornelia, hier habe ich vor lauter Überwältigung vergessen, nach deinem Alpaca Royal zu schauen ;=)
Aber ein paar Tütchen mit bunten Perlen habe ich mir noch zugelegt, denn ich habe schon vor, mal ein wenig Lacestrickerei mit Perlen zu versuchen.

Für die Wollsüchtigen noch zwei Blicke in die Wolle:

Wolle über Wolle

Wolle über Wolle

Strick- und Häkelgarne

Strick- und Häkelgarne

Ganz wichtig: Die Preise sind ungewohnt günstig, fast schon lohnt sich ein Flug nur wegen dieses Ladens, wenn man solche Waren braucht!
Als wir dann ganz erschöpft den Laden verließen, kamen uns diese zwei hübschen Damen von der Insel Muhu, die wir schon bei Mardilaat getroffen hatten, entgegen:

Die Damen aus Muhu

Auch sie nutzten den Aufenthalt für einen Einkauf.

Karnaluks-Infos
OÜ Karnaluks
K.A. Hermanni 1, Tallinn 10121, Eesti, EU
Phone: +372- 601 3373 | Telefax: +372- 601 3373 | e-mail: Ladenöffnungszeiten: Mo-Fr 9.00-17.00 und Sa 9.00-15.00
Online-Shop: http://shop.kl24.ee/avaleht/&lng=14/

schwer zu finden, aber nicht mehr zu vergessen

Von Riga fliege ich nach Tallinn, ein letzter Blick aus meinem Hotelzimmer hinüber zum Dom und Freude: heute ist es nicht neblig!

Der Dom von Riga

Der Dom von Riga

In Tallinn erwarte ich meinen Mann, der erst abends von Berlin angeflogen kommt, und ich zeige ihm schon ein wenig von der Stadt, aber es ist so früh dunkel, daß wir dann doch im F-Hoone-Restaurant einkehren, einem quirligen Laden in einer alten Fabrik-Umgebung, trendy nennt man das wohl. Hier kann man gut essen, auch wenn die Musik recht laut ist und man schlecht weghören kann.

Am 5. November dann das Ereignis: der Mardilaat, der alljährliche St. Martinsmarkt der Estonian Folk Art and Craft Union , zu dem Aussteller aus dem ganzen Land und Besucher aus vieler Damen Länder angereist kommen. Ich hatte gar nicht gewußt daß ich meine Reise passend zu diesem Ereignis geplant hatte... so war ich um so mehr erfreut. Und neugierig.

Riina Tomberg

Riina Tomberg

Eine Verabredung hatte ich schon:

Der Mantel, den ich mir letztes Jahr beim Craft Camp bei Riina Tomberg bestellt hatte, war fertig und ich konnte ihn abholen. Ich muß gestehen vor Aufregung und Freude habe ich kein Photo gemacht, nicht vom Mantel, nicht von Riina, den Mantel werde ich später hier vorstellen, und wer mehr über Riina und ihre Workshops wissen möchte, kann sich ja die Photoserie auf der Knowsheep-Seite anschauen.  (Über das Knowsheep-Projekt habe ich hier auf der Wockensolle auch schon berichtet und das Photo habe ich von der Knowsheep-Seite).

Der Mardilaat-Markt also, ein Fest der estnischen Handwerkstraditionen und Handwerkstechniken, wird alljährlich im November von der Eesti Rahvakunsti ja Käsitöö Liit, der estnischen Folk- und Handarbeits-Union veranstaltet. 4 Tage lang treffen sich hier die Designer, Produzenten und Handarbeiter, neue Produkte werden vorgestellt, seien es Textilien, Holzarbeiten oder Keramik. Die Textilien nehmen allerdings den größten Platz ein, Wolle, fertige Strickstücke, ob Designer-Stück oder traditionelle Handschuhe, alles ist hier zusammengetragen. Auf der Webseite des Veranstalters fand ich leider wenig Informationen auf englisch, dafür waren die estnischsprachigen Inhalte umso ausführlicher und ich konnte mir vorher einen Hallenplan herunterladen und schon einmal meinen Rundgang planen...

Aber es wird nicht nur ausgestellt und verkauft, man kann auch etwas lernen, an den Seiten der Halle werden überall Workshops angeboten, viele der hier vertretenen Techniken kann man sich ausführlich zeigen oder beibringen lassen, für einen kleinen Obulus.

Die Messehalle kurz vor der EröffnungIn der großen Halle des Saku Suurhall Kongreßzentrums wurden noch die Stände fertig bestückt, nicht alles war bereits eingeräumt, die Messe war noch nicht offiziell eröffnet, als wir Einlaß erhielten. Aber der Rundgang lohnte sich schon, ohne großes Gedränge sahen wir uns erst einmal um. Der Stand der Kulturakademie Viljandi, der Stand des Lace-Centrums Haapsalu, das Kihnu-Kulturzentrum, Ausstellerinnen von der Insel Muhu, die schönen Holzknöpfe von PuuPank, Handschuhe, Socken, Kindermützen, Schmuck... es war für mich überwältigend.

Und nicht nur die Aussteller waren regional gekleidet, auch die Besucherinnen trugen stolz estnische Mode. Estnischer Mantel (In diesem Stil ist auch mein Mantel gehalten, nur ohne Stickerei, aber mit Samtkragen und farbigen Blenden)

Ich traf einige Bekannte auf dieser Messe, bin gar nicht mehr so fremd!

Selbstverständlich hatten die Nordic Knitters aus Seto einen Stand mit vielen traditionellen, wunderschönen Handschuhen und Külli Jacobson, die ich schon vom Mittelaltermarkt im Sommer kannte, strahlte aus vollem Herzen. Handschuhe der Nordic Knitters

SIe stellte das neueste Produkt vor: ein Set mit allem was man zum Stricken solch schöner Handschuhe braucht: Wolle, Nadeln, Anleitung und sogar einem schönen project-bag. knit your own estonian mittens

und diese Variante habe ich  mir gekauft:knit your own estonian mittensFür dieses Produkt und für ihren unermüdlichen Einsatz wurde sie dann bei der Messe-Eröffnung geehrt:Eröffnungsansprache

Auf dem Podium unter den zu Ehrenden ist links Anu Raud zu sehen, und dann wurde Külli Jacobson auf die Bühne gerufen und mit der höchsten estnischen Auszeichnung für Qualität geehrt. Külli Jacobson

Mehr möchte ich gar nicht schreiben, meine Leser können sich vorstellen, daß ich geschwelgt habe und mich auch nicht zurückgehalten habe, etliche Wollknäuel habe ich erstanden, das Handschuh-Set, pflanzengefärbte Wolle aus Haapsalu, Wolle von HEA und auch wieder eine ganze Packung Holzknöpfe und was noch alles.

Richtig glücklich war ich nach diesem Tag, den wir dann ganz angeregt zusammen mit LizzyMaille, die auch zum Markt angereist kam, in einem armenischen Restaurant in Hafennähe ausklingen ließen.

Hier zum Ausklang des Berichtes über den St. Martins-Markt in Tallinn eine Photoserie, wie immer auf die Photos klicken für eine große Anzeige.

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Nun eine kurze Zusammenfassung meines Treffens im Zentrum Sena Klets. Tautas tērpu centrs SENĀ KLĒTS ist das nationale Trachtenzentrum Lettlands und besteht seit 1991. In dieser Zeit wurde die Tradition und die traditionelle Kleidung des Landes erforscht, und hier wird die größte Sammlung lettischer Trachten gezeigt, zusammengestellt von der Ethnographin Maruta Grasmane.

Berühmt wurde das Zentrum durch die Sammlung der wunderschönen gemusterten Handschuhe aus allen Regionen des Landes. Während manche Forscher von Ort zu Ort unterwegs waren und Handschuhe etc. erforschten und dokumentierten, arbeitete Maruta Grasmane in den Museen und forschte in den Museumsbeständen.

Die Handschuhe, ein Muß in kalten Klimata, haben nicht nur Bedeutung als Kleidungsstück, zum Wärmen im Winter, sie sind traditionell Geschenke bei Hochzeiten und Beerdigungen und gestrickte Handschuhe gehör(t)en zu jeder Aussteuer. Und selbst wenn eine Braut Hunderte von Handschuhen anfertigte für die große Hochzeitsfeier und alle Gäste, kein Paar durfte einem anderen gleichen, Farben und Muster mussten sich immer unterscheiden.

Zum NATO-Gipfel in Riga 2006 wurden 4500 Paare gestrickt und verschickt, einer der wenigen friedlichen Aspekte einer solchen Tagung. Dadurch wurden diese Muster auch weltweit bekannt.

Maruta Grasmane: Latviesa Cimdi

Maruta Grasmane: Latviesa Cimdi

2012 erschien das inzwischen weltweit begehrte und gerühmte Buch Latvieša cimdi, welches nun in die dritte Auflage geht und 177 Handschuh-Abbildungen samt Muster-Graph enthält.

Die Handschuhe sind nach Regionen geordnet und jede Region wird zuerst in ihrer Besonderheit, mit ihren speziellen Farben, vorgestellt.

Gerade ist die englische, erweiterte Ausgabe im Druck, eine japanische Ausgabe wird zur Zeit gesetzt und nach deren Erscheinung wird es eine deutschsprachige Ausgabe geben. Ich werde wohl dabei ein wenig lektorieren und korrekturlesen, darauf freue ich mich schon jetzt.

Dieses Buch wird sehnsüchtig erwartet und es gab einige Fragen dazu. Ich stelle hier mal zusammen, was ich alles im Gespräch mit Monta Grasmane erfahren habe.

  • Die neuen Auflagen werden wie die Auflagen seit 2014 auf Hochglanzpapier gedruckt werden, mit außerordentlicher Druckqualität. Nur die allererste Ausgabe von 2012 war auf mindergutem Papier gedruckt, welches die Farben verlaufen oder verblassen ließ.
  • Das Buch kann entweder bei amazon oder auf der Webseite von Sena Klets bestellt werden. Veikals/Shop: hier werden alle Ausgaben angeboten werden. Der Preisunterschied zwischen den beiden Bestellmöglichkeiten erklärt sich aus den unterschiedlichen Portoberechnungen, denn bei Amazon sind die hohen Versandpreise im Preis enthalten, ansonsten werden sie nach der Bestellung mitgeteilt.
  • Ich fragte, welche Wolle bei den Handschuhen, die im Zentrum verkauft werden und auch für die Handschuhe aus dem Buch empfohlen wird.
    Im Allgemeinen stricken die Strickerinnen mit dem Garn aus Limbaži, die meisten mit dem Garn in 8/2-er Stärke. Für die feineren Exemplare wird das gleiche Garn in der Stärke 8/1 (also 1 Gramm einfädig = 8m) verwandt. Dieses muß aber extra bestellt werden, es ist kein Standardprodukt von Limbažu Tine. Und es ist nicht immer einfach zu beschaffen.
    Dieses feinere Garn erklärt auch, warum manche Handschuhe aus dem Buch so groß ausfallen... In der englischen Ausgabe werden die Informationen für uns Strickerinnen wohl zugänglicher sein;=)
    Ab und an werden auch andere Garne ausprobiert, z.B. aus Italien. Aber meistens kommt lettisches Garn zum Einsatz.
  • Wenn ein ganz besonderes Handschuhmodell aus dem Buch gestrickt werden soll und es gibt Schwierigkeiten, die richtige Wolle in den richtigen Farben zu finden, dann bietet das Zentrum Hilfe an. Monta Grasmane sagte zu, daß dann eine ethnographisch ausgebildete Mitarbeiterin helfenw ird, also: Mail genügt an  
  • Das Zentrum hat nicht vor, selbst Wolle zu vermarkten, die Personaldecke ist dafür zu dünn.
  • Die Webseite des Zentrums, www.senaklets.lv, wird weiter entwickelt. Im Moment ist gerade der "shop" dazugekommen, ich habe einige Möglichkeiten für die Seite angesprochen und habe auch zugesagt, einen Prototypen zu entwickeln mit allen Features, die wir uns wünschen ;=)
  • Aktuellere Informationen als auf der Webseite findet man auf der Facebook-Seite des Zentrums. Auch über eine Zusammenführung der Informationen der beiden Seiten haben wir gesprochen. 

Dies war doch ein sehr wolliger Tag ;=) und auch ein feuchter, nebliger Tag, November eben.Tirgonu Ieala in RigaUm 10:00 Uhr war ich im Sena Klets Zentrum verabredet, um über die anstehende deutsche Ausgabe des großartigen Buches "Latviesa Cimdi" zu sprechen und auch sonst einige Fragen beantwortet zu bekommen, die ich (und andere im Forum "Knit like a Latvian-Forum" bei Ravelry) so hatten.

Maruta Grasmane: Latviesa Cimdi Die Handschuhe im Sena Klets Center

Anschließend schaute ich endlich im Kulturas un tautas mãkslas centrs  in der Jauniela-Strasse, gleich an der Ecke neben Sena Klets, vorbei.  Mir waren schon oft die Aufschriften auf den Fenstern (Ausstellung, Exhibition, izstāde,выставка) aufgefallen, aber diesmal ging ich auch wirklich hinein. Aktuell wurden Arbeiten des Studios "Draudziba" gezeigt,

Eine alte Dame saß im Foyer und legte großen Wert darauf, daß ich mein Eintritts-Scherflein (1,00 €) auch sofort bezahle, fotografieren durfte ich ohne Einschränkungen. Das Arrangement der Ausstellungsstücke fand ich äußerst geschmackvoll, wunderbare Web-Arbeiten und dazu farblich passende Handschuhe und andere Accessoires arrangiert, auch hier war wieder viel Liebe am Werk.
Diese Galerie zeigt die Werke der Ausstellung, die von 7. Oktober bis 8. November gezeigt wurde.

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Nicht alle Arbeiten waren "rein traditionell", auch modernere Kompositionen waren bei den Webteppichen zu sehen.Wandteppich in der Ausstellung des Studios "Draudzieba"

Den Nachmittag habe ich genüßlich verbracht, im Café gesessen und gestrickt und doch wieder noch einmal in den Zvaigzne-Buchladen in der Valdemara Iela gegangen. Ich kann es nicht lassen...

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Hier haben auch Nicht-Stricker eine Chance, wenigstens als Geschenktüte kann man wollige Muster erstehen!  Der Buchladen machte einen Ausverkaufs-Eindruck auf mich, alles war irgendwie heruntergesetzt und umgeräumt, auch die Schreibwaren-Abteilung, die vorher in einem anderen Raum war, wurde nun in den Verkaufsraum integriert, und ich habe mich von der Sale-Stimmung verleiten lassen und ein Buch erstanden, das ich schon besitze: Aija Jansone, Patterned Mittens of Eastern Vidzeme, Austrumvidzemes Rakstainie Dûraini.  Nun, wer es haben möchte, ich gebe es ab für 17,00 € (inkl. Porto in Deutschland), mail an mich genügt und wer zuerst kommt, bekommt es.  Nachtrag am 17.11.: das Buch ist vergeben...

Und zum Schluß? Ab ins Café! Über den Besuch bei Sena Klets schreibe ich im nächsten Beitrag.

Cafe Rigenses in der Tirgonu Iela

Cafe Rigenses in der Tirgonu Iela

Nun also der erste Bericht von meiner Reise, die mich im November 2015 über Riga nach Estland führte. Jeder Tag war vollgepackt mit Neuem, Verlockendem und Anregendem, und ich gehe am besten chronologisch vor, folge meinen kurzen Notizen und berichte.

Am frühen Nachmittag bin ich in Riga angekommen und ich habe diesmal kein Zimmer im Konvent Seta, sondern im Hotel Kolonna. Das liegt auch in der Innenstadt, es ist günstiger und es ist nicht von Reisegruppen aufgesucht, ich muß also nicht beim Frühstück warten oder mich zwischen die Wurstsortierer am Buffet zwängen.

Und direkt gegenüber liegt auch eine meiner Lieblingskonditoreien...

Heute nachmittag gehe ich nur durch die touristenleere Stadt, nicht einmal Japaner oder Chinesen sind gruppenweise unterwegs, alles ist viel ruhiger und die Bürgersteige sind viel breiter als im Sommer;=)

Ich komme bei Hobbywool vorbei, einem Laden, der eigentlich nicht zu meinen Stammgeschäften gehört, aber als Trendsetter gilt. Hier wird gerade gebaut, der Eingang ist etwas schwieriger zu finden, aber innen ist es wie immer. Ein Regal voller Geschenkpackungen mit Handschuh-Wolle samt Nadeln und Anleitungen und Knit-like-a-Latvian-T-Shirts, aber die Woll-Auswahl ist für den, der lettische / baltische Wolle sucht, nicht sehr groß.

Im Regal ist Wolle von Klippan Saule zu finden, eine Sorte, die ich mir schon letztes Jahr direkt beim Fabrikverkauf zugelegt habe. Die Wolle in den Handschuh-Sets jedoch ist von Limbaži. Dachte ich es mir doch;=)
Ansonsten führen sie Garne von Rowan, Lana Grossa und anderen renommierten Marken, aber kein einziges Lace-Garn. Und noch eine Info zu den Preisen: 100g Klippan Saule kosten 3,50€, Wolle von Limbaži wird nicht angeboten.

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Ein kurzer Blick noch in den Outlet-Shop von Zvaigzne ABC in der Valnu Iela, und der Woll-Korb dort ist reichlich gefüllt. Aber ich kaufe nichts (jedenfalls nicht an diesem Tag, am Tag drauf bin ich dann doch rückfällig geworden...)

Natürlich habe ich auch in die Buchabteilung von Valters un Rapa am Aspazijas Boulevard geschaut, aber da war diesmal gar nichts Besonderes, fast keine Auswahl, fast blamabel.

Vor der Petrikirche treffe ich meine Bekannte Vija Staskunas und halte ein Schwätzchen mit ihr. Ich bewundere ihr Stehvermögen und ihre Freundlichkeit immer wieder. 3 Tage in der Woche steht sie hier an der Petrikirche nahe den Bremer Stadtmusikanten und verkauft ihre Arbeiten.

In Riga bin ich viel alleine unterwegs, aber alleine fühle ich mich nicht. Die Stadt, zumindest die Altstadt ist mir inzwischen sehr vertraut, und ich habe ja auch schon einige Bekannte hier. Morgen dann steht mein Besuch bei Sena Klets, dem Trachten- und Handschuh-Zentrum, an, ein Treffen ist vereinbart, um die deutsche Ausgabe des Handschuh-Buches zu besprechen.

Brot heißt auf estnisch leib und auf der Insel Muhu ist es sogar mit einem bestrickenden Etikett versehen.

Brot aus Muhu

Brot aus Muhu

Dieses Katzenmuster findet sich auch auf Handschuhen im Muhu-Museum in Konguva auf der Insel Muhu. Darüber werde ich nach meiner Rückkehr in extenso berichten, heute nur: es ist wunderschön. Wie sehr die ethnischen Muster im heutigen Alltag noch bestehen, zeigen auch diese zwei Schnappschüsse:

Konsum in Liiva, Muhu

Konsum in Liiva auf der Insel Muhu

Konsum in Orissaare auf Saaremaa

Konsum in Orissaare auf Saaremaa

*

nun kann ich zwar online gehen, aber es fehlt einfach die Zeit. So dicht gedrängt sind die Erlebnisse, so eindrucksvoll die Begegnungen, so müde die Füße.

Ich werde alles der Reihe nach nach meiner Rückkehr berichten. Daher nur kurz eine Liste der bisherigen Highlights:

  • in Tallinn der St. Martins-Markt, einfach überwältigend ist diese Messe für traditionelle Handwerke und aktuelles estonisches Design. Ich habe meinen wunderschönen Mantel von Riina Tomberg bekommen, tolle Wolle erstanden, und und und
  • danach LizzyMaille getroffen, einen wunderbaren Abend in einem armenischen Restaurant verbracht
  • auf dem Weg nach Tartu in Pöltsamaa Halt gemacht und die Endhaltestelle der LInie OK GO besichtigt, einem Projekt von Uwe Schloen, den wir danach auch in Tartu trafen und  das Heimatmuseum besichtigt
  • nach Tartu gefahren, dort Uwe Schloen getroffen, durch die Stadt gelaufen, viele tolle Cafés aufgesucht, Buchläden durchstöbert, und das Estnische NationalMuseum aufgesucht. Das war leider ein wenig enttäuschend, denn die ganzen Sammlungen sind in Kartons verschwunden, bis im neuen Haus alles wieder ausgepackt und präsentiert wird. Irgendwie hatte ich schon so eine Ahnung gehabt, daß ich dort keine Stricksachen zu sehen bekomme, aber es gab interessante temporäre Ausstellungen zu sehen und der Museums-Shop ist gut bestückt.
  • Dann weiter nach Viljandi, wo ich im Sommer schon war, auf einem Ausflug während des Craft Camps und nach Olustvere, wo das Craft Camp stattfand. An den Ort der Taten zurückzukehren ist schön, ich habe noch einmal die verschieden Workshop-Orte aufgesucht und in der Mensa zu Mittag gegessen. Fast schon heimatlich
  • dann heute weiter nach Haapsalu, der Stadt der wunderbaren Spitzenschals. Eine kleine Stadt am Wasser, im Regen, herbstlich ruhig, nach einer interessanten Fahrt über Land kamen wir hier an.
    Ich genieße die Fahrt durch das Land sehr. War die Landschaft in Mulgi (Südestland, Viljandi und Umgebung) eiszetlich wellig, wurde es Richtung Nordwesten flacher. Große Waldflächen, in denen Wölfe,  Bären und Elche hausen, einsame Gehöfte wie aus einem Märchenbuch, kleine Orte mit regem Handelsleben, und dann wieder Einsamkeit auf gut ausgebauten Straßen; eine Strecke führte uns über ungeteerte Wege und bei einem Halt begrüßte uns ein rieisiger Schäferhund voller Freude, ihm war einfach langweilig und wir hatten Mühe ihn wieder aus dem Auto zu bekommen. Selten so ein verschmustes großes Hundevieh getroffen.

Nun also Haapsalu. Hauptziel ist natürlich das Spitzen-Zentrum, das Haapsalu Pitsikeskus, , darauf freue ich mich schon lange. Vielleicht hilft mir ja der Genius Loci beim Nupps-Stricken...

Ein Tag bleibt dann noch vor der Rückfahrt nach Tallinn und dem Rückflug am Freitag, und ich habe noch nicht ausgewürfelt, ob es ein Ausflug auf die Insel Hiiuma oder auf die Insel Muhu wird. Mal sehen...

Ich bin nun schon wieder aus Riga abgereist und habe hier noch nicht berichtet. Das hat einen ganz banalen Grund: ich habe das Display meines Notebooks zerdeppert und kann nun nicht mit dem Gerät online gehen, keine Bilder für den Upload bearbeiten und und und...

Und nun bin ich schon in Tallinn und sitze am Hotelcomputer. Ungewohnte Tastatur etc. aber heute abend kommt mein Mann aus Berlin angeflogen und ich kann dann sein Notebook benutzen. Bis dahin stricke ich an meinem roten Schal weiter...

Aber ich kann schon ein wenig berichten. Ich habe meine Bekannte am Platz vor der Peterkirche wiedergetroffen, unermüdlich steht sie dort und verkauft ihre gehäkelten und gestrickten Mützen, Schals und Socken, Dann hatte ich ja einen Termin im Zentrum SenaKlets wegen der deutschen Ausgabe des Handschuhe-Buches, die für nächstes Jahr geplant ist und ich habe eine Ausstellung traditionell gewebter Stoffe und schöner Handschuhe gesehen, doch 2 Strang Wolle gekauft und wieder ein Buch, und ansonsten die Stadt genossen, Das alles werde ich hier noch mit Bildern ausführlich beschreiben.

Nun steht hier in Tallinn der St. Martins Markt an, wird morgen eröffnet, eine grosse Handarbeitsmesse. Ich bin sehr gespannt. Und ich werde berichten, wenn ja wenn ich wieder an einem richtigen Rechner arbeiten kann. Bis dahin!

 

Riho Toomra: Ausstellung zu Herbert Nieblings 110. GeburtstagDen letzte Sonntag in Tallinn habe ich ruhig angegangen, gelesen, Kaffee genossen und dann ein Treffen mit Lizzy. Ich kannte sie bisher nur aus Ravelry, denn sie strickt wunderschöne Dinge, reist viel im Baltikum und lebt in meiner ehemaligen Heimatstadt Hamburg... genug der Gemeinsamkeiten! Wir hatten ein angeregtes Gespräch und stellten noch viele weitere Gemeinsamkeiten fest. Und dann die Überraschung:

Lizzy schenkte mir den Katalog der Ausstellung "From Thread to Art" zum 110. Geburtstag von Herbert Niebling, dem deutschen Meister-Kunst-Stricker. In Riga hatte ich das Plakat der Ausstellung gesehen und es bedauert, daß ich wieder einmal zu spät gekommen war!

Riho ToomraDie Decken wurden alle von Riho Toomra gestrickt, einem wahren Zauberstricker aus Estland. Solch ein Geschenk eine  Woche vor dem Geburtstag, das habe ich gleich weggepackt und für den Gabentisch aufgehoben. 

Riho Toomra, 50 Jahre, hat ein Reisebüro, Metal Travel Agency,  und organisiert Reisen zu HeavyMetal-Festivals, so z.B. nach Wacken, ein martialischer Kerl, den man sich eher mit ölverschmierten Händen denn mit einem Strickstück in der Hand vorstellt. Noch mehr erfährt man hier auf dieser Seite des Menzendorf-Museums in Riga.

Lizzy hat mir dann noch einen Link zu einem Video über ihn geschickt, das ich hier gerne einbette.


Piret Järvis story about Riho Toomra @ Pealtnägija von bigproblem11

Selbstverständlich ist Riho auch bei Ravelry und Facebook und 20 seiner Werke sind bei Ravelry zu bewundern. Und in dem Video, welches in estnischer Sprache ist, kommt dann auch Ulve Kangro, deren Atelier ich hier schon vorgestellt habe, zu Wort.

Wieder einmal durfte ich erleben, welche Verbindungen gemeinsames Interesse schaffen kann, welche Fäden sich zwischen Strickern, Designern, Liebhabern knüpfen.  Und wie bereichernd das ist!

Das Nachhausekommen nach einer solch intensiven Reise, nach so vielen Eindrücken, ist nicht so einfach, da ist das Zuhause-Sein erstmal schwierig. Mir blieb nur wenig Zeit zum Ruhen, denn Feiertage standen an. Zu meinem Geburtstag hatten sich meine Nichte samt Mann, Neffe samt Mann und Schwager und Schwiegermutter aus Madrid angekündigt. Also aufräumen, vorbereiten, hoffen, daß das Wetter hält.

Es hat gehalten. Und der Geburtstag war wunderbar. Ich war von lieben Menschen umgeben und wurde reich beschenkt:

Geburtstagstisch

Mein Geburtstagstisch

Ein Hocker, dessen Bezug an Strickmuster erinnert (obwohl er geflochtene Bänder zeigt), großartige Photo-Bände von William Eggleston, von Lizzy der Katalog zur Ausstellung von Riho Toomra (links oben) und von Frau Wollfrosch ein wunderschönes Nadelspiel-Etui mit Snoopies und Polka-Dots samt kleiner Tasche für Maschenmarkierer und weiteres Kleinteiliges. Und weitere schöne Dinge... Nun bin ich 9x7 Jahre alt und freue mich.

Danke!

Und Herbert Niebling werde ich demnächst hier auf der Wockensolle auch mal einen Beitrag widmen, einige seiner Muster sind wieder aufgelegt worden und können bestellt werden.