Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Am vergangenen Sonnabend nahm ich am Pommerntreff in Anklam teil, der zum ersten Mal nach der Corona-Zeit wieder veranstaltet werden konnte. Mich trieb die Neugier an, denn eine 40köpfige Folklore-Truppe aus Pyrzyce in der polnischen Woiwodschaft Westpommern war eingeladen. Der Weizacker (Pyrzyce) ist ein Trachtengebiet mit einer reichen und vielfältigen Tracht, denn hier lebten wohlhabende Bauern.

Die Tracht der Bauern aus dem Gebiet des Pyritzer Weizackers ist die bekannteste Volkstracht Pommerns. In der Region, die im 13. Jahrhundert zum Siedlungsraum des Klosters Kolbatz gehörte, bildete sich ein eigenständiges bäuerliches Kulturgebiet. Der Wohlstand der Bauern, die die sehr fruchtbaren Böden dieser Landschaft bewirtschafteten, spiegelte sich besonders in ihrer Festtagskleidung wider. So wurde der Reichtum eines Bauern durch die Zahl der Röcke, die seine Frau übereinander trug, die Üppigkeit der Stickereien auf ihrer Kleidung und durch den Wert des Tuches aus dem die Kleidung geschneidert wurde angezeigt. Die Frauen trugen die Tracht bis in die 1920er Jahre, die Männer seit den 1880er Jahren nur noch an Festtagen.s

schreibt die WIkipedia.

Ich habe viele Bücher studiert, in denen diese Tracht dargestellt wird, aber ich habe bisher nur wenige Objekte gesehen. Ich weiß, ich muß einfach mal ins Germanische Nationalmuseum nach Nürnberg und in das Nationalmuseum nach Stettin fahren!
Mich interessieren besonders die roten reichbestickten Strümpfe der Frauen. Ein Exemplar habe ich im Rahmen der Ausstellung "Pommern im 20. Jahrhundert" im Pommerschen Landesmuseum Greifswald gesehen. Und wenn eine Volkstanz- und Trachtengruppe aus Pyritz auftritt, da werden ja sicherlich ein paar schöne Strümpfe zu sehen sein, das war  mein Gedanke.

wie immer: für eine größere Darstellung auf ein Bild klicken!

Wie ich im Gespräch erfuhr, wurde nach langer Entscheidungszeit im Jahr 2006 diese Tracht als Pyritzer Volkstanz-Tracht bestätigt. Und auch wenn sich der Reichtum der Pyritzer Bauernfamilien in der Zahl der übereinander getragenen Röcke der Bauernfrauen manifestierte, zum Tanzen trägt man einen Rock aus leichtem Stoff, lange weiße Strümpfe und darüber die handgestrickten roten bestickten Strümpfe, mit einer ganz besonderen Sohlenform: eben ohne Sohle, breite Gummibänder halten die Strümpfe beim Tanzen und dadurch sind die Strümpfe wohl etwas bequemer.

Tracht aus Rzeszów: Blaue Weste, weißer Kittel, blaue Hose

Die Gruppe führte aber nicht nur Pyritzer / Weizacker-Tänze und Lieder vor, der zweite Teil ihres Auftritts zeigte traditionelle Tänze aus Rzeszów.

Die Männer tragen eine schöne blaue Weste über einem weißen Kittel und blauer Hose und die Westenknöpfe sind wirklich sehr besonders!

Halb-Pompoms aus bunten Wollfäden --- eine schöne Idee.

Westenknöpfe der Männertracht aus Rzeszów

Ich spürte die Freude der doch recht alten Teilnehmer aus der ersten und zweiten Generation der Vertriebenen aus Pommern, sich wieder treffen und begegnen zu können, in offenem Gespräch und auch mit gutem Essen! Als ich die Halle verließ und vor dem Haus in der Sonne saß, kam eine Dame auf mich zu und meinte "War das nicht ein schöner Tag heute?" Ja, das war wirklich ein besonderer Tag.

Ich traf Dorota Makrutzki vom Kulturreferat für Pommern und Ostbrandenburg und wir besprachen während der Mittagspause im frühlingshaften Park unsere Teilnahme am Trachtenseminar "Deutsche Trachten aus dem östlichen Europa" im April, das vom 11. bis 13. April im Kloster Banz stattfinden wird.  Und das ist schon das nächste Thema dieses Beitrags.

 

Was uns anzieht - Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa zwischen Ästhetik, Politik und Mode

Das ist der Titel des Seminars, zu dem ich von Dorota Makrutzki, der Kulturreferentin für Pommern im Pommerschen Landesmuseum eingeladen wurde.

„Der Tracht heute ihre Legitimität abzusprechen, wäre eine unangebrachte neue Form der Ideologisierung. Das heißt jedoch nicht, dass man sich nicht der Trachtengeschichte, ihren Facetten, auch mit dem Belastenden und dem Verdrängten stellen sollte.“ (Reinhard Bodner) Mit dem Anspruch, möglichst alle Seiten zu beleuchten, wird sich das Seminar „Was uns anzieht: Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa zwischen Ästhetik, Politik und Mode“ im April 2023 den vielfältigen Aspekten des Themas Tracht widmen.

Wir beide werden am zweiten Tag des Seminars einen Vortrag halten, in dem wieder einmal die Pottmütze eine Rolle spielt:  „Pommersche Trachten in der Trachtenpflege und -forschung heute: die Rekonstruktion der Vorpommerscher Pottmütze"
Ich bin sehr gespannt und freue mich auch sehr darauf.

Das Programm des Seminars können sie hier downloaden:

  Tagungsprogramm Trachtenseminar

und weitere Informationen finden Sie unter anderem auf dieser Webseite.

Pottmützen

Ja, und  noch diese Woche, am Freitag, den 31. März, findet das Auftakttreffens des Arbeitskreises "Traditionelle Textilien" des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern statt.
Zusammen mit Claudia Krischer habe ich diesen Arbeitskreis ja schon lange geplant und nun legen wir los!
Ich bin gespannt.

Mehr über unser Vorhanden können Sie auf der Webseite des Heimatverbandes nachlesen. Und eine kurzfristige Anmeldung ist auch noch möglich, am besten an die Adresse Geschäftsstelle des Heimatverbands MV.