Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843
Das große Stricken

Das große Stricken

Marketing ist nun mal, salopp gesagt, der angesagte Hirnverstopfer. Aber dieser Werbekampagne muß ich ein Lob aussprechen. Sie toppt alles.

  • Ein Hersteller von Matschsaft schafft es, Caritas und ähnliche Organisationen in ein Boot zu bringen.
  • Stricken ist angesagt, aber so richtig stricken können viele doch nicht. Und Durchhaltevermögen ist oft nicht vorhanden, also muß etwas Niedliches, Kleines propagiert werden: Eine Mütze für Matschsaft-Flaschen. Hat verdammt viel Assoziationspotential zu Flaschen-Präservativen.
  • Ein guter Zweck wird an den Haaren herbeigezogen (für jedes Mützchen, das auf einer Matschflasche verkauft wird, spenden wir 30 Cent an die Caritas für ältere Menschen).
    Ich unterstelle mal diese Argumentationskette bei der Kampagnen-Präsentation: Junge Menschen, die immer noch gerne nuckeln und im Handarbeitsunterricht nicht aufgepasst haben und auch sonst nur über eine niedrige Frustrationstoleranz verfügen, stricken irgendwelche Wollknubbel und helfen damit den Älteren, die per se bedürftig sind und Hilfe benötigen.
  • Dann kommen  noch die Spezialisten von Tante Burda ins Boot und erklären die Grundregeln des Strickens (neudeutsch: basics), damit das Saftmützchen auch einen ordentlichen Anschlag bekommt
  • Und wer sich nicht entblödet, eine Wollmütze für eine Saftflasche zu stricken um armen Caritas-Pflegebefohlenen zu helfen, bekommt noch Grafiken für seine Facebook-Seite zur Verfügung gestellt.
  • Wer ist die Zielgruppe dieser Kampagne? Die Leutchen, denen die Myboshies eine Nummer zu groß sind und Gedichte für den Kopf zu teuer?

Wenn man sich diese Aktion mal genauer anschaut, dann bringt ein minimaler wohltätiger Effekt gewaltige Kosten mit sich:

  • Da werden Stricknadeln gekauft, denn mit Kuli-Minen, Schaschlik-Spießen oder ähnlichem kann ein Wenig-, Erst-  oder Nichtstricker diese Aufgabe auch nicht bewältigen
  • Dann werden irgendwelche Wollreste gesucht, erbettelt oder geribbelt, alles noch schön und gut
  • Die Erzeugnisse werden eingepackt und zur Post gebracht.
  • Tausende von Sendungen gehen bei der Matschsaft-Firma ein und müssen ausgepackt werden.
  • Personal wird benötigt, um den Saftflaschen jeweils ein Mützchen haltbar aufzuziehen. Ich gehe mal davon aus, daß es noch keine Matschsaft-Flaschen-Mützen-AbfüllAufzieh-Maschinen gibt
  • Die Verpackungen der Einsendungen müssen entsorgt werden
  • Die Getränkekästen kommen in die Läden und dort muß drauf geachtet werden, daß keine Mütze von der Flasche rutscht und niemand drauf ausrutscht
  • Ein Buchhalter muß ausrechnen, wieviel dieser Narrenkappen ausgeiiefert wurden und das mit 30 Cent multplizieren und an die Wohltätige Organisation überweisen
  • Die Werbeagentur muß beauftragt werden, für das nächste Große Stricken 2013 wieder sagenhafte Motivation auszuarbeiten
  • Und was geschieht mit den Mützchen, wenn die wohltätigen Käufer ihren Saft nuckeln möchten? Sie fliegen zuhause rum. Für sie wird krampfhaft ein Nutzen gesucht...

Ja dann hätte man doch gleich einen Eierwärmer häkeln können und das Geld direkt an die Caritas spenden!
Das wäre zwar umweltverträglicher aber nicht so "social webbie", denn der Caritas spenden ist ja nicht unbedingt trendy und "Ich hab gerade 30cent an die Caritas gespendet" ist nun wirklich nicht der Twitter-Heuler.

Flaschen-Kondome

Flaschen-Kondome

Dann doch lieber Flaschenkondome stricken. Und alle sind glücklich.