Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Das Volkskundemuseum Schönberg muß weiterbestehen!

Ist ein Museum erst einmal geschlossen, ist es verloren.
Das ist eine Binsenweisheit, belegt durch viele traurige Beispiele.

Die 2002 geschlossene "Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck" ist war dafür ein gutes (besser: schlechtes Beispiel). Der dortige Sammlungsbestand ist war lange Zeit magaziniert und nur noch zu Forschungs- und Studienzwecken zugänglich.
Zum Glück ist sie heute (2024) wieder zugänglich.

Damit verschwindet die Sammlung aus dem Kulturleben, aus der Wahrnehmung, bietet keinen Bildungsanreiz mehr und kann dann irgendwann geschlossen werden. Weil sich ja niemand dafür interessiert…

Das gleiche Schicksal droht nun dem, ironischerweise in nächster Nähe gelegenen, gerade mal 15km Luftlinie von Lübeck entfernten Volkskundemuseum Schönberg.

Volkskundemuseum Schönberg
Volkskundemuseum Schönberg

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist nicht gerade mit herausragenden Museen gesegnet, und dieses Museum, gegründet 1903 als Altertumssammlung des Fürstentums Ratzeburg, ist mehr als ein Heimatmuseum, es ist ein Volkskundemuseum. Und es ist in Gefahr.

Allein der Name "VolksKundliches Museum" zeigt auf, dass es um mehr als das Sammeln und Dokumentieren von vorgefundenen Gegenständen und Gebräuchen geht ( => Heimatmuseum), es geht um die Kunde, das Verstehen, die Verbreitung dieses Wissens. Und damit, wie auch beim Heimatmuseum, um den Erhalt der vorgefundenen Lebens- und Sachkultur, der Alltagskultur.

Und das leistet das Volkskundemuseum Schönberg vorbildlich. Oder muss ich sagen, leistete?

Wollfest in Schönberg - das Wettspinnen beginnt gleich

 

Ob Bildungsangebote, Sammlung, Ausstellungen, Veranstaltungen im Haupthaus oder im Bechelsdorfer Schulzenhaus, Brotbacken im alten Backhaus, Norddeutsche Spinnmeisterschaft, Konzerte - ohne das Museum wäre die Stadt Schönberg, das Schönberger Land, die Region, MV ärmer. 

Getragen von einem Förderverein und immer wieder in finanziellen Nöten, immer wieder in seiner Existenz bedroht, ist nun eingetreten, was schon lange befürchet wurde: das Museum ist seit Mitte dieser Woche geschlossen, keine Öffnung für das Publikum, keine Veranstaltungen, Forschungsanfragen per Telefon oder eMail …

Der Vertrag zwischen der Stadt Schönberg und dem Trägerverein läuft zum Jahresende 2023 aus und es liegt ein Vertragsentwurf auf dem Tisch: 132.00€ bietet die Stadt dem Trägerverein an.

Laut Vertragsentwurf muss der Verein damit nun sämtliche Gebäude- und Sicherheitskosten sowie Sachkosten tragen und 82.000€ Miete / Jahr zahlen, statt dem bisherigen symbolischem Euro.

Die Stadt Schönberg übernimmt dann nur noch wenige Kosten:  gerade mal 4500 € / Jahr für die Versicherungen der Sammlung und der Häuser.

Das ist ein finanzieller Taschenspielertrick, mit dem das Museum nicht weiter betrieben kann. Und der zu der bitteren Entscheidung des Trägervereins, das Volkskundemuseum jetzt schon bis zum Jahresende geschlossen zu halten, geführt hat.
Wie geschrieben, ist ein Museum ersteinmal geschlossen, bleibt es das wohl auch.

Mit Olaf Both, dem bisherigen Museumsleiter, der seine Konsequenzen aus den jahrelangen Querelen um den Bestand des Hauses sicher nicht leichten Herzens gezogen und gekündigt hat, verliert die Stadt einen höchst fachkundigen und engagierten Museumsleiter, der es auf bewundernswerte Weise immer wieder geschafft hatte, die Kulturakteure aus der Region, die Bevölkerung und Gäste zusammenzubringen und das kulturelle Leben in der Stadt und darüber hinaus zu bereichern.

Der Arbeitskreis "Traditionelle Textilien" des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern fühlt sich dem Volkskundemuseum Schönberg sehr verbunden und fordert dessen Weiterbestand!

Mitglieder des Arbeitskreises kamen zu den Spinnmeisterschaften, Cornelie Müller-Gödecke hat einige wenige der wunderbaren Strümpfe aus dem Bestand des Museums bereits untersucht und nachgestrickt, und für den Winter 2023 / 2024 hatten wir einen mehrtägigen Aufenthalt in Schönberg eingeplant, um die Textilien im Bestand zu erkunden.

Claudia Krischer wollte die Strümpfe  fotografieren; Cornelie Müller-Gödecke hat vor,  weitere Strümpfe nachzuarbeiten und die Anleitungen dazu dem Museum zur Verfügung stellen.

Dies alles scheint nun unmöglich.

Der Kreis, das Land, alle relevanten Institutionen sind in der Pflicht, das Museum zu erhalten, die drohende weitere kulturelle Verödung zu verhindern.

Nicht nur daß es im gesamten Bundesland MV keinen Lehrstuhl für Volkskunde mehr gibt, jetzt soll auch das lebendige, wichtige Museum in Schönberg geschlossen werden?

Die Ostseezeitung schrieb im März 2023:

"Doch niemand hat nach Aussage von Bürgermeister Stephan Korn (Kommunale Wählergemeinschaft) wirklich ein Interesse daran, das Volkskundemuseum zu schließen."