Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Google Books ist wohl eines der meist-unterschätzten Angebote des Daten-Riesens.  In der heutigen Kostenlos-Kultur wurde es natürlich falsch eingeschätzt und deshalb auch oft mies bewertet oder kommentiert, aber es ist eben kein Billig-Lesestoff-Schmonzetten-Dienst und auch keine Plattform für Self-Publisher die zurecht keinen Verleger finden; Google Books bietet den Zugriff auf Bibliotheksbestände zur Forschung und Belehrung…

Johann Georg Kohl, Die deutsch-russischen Ostseeprovinzen, Band 2Wie sonst könnte ich hier in Gribow auf dem platten Lande in Vorpommern Bücher des Johann Georg Kohl finden, der im 19. Jahrhundert im Deutschbaltikum herumreiste und 1841 das mehrbändige Werk "Die deutsch-russischen Ostseeprovinzen: oder Natur- und Völkerleben in Kur-, Liv- und Esthland" veröffentlichte?
Die Uni-Bibliothek in Greifswald ist mit öffentlichem Nahverkehr nicht zu erreichen.

Und warum ich nach diesem Buch suchte?

Maruta Grasmane: Mittens of Latvia

Nun, im Beitrag "The Symbolism of Mittens in Latvian Folklore" von Prof. Janina Kursite in dem wunderbaren Buch "Mittens of Latvia" von Maruta Grasmane wird Johann Georg Kohl zititert. Ich habe gerade mit der Übersetzung ins Deutsche begonnen und da wurde meine Neugier natürlich geweckt.

Also habe ich gestöbert, gesucht und gefunden. Die Bände sind bei Google Books zu finden, zum Lesen online oder zum Download im PDF-Format. Prima.

Eine höchst merkwürdige Stelle behaupten unter den lettischen Kleidungsstücken die Handschuhe, deren wohl bei keiner Nation so viele verbraucht werden wie bei den Letten. Sie scheinen die Bekleidung der Hand für eben so nöthig zu halten als die des Fußes oder der Beine. Man sieht sie daher fast nie ohne Handschuhe. Die Hüterjungen, welche hinter den Ochsen und Pferden herlaufen, haben Handschuhe an. Die Holzhauer im Walde hauen die Bäume ohne Handschuhe so wenig um als ohne Beil; ja sogar die Knechte, welche ausmisten, fassen die Mistgabel nur mit Handschuhen an, als thäten sie es der Reinlichkeit wegen. Wo sich daher ein Lette einem anderen verdingt, da wird auch immer als ein stehender Artikel die Anzahl der zu liefernden Handschuhe ausgemacht, dem Gänsejungen drei bis vier Paar, dem Knechte acht bis zehn Paar des Jahres. Die Handschuhe sind bei den Letten auch ein gewöhnliches Geschenk, das sie sich bei allerlei kleinen Gelegenheiten eben so unter einander machen, wie wir es mit anderen Kleinigkeiten thun. Namentlich werden bei den Hochzeiten viele Handschuhe an alle Gäste verschenkt. Eine Braut hält daher deren immer eine außerordentliche Quantität fertig, drei- bis fünfhundert Paare, um am Hochzeitstage nicht in Verlegenheit zu gerathen. Sie verfertigen sie selbst aus weißer Wolle mit Einwebung von rothen Sternchen, Blümche und Schnörkeln nach tausenderlei Mustern, in deren Erfindung sich ihre Phantasie erschöpft.

aus:

Die deutsch - russischen Ostsee-Provinzen oder Natur- und Völkerleben in Kur-, Liv- und Esthland,
von Johann Georg Kohl, correspondierendem Mitgliede der kurländischeu Gesellschaft für Literatur und Kunst,´II. Theil
Kapitel 8, "Kleidung", Seite 69f