Da frage ich mich, was ich den ganzen Tag denn so gemacht habe und wenn ich die Photos durchschaue und die Orte, an denen ich war, aufliste in Gedanken, dann war es doch ganz schön viel...
Am Morgen habe ich mich an den Rat eines Freundes gehalten, der meinte, Tallinn sei eine Hafenstadt, da sei doch sicher was zu sehen im Hafen. Ich bin also losmarschiert, immer die Vana-Kalajama-Strasse entlang, vorbei an schönen alten Holzhäusern und dazwischengestreuten Neubauten, und dann das: ans Wasser kommt man erstmal nicht, Baustelle! Eine Strasse wird neu gebaut, aber bevor ich umkehren kann sehe ich zwei alte Damen mit Badetaschen, die tapfer durch den Staub laufen und den Lastwagen ausweichen. Also bin ich denen einfach nachgelaufen. Zum Schluß komme ich dann doch noch an das Meer.
Von hier aus sieht man Kreuzfahrtschiffe am Kai, Fähren, welche nach Helsinki auslaufen oder von dort kommen und es ist wirklich Sommer!

Ein sonnenbadender Russe
Dieser Adonis ist höchstwahrscheinlich ein Russe, nur Russen habe ich bisher auf diese Weise Sonnenbäder nehmen sehen... er hat sich 20 Minuten nicht bewegt....
Dann bin ich aber wieder in die Stadt gelaufen, das "Eesti Käsitöö Maja (Estonian Handicraft House)" wollte ich ja unbedingt besuchen. Hier gibt es nicht nur Gestricktes, sondern auch Gewebtes, Stoffe, Bänder, Keramiken, und im Keller das Angebot von drei Textilkünstlern, darunter die Modelle von Riina Tomberg. Ich fand die Kinderjacke ganz entzückend. Riina Tomberg wird auch beim Craft Camp einen Workshop leiten, und ich werde ihre Arbeiten nach der Reise in einer Nachlese noch einmal würdigen.
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Feine Garne
Die dünnen Garne haben es mir angetan und ich habe je ein Knäuel in weiß (105g, einfädig) und in hellgrau (115g, 5fädig) erstanden, der Preis liegt bei 5,80 €.
Dieses Haus beherbergt nicht nur einen Laden und im Keller die Studios der drei Designer, es gibt auch einen Ausstellungsraum, in dem gerade die Ausstellung "Weiße Spitze aus Seto" zu sehen ist. Obinitsa Setomaa ist die finno-ugrische Kulturhauptstadt des Jahres 2015 und die Häkel- und Klöppelspitzen aus dieser Gegend sind etwas ganz Besonderes.

Weiße Spitze aus Seto
Aus Anlaß des Kulturjahres wurde in einem EU-LEADER-Projekt ein Buch mit Mustern und deren gehäkelten Umsetzungen erstellt, das hier auslag und das man durchblättern konnte. An der Wand hingen größere Arbeiten und in einer Truhe lag feine Klöppelspitze. Die Informationen in dieser Ausstellung waren nicht unbedingt polyglott, ich habe aber im Netz sehr viel Informationen zu diesem Projekt und der Kulturhauptstadt gefunden und werde später in einer Reisenachlese genauer darauf eingehen.
Ich wollte unbedingt noch zur Wollwand kommen, einer Reihe von Wollwaren-Verkaufsständen an der Stadtmauer in der Nähe des Viru-Tores. Hier scheint das Haupteinfallstor für die Touristen zu sein, ein einzigartiges Gedränge und Geschiebe und vielfältiges Sprachgewirr.

Wollwand in Tallinn
Vielleicht bin ich zu kritisch und es war wohl auch zu warm, aber mir gefiel fast nichts. Ich habe wahrscheinlich schon zuviel von diesen kommerziellen Angeboten in Vilnius, Riga und Tallinn gesehen. Einige der angebotenen Pullover oder Jacken sind in traditionellem Muster, aber doch recht grob gestrickt und dann auch recht teuer (wenn ich es z.B. mit meiner Barbara-Isbister-Jacke aus Shetland vergleiche)

Wolljacke im Angebot: sie sollte 75,00 € kosten
Der Preis mag in Ordnung gehen, aber ich stricke mir selbst so eine Jacke.. habe ich mir jedenfalls vorgenommen. Gegenüber der Wollwand, in der Strasse Müürivahe, gibt es sehr viele Geschäfte mit allem möglichem Souvenierkram. Aber dazwischen eine Perle: Domus Linum! Das Leinenhaus! Ich glaube, Regina, der Wollfrosch wäre hier in ihrem Element!
Neben Gewebtem, Tischtüchern, Stoffen vom Meter, gibt es jede Menge Strickgarn aus Leinen und feinstes Garn für Häkel- oder Strick-Spitze (in etwas größerer Auswahl als im Eesti Käsitöö Maja. )
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Wunderbare Farben
Ich habe mich mit der Dame im Geschäft lange unterhalten, sie kannte Ravelry nicht und hatte auch gleich angemerkt, daß sie leider keinen Online-Shop hätten (denn dann könne ich länger überlegen und doch bestellen!). Hier sind auf jeden Fall die Kontaktdaten des Geschäftes:
Ach so ja, den Bräunling kann ich natürlich nicht unkommentiert lassen, weiß nicht, ob das russentypisch ist, aber wie er da so steht, da hat er schon was, näääch? Aber ich erkenne auch so eine leicht mafi*se Anmutung, oder ist das nur der Neid auf’s Sixpack? Jedenfalls scheint er überzeugt zu sein, dass er der Schönste im Lande ist, wer schöner ist, muss geschminkt sein ;-)))))
Grüßle
Regina
Haaaach ja, seufz ;-))) Was für eine Fülle und was für eine Vielfalt! Was bin ich froh, dass ich nicht dort herum schleiche und auswählen muss!!!! Sicher ginge es mir wie damals 1989 erstmals vor dem Joghurt-Regal eines Supermarktes – Augen und Hirn konnten nicht erfassen, was da aufgestellt war und sie drohten abzuschalten … Aber Du bist ja moralisch gefestigt *ggg* und wirst weise Deine Mitbringsel wählen.
Das Leinengarn ist traumhaft schön – vor allem die farben – aber ich denke, für die Handstrickerei viel zu dünn (das was man da auf den Konen sieht) und mehrfädig zu stricken – weiß nicht ich glaub, das wird nix. Also wenn Du jetzt sagst, das ist alles nur so dünn, dann bin ich auch nicht ganz so traurig ;-)))
Liebe Grüße und noch viele tolle Woll-Erlebnisse!
Regina
da muss ich dich aber enttäuschen, die schönen Farben gibt es auch dickeren Stärken! Ich habe nur die dünnen Garne photographiert, weil die mir am nächsten liegen!
Nun heute habe ich nochmal bei Büchern zugelegt, ein wunderschönes Büch über estnische Strickjacken aus dem Bestand des Nationalmuseums, herrlich
hmmm, wieso eigentlich hatte ich diese Enttäuschung schon kommen sehen???? Wieder seufffz….
Wie eigentlich wirst Du Dir mit all diesen Bücherschätzen demnächst die Reihenfolge Deiner Strickprojekte einteilen? Bei so einer Fülle wird man doch wirr in der Birne bei solcher Vielfalt und solchen schwerwiegenden Entscheidungen ;-)))
Komm gut in der nächsten Station Deiner wolligen Reise an und auf das Craft-Camp bin ich schon sehr gespannt!
Liebe Grüße aus der Nordsahara
Regina
Liebe Regina,
ja das sind inzwischen viele Bücher, die ich mit mir ruumschleppe. Ich werde nach dem Craft Camp ja noch ein Wochenende in Tallinn verbringen und wenn ich mit dem Gepäck nicht klarkomme, dann schick ich wieder per Post nach Hause, die Post ist gerade um die Ecke hier und das Porto ist etwas günstiger als aus Riga, hab mich gerade erkundigt.
Wie das mit dem Stricken wird? Lesen und Betrachten und Studieren macht auch satt ;=)
Aber ich glaube ich werde würfeln müssen, auf jeden Fall muss ich erstmal meine 2 Jacken steeken, die zuhause warten ;=)
und hier auf der Reise fange ich ja nur die Workshop-Projekte an, ansonsten stricke ich an der roten Stola weiter, ist inzwischen wohl schon 1,50 m lang…
Gruss aus der nördlichen Hitze,
Connie