Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Ich habs ja mit Muhu, seit ich im letzten November dort war, und umsomehr freue ich mich auf Tage auf der Insel. Es erstaunt mich immer wieder, mit welcher Verve und Geschicklichkeit die Esten ihre Traditionen pflegen und weiterführen.

Ein Beispiel ist diese Muhu-Stickmuster-Torte . Ja, Stickmuster können durchaus Tortenmuster werden!

ein Beitrag zum Fotofestival  der Webseite nami nami

ein Beitrag zum Fotofestival der Webseite nami nami.ee

Ich halte dann mal auf der Reise Ausschau nach solch einem Superkuchen...

Und wer sehen möchte, was die Inseln Saaremaa und Muhu noch so alles bieten, hier ist ein Werbefilm der angenehmen Art:

 

 

 

Ein Sonnabend mit Sonnenschein und viel Farbe. Und ein Bericht darüber mit recht vielen Bildern;=)

Zinta Vārpiņa stellte Handschuhe aus dem Distrikt Saldus vor. Zinta Vārpiņa ist eine Meisterstrickerin, sie leitet das Handarbeitszentrum des Saldus Kulturhauses, sie hält viele Vorträge über die Handschuh-Traditionen, man braucht nur einmal bei Google oder einer anderen Suchmaschine nach ihr zu suchen.
Ein paar Treffer (immer gibt es wunderschöne Strickarbeiten zu sehen!):

Da kann man sich schon ein Bild machen...

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Ich weiß, die Augen gehen uns über bei all der Schönheit, ich war manchmal richtig atemlos, voller Bewunderung für das Können und die Phantasie, die Souveränität mit der diese wunderschönen Arbeiten gestrickt werden. Noch ein Prachtexemplar dieses Vormittags:

rotweißer Handschuh mit einem Webmuster

rotweißer Handschuh mit einem Webmuster

Lielvarde belt ornament.jpg

Lielvārdes josta - Lielvarde-Gürtel

Ein Vergleich: Gestricktes und gewebtes Muster - diese Muster sind sich sehr nahe.
Das Webmuster stammt von dem berühmten Lielvarde-Gürtel, dem Paratypus der lettischen Gürtel und Bänder.

Am Nachmittag unternahmen wir einen Ausflug nach Talsi, einer kleinen Stadt im wunderschönen Kurland. Schon die Fahrt war ein Genuß, die Frühlingssonne über dem Frühlingsgrün, die vielen Störche, die dem Pflug des Bauern hinterherspazieren oder im Nest sitzen, alte Herrenhäuser und kleine Kirchen.

Im Distrikt Talsi

Im Distrikt Talsi

Im Bezirksmuseum von Talsi wurden uns die Schubladen mit den textilen Schätzen geöffnet, die Sonne blendete zwar, aber die Handschuhe? Die blendeten uns fast noch mehr...

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Wer hat schon einmal ein Denkmal für Fausthandschuhe gesehen? Ich! Fast unbemerkt vor dem Museumsgebäude:

Ein Denkmal für den Handschuh

Ein Denkmal für den Handschuh

Am Museum (aber auch im Gutshaus von Strazde) spukt ein Geist, regenbogenfarben geschmückt, um die Besucher herum:

Ein Regenbogen-Geist

Silence! Tricotage!

Die kleine Stadt Talsi liegt wunderschön an einem See, umgeben von neun Hügeln. Man kann den See auf einer hölzernen Promenade umwandern, angeln oder auf dem See rudern, große bunte Knöpfe auf einem Bootshaus bewundern, oder die Werkstätten der Kunsthandwerker aufsuchen.

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Im Kulturhaus war viel los, Trachtengruppen aus verschiedenen Bezirken waren zusammengekommen zu einem Wettstreit, und ließen sich im Hof des Kulturhauses photographieren.

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Aber Hauptattraktion war für uns "Province", die Ausstellung der Webarbeiten von Mudite Silina, wunderbare Wandteppiche in herrlichen Farben. Ich habe keine Wand mehr frei, sonst hätte ich sofort eine dieser wunderbaren Arbeiten mitgenommen.

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Der Besuch in der Weberei mit den vielen Webstühlen war interessant, ich verstehe leider zu wenig von dieser Technik. Die letzte Attraktion war die Ausstellung, die von den Strickerinnen zusammengestellt war: Meisterwerke, ob Handschuhe oder Socken, solche Akkuratesse, Feinheit, Farbsicherheit... Die Damen können stolz sein!

Zum Abschluß dieses Berichtes (von der abendlichen Party habe ich leider keine Bilder), Photos von der Kindertrachtengruppe.

Ach, nun bin ich mit meinen Beiträgen zeitlich durcheinandergekommen. Ich wollte halt schnell einen Rückblick auf das Knitting Camp geben und anschließend erstmal die Zeit in Riga nachtragen.

Nun habe ich gerade Bilder zusammengestellt, diese allerdings für den zweiten Tag des dreitätigen Camps, und der erste Tag fehlt noch...

Dann mache ich es mal so: hier ein paar Eindrücke vom zweiten Tag und dann geht es aber doch erstmal an den Bericht vom ersten Tag ;=)

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Ein ruhiger Tag, Stricken im Café, Schlendern durch die Stadt, und ein Blick in das Wollgeschäft "Kumode".  Morgens scheint die Sonne und die Stadt ist noch leer.

Frühling in Riga

Frühling in Riga

Im "Knit Like a Latvian"-Forum bei Ravelry haben wir gerade Pulswärmer mit Perlen gestrickt und so habe ich mich natürlich auch hier nach solchen Exemplaren umgeschaut.

Beaded Pulsewarmers

Beaded Pulsewarmers

Wenige, aber schöne Exemplare habe ich gesehen, und der Preis von 26€ ist sicherlich mehr als angemessen.

Ich komme wieder einmal an einem Geschäft vorbei, dessen Namen mich schon immer reizte: "Ma' Lama Knit", das Atelier einer Modedesignerin, im Schaufenster eine Creation aus feinem Stoff mit einem Oberteil aus feinster weicher Wolle.

Ma' Lama Knit

Ma' Lama Knit

Für mich viel zu fein ,=)

Aber einen Blick in ein Wollgeschäft an der Galerie Centrs, Kumode, werfe ich. Dieser Laden führt neben viel Wolle aus der Türkei auch lettische Wolle,  die Marken "Limbazu" und "Pace". Und weil ich an keiner Wolle vorbeigehen kann, wenigstens eine kleine Gallerie:

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Aber das Hauptereignis an diesem Tag war das Treffen im Sena Klets mit Maruta Grasmane, Liga Turjanska und den Ravelry-Freundinnen Mary und Lizzy. Der Tag wurde abgerundet durch ein gemeinsames Abendessen mit viel Geplauder, Fachsimpelei und gutem Essen. Neue Pläne wurden geschmiedet und Treffen geplant. Aber das Wichtigste ist natürlich die Arbeit der Übersetzung des Buches, und daran werde ich die nächste Woche wohl sitzen...

Maruta Grasmane und ich

Maruta Grasmane und ich

Und Lizzy's bunte Pulswärmer schmücken auch lettische Männer!

Lizzys Pulswärmer

Lizzys Pulswärmer

 

Das war ein unglaublliches Erlebnis: 3 Tage mit wunderbaren Frauen beim Knitting Camp in Strazde in der lettischen Provinz Kurzeme.

Soviel Schönheit, Wissen, Freude und Übermut habe ich selten erlebt; wunderbare Begegnungen, aus denen Freundschaften werden.

Nun sitze ich im Hote in Riga und fliege heute wieder nach Hause. Das Erlebte muss ich erst verarbeiten, das Gelernte verfestigen, die neuen Freundschaften pflegen, aber eine kleine Bildersammlung möchte ich schon zeigen. In Ravelry im Forum "Knit Like a Latvian" habe ich ja auch schon ein wenig berichtet.

Deshalb nun eine kleine Galerie zur Einstimmung für die, die nicht dabei sein konnten.

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Und selbstverständlich werde ich die nächsten Tage noch ausführlich berichten.

Also das war das letzte Mal, dass ich bei Ryanair einen Abflug ab Berlin Schönefeld gebucht habe, hier Schlange stehen für Check-In, dann in anderes Terminal gerufen, dort Schlange stehen, dann steile Treppe nach oben, lange Gänge lang, steile Treppe runter, das ist einfach schrecklich, bin ja keine 20 mehr....

In Riga dann schlechtes Wetter und vertrautes Gefühl. Ich habe mir angewöhnt bei einer Ankunft nicht gleich zu den Terminen zu gehen, nicht gleich Bekannte aufzusuchen, sondern mich ersteinmal langsam zu akklimatisieren, in Buchhandlungen stöbern und im Café sitzen und Tee trinken. So auch diesmal.

Zwei Damen im Café

Zwei Damen im Café

Ob diese schönen Jacken nun handgestrickt sind oder nicht, aus Wollstoff genäht oder nicht, das war mir gleich, ich konnte die Damen nicht fragen, wollte sie  nicht stören, aber die Jacke der linken Dame hat ein ganz ausgefuchstes Design, und sogar spiegelnde Knöpfe auf der Schulter.

Trotz schlechtem Wetter gab es schon frühlingshafte Anmutungen, denn vor den Kneipen sind schon die Stühle herausgestellt und die Schaufenster sind auch verlockend dekoriert.

Design-Frühling

Design-Frühling

In den Buchläden wurde ich fündig, ich habe mir nun endlich ein kleines Symbollexikon der lettischen Symbole zugelegt und dann dieses druckfrische Werk gefunden:

Aija Ansone Aija Ansone
Apģērba attīstība Zemgalē 19. gadsimtā
The development of dress of 19th century, Zemgale
ISBN 9789934528156
Published by the Latvian Cultural Center, 25. April, 28,99€

also ganz druckfrisch, aber die Druckerschwärze war schon trocken.

mehr habe ich an diesem ersten Tag nicht unternommen, einfach nur genossen, hier zu sein.

Ja, in 2 Tagen geht es los, erst nach Berlin, treffe mich mit meinen Neffen und der Strickfreundin Regina, und dann von dort aus ein kurzer Hopser nach Riga. Nach zwei Tagen in Riga dann nach Strazde in Kurzeme (Kurland), wo ich an einem dreitätigen Strick-Workshop teilnehmen werde. Strazde ist ein kleiner Ort mit einem renovierten Gutshaus, vielen Feldsteinhäusern, flacher weiter Landschaft -kein großer Kulissenwechsel von Vorpommern nach Kurzeme also.

In Riga gibt es dann noch ein Ravelry-Familien-Treffen: In Sena Klets (inzwischen auch ein bekannter Ort hier) treffen sich baltisch-infizierte Strickerinnen aus den USA und Deutschland mit Maruta und Monta Grasmane und alle gehen gemeinsam schmausen. So rückt die Welt zusammen!

Wwie es aussieht, werden es wohl rund Teilnehmer(innen) werden, aus Deutschland, USA, Estland und den Niederlanden. Ich bin gespannt und werde berichten.

Hier findet der dreitägige Kurs "Knit out your Latvian design" statt

Die kleine "Kreisstadt", ein Ausflugsziel

Hier treffen wir uns vor dem Workshop-Wochenende

Aber vorher habe ich noch einen Lesetipp:
Dass ich Annemor Sundbø sehr schätze und viel von ihr gelernt habe, ist kein Geheimnis. Ich habe sie schon einige Male in meinen Beiträgen auf der Wockensolle vorgegestellt und erwähnt. Jetzt habe ich durch einen Hinweis bei Ravelry ein Interview im Norwegian Textile Letter mit ihr gefunden, das ich hier gerne verlinken möchte: A Rag Pile, my Lot in Life, ein Exkurs über Schicksalsgöttinen, Mythologie, Textiltechnik und weitergeben von Traditionen.

 

Annemor Sundbø, ein Screenshot von http://lokalkulturen.fvn.no

Annemor Sundbø, ein Screenshot von http://lokalkulturen.fvn.no

Und wie es so geht, habe ich mich auf der Webseite des Norwegian Textile Letters umgeschaut und eine interessante Diskussion entdeckt, den norwegischen Strick-Krieg. Aber das ist eine andere Geschichte, für nach dem Strick-Camp..

Eesti Silmuskudumine 1

Eesti Silmuskudumine 1

Eesti Silmuskudumine 1 

Estonian Knitting 1 - Traditions and Techniques wird der Titel sein und ab Anfang Mai ist es erhältlich.

Das ist wieder einmal ein Buch, auf das viele Stricker(innen) lange gewartet haben. Ich habe mir im Sommer die estnische Ausgabe gekauft, aber das Buch enthält viele Textpassagen und Anleitungen und darum ist es nicht einfach zu nutzen.

Mit der englischen Übersetzung wird es aber auf jeden Fall ein Leichtes sein.

Ein Paar Strümpfe habe ich schon aus diesem Buch gestrickt, die Mustjala Sukakiri. Zu sehen bei Ravelry.  Und wenn die englische Ausgabe erschienen ist, wird sich die Ravelry-Projektseite des Buches sicherlich sehr schnell beleben...

Estonian Knitting

Estonian Knitting

So wird das Buch auf der Webseite des Herausgebers, Saara Publishing, angekündigt und man kann auch in das Buch schauen.

Das besorge ich mir im Sommer auf jeden Fall!

Google Books ist wohl eines der meist-unterschätzten Angebote des Daten-Riesens.  In der heutigen Kostenlos-Kultur wurde es natürlich falsch eingeschätzt und deshalb auch oft mies bewertet oder kommentiert, aber es ist eben kein Billig-Lesestoff-Schmonzetten-Dienst und auch keine Plattform für Self-Publisher die zurecht keinen Verleger finden; Google Books bietet den Zugriff auf Bibliotheksbestände zur Forschung und Belehrung…

Johann Georg Kohl, Die deutsch-russischen Ostseeprovinzen, Band 2Wie sonst könnte ich hier in Gribow auf dem platten Lande in Vorpommern Bücher des Johann Georg Kohl finden, der im 19. Jahrhundert im Deutschbaltikum herumreiste und 1841 das mehrbändige Werk "Die deutsch-russischen Ostseeprovinzen: oder Natur- und Völkerleben in Kur-, Liv- und Esthland" veröffentlichte?
Die Uni-Bibliothek in Greifswald ist mit öffentlichem Nahverkehr nicht zu erreichen.

Und warum ich nach diesem Buch suchte?

Maruta Grasmane: Mittens of Latvia

Nun, im Beitrag "The Symbolism of Mittens in Latvian Folklore" von Prof. Janina Kursite in dem wunderbaren Buch "Mittens of Latvia" von Maruta Grasmane wird Johann Georg Kohl zititert. Ich habe gerade mit der Übersetzung ins Deutsche begonnen und da wurde meine Neugier natürlich geweckt.

Also habe ich gestöbert, gesucht und gefunden. Die Bände sind bei Google Books zu finden, zum Lesen online oder zum Download im PDF-Format. Prima.

Eine höchst merkwürdige Stelle behaupten unter den lettischen Kleidungsstücken die Handschuhe, deren wohl bei keiner Nation so viele verbraucht werden wie bei den Letten. Sie scheinen die Bekleidung der Hand für eben so nöthig zu halten als die des Fußes oder der Beine. Man sieht sie daher fast nie ohne Handschuhe. Die Hüterjungen, welche hinter den Ochsen und Pferden herlaufen, haben Handschuhe an. Die Holzhauer im Walde hauen die Bäume ohne Handschuhe so wenig um als ohne Beil; ja sogar die Knechte, welche ausmisten, fassen die Mistgabel nur mit Handschuhen an, als thäten sie es der Reinlichkeit wegen. Wo sich daher ein Lette einem anderen verdingt, da wird auch immer als ein stehender Artikel die Anzahl der zu liefernden Handschuhe ausgemacht, dem Gänsejungen drei bis vier Paar, dem Knechte acht bis zehn Paar des Jahres. Die Handschuhe sind bei den Letten auch ein gewöhnliches Geschenk, das sie sich bei allerlei kleinen Gelegenheiten eben so unter einander machen, wie wir es mit anderen Kleinigkeiten thun. Namentlich werden bei den Hochzeiten viele Handschuhe an alle Gäste verschenkt. Eine Braut hält daher deren immer eine außerordentliche Quantität fertig, drei- bis fünfhundert Paare, um am Hochzeitstage nicht in Verlegenheit zu gerathen. Sie verfertigen sie selbst aus weißer Wolle mit Einwebung von rothen Sternchen, Blümche und Schnörkeln nach tausenderlei Mustern, in deren Erfindung sich ihre Phantasie erschöpft.

aus:

Die deutsch - russischen Ostsee-Provinzen oder Natur- und Völkerleben in Kur-, Liv- und Esthland,
von Johann Georg Kohl, correspondierendem Mitgliede der kurländischeu Gesellschaft für Literatur und Kunst,´II. Theil
Kapitel 8, "Kleidung", Seite 69f