Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Die Insel Vormsi liegt nicht weit vom Festland entfernt, an der nordwestlichen Küste Estlands. Von Tallinn aus kommt man über Haapsalu zum Hafen Rohuküla, und nach kurzer Zeit ist man in einer anderen Welt. Oder einer anderen Zeit?
Es war unser erster Besuch auf dieser Insel und deshalb erschien uns vieles ungewohnt. Schon immer war die Insel von Küstenschweden bewohnt gewesen, diese evakuierten sich aber im 2. Weltkrieg vor der heranrückenden roten Armee nach Schweden  und nicht alle sind wieder zurückgekehrt.
Heute wird Vormsi  von vielen schwedischen Urlaubern besucht und von Stadtbewohnern, die hier ein Ferienhaus haben oder sich in einem der wenigen Unterkünfte einmieten. So kommt es vor, daß auf dem Parkpatz vor unserem Pensionat ein roter Ferrari parkt... denn außer Ferienhäusern, Zimmervermietern und Camping gibt es keine Unterkünfte (und das ist gut so!)

Wir waren bei Elle Malle untergekommen, ihr Pensionat liegt am Ortsrand, im Wald, an eine große Wiese angrenzend, nicht weit von der St. Olaf-Kirche und dem Friedhof mit den eigenartigen Grabsteinen. Elle Malle lebt schon lange auf der Insel, ist geschäftstüchtig und umtriebig. Sie hat ein großes Herz und kann viel erzählen. Deshalb widme ich ihr den nächsten Beitrag hier auf der Wockensolle und beschreibe erstmal das "Drumherum".

Unsere Unterkunft

Handarbeitszentrum 

Restaurant

Auf dem Weg in den Ort

Unsere Unterkunft liegt etwas außerhalb des kleinen Ortes.

Eine Straße führt vorbei, aber am liebsten nehmen wir doch den Waldweg und spazieren an gemütlichen Häusern vorbei in die Ortsmitte, zum Kaufladen oder ins Handarbeitszentrum.

Im Zentrum von Hullo

Mit EU-Mitteln wurde hier die Ortsverwaltung und das Handarbeitszentrum eingerichtet.
Gegenüber dann der Kaufladen und davor ein freier Internetzugang, eine Bushaltestelle und ein Häuschen für die Müllsammlung.

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Und es gibt nicht nur  Freies Internet auf der Wiese vor dem Haus, auch Freies Katzenkraulen ist verfügbar.

Dafür gibt es aber auf der ganzen Insel keinen Geldautomaten, man kann jedoch im Kaufladen Geld "abheben", vorausgesetzt es haben nicht alle Kunden vorher  mit Karte bezahlt und Bargeld ist in der Ladenkasse.

Unser Ziel war natürlich das Handarbeitszentrum im Dorfhaus.

In der Eingangshalle stehen Mannequins in Insel-Tracht, mit roten Wadenwärmern und weißen Socken.
Das Zentrum ist recht aktiv, für die Touristen gibt es viele wunderbare Arbeiten im Angebot (Socken, Handschuhe, Decken, Wolle, Taschen, Schmuck), es werden aber auch Handarbeitskurse veranstaltet.
Man muß schon den Geldbeutel festhalten wenn man die "Käsitöötuba" betritt.

 

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Ich hatte schon vor der Reise Socken im Vormsi-Muster gestrickt und die passenden roten Wadenwärmer dazu. Aber was ich hier sah, begeisterte mich, soviele Variationen!
Einfache überkreuzte, verschränkte rechte Maschen auf einem Hintergrund aus linken Maschen, eine Vielfalt die mich noch lange beschäftigen wird. Die Frauenhandschuhe und -Socken sind weiß mit einem hübschen Struktur-Muster gearbeitet, nicht nur das Bündchen ist mit Travelling Stitches gestrickt, oft auch der komplette Fußteil oder die Ferse der Socken. Für die Männer ist alles ein wenig handfester: sie tragen gestreifte Fäustlinge oder Socken, meist blaue und grüne Streifen auf einem dunklen Grund.

Falls das Ravelry-Forum im kommenden Wnter wieder einen MiniMitten-KAL veranstaltet, bin ich gerüstet... und kann mich zwar nicht mit fremden Federn aber mit fremden Miniatur-Handschuhen schmücken ;=)
Ich konnte natürlich nicht widerstehen und habe ein Paar Kleinstsocken und ein Paar Kleinsthandschuhe erstanden. Wer weiß was ich damit mache, ich freue mich daran auf jeden Fall.

Aus der Schwedenzeit stammt der Begriff für diese hübschen Projekttaschen: Bindbongen...
Sie sind meisterlich gewebt und mit einem kleingemusterten Stoff gefüttert.

Diese Projekttaschen sieht man auch auf alten Fotografien und unsere Wirtin zeigte uns auch ein uraltes, vielfach geflicktes Exemplar.

Ich habe mir solch einen Beutel geleistet, ich empfinde es als Luxus die Arbeit einer kreativen Frau nutzen zu können. Und der hohe Preis von 50,00€ hat mich nicht abgeschreckt, art must be paid.