Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Das Jubiläum des lettischen Trachtenzentrums Sena Klets (Alter Speicher) in RIga habe ich hier auf der Wockensolle schon etliche Male angesprochen, ich habe schon einen Kurz-Bericht erstellt, man findet bei Facebook viele Fotos, es gab Fernsehübertragungen, die Medienaufmerksamkeit in Riga war groß.

Welchen Rang hat dieses Zentrum, was ist das Besondere?

Die Republik Lettland erklärte 1990 ihre Selbständigkeit von der Sowjetunion, defacto wurde dieser Beschluss allerdings erst am 21. August 1991 wirksam, und nur 5 Tage später gründete Maruta Grasmane das Trachtenzentrum Sena Klets. Eine turbulente Zeit, das Ende der sowjetischen Besatzung und der Beginn der Neubesinnung.

Maruta Grasmane ist Autorin dreier Bücher:

  • 1995: Krustpils novada tautas tērps (Trachten aus dem Bezirk Krustpils)
  • 2000: Latviešu tautas tērpi. Raksti. Izšūšana (Lettische Volkstrachten. Muster. Stickerei)
  • 2012: LATVIESA CIMDI / 2015: MITTENS OF LATVIA / 2016: Handschuhe aus Lettland
Vaira Vīķe-Freiberga mit dem Buch

Vaira Vīķe-Freiberga, Präsidentin Lettlands von 1999 bis 2007, mit dem Buch "LATVIESA CIMDI"

Inzwischen besteht das Zentrum 25 Jahre und hat eine feste Bleibe am Rigaer Rathausplatz gefunden.

25 Jahre Sena Klets

25 Jahre Sena Klets

Welche Reputation das Zentrum sich erarbeitet hat, konnte man den Grußbotschaften (unter anderem von Vaira Vīķe-Freiberga), entnehmen. Die amtierende Kultusministerin, Dace Melbārde, nahm selbst an der Feier teil.

Dace Melbārde, die Kultusministerin

Dace Melbārde, die Kultusministerin, in einer "archäologischen Tracht" beim Brot-Brechen

Vom Rathausplatz zog der Festzug über die Daugava-Brücke zur Nationalbibliothek.

der Trachtenzug auf der Daugava-Brücke

der Trachtenzug auf der Daugava-Brücke

Einzug in die Bibliothek

Einzug in die Bibliothek

Aus allen Regionen des Landes waren die Teilnehmer und Gäste in ihren Kostümen angereist.

In der Halle vor dem Festsaal

In der Halle vor dem Festsaal

Nach dem Einzug der Jubilare stellten sich die Teilnehmer der einzelnen Regionen auf der Bühne vor, eine Musikgruppe brachte dazu Volkslieder aus den jeweiligen Regionen dar.

Archaische Trachten

Archaische Trachten

Auf der Bühne

Auf der Bühne

Nach traditioneller Art brachen die Redner Brot und nahmen einen Schluck aus dem Wasser-Krug (in den vorher ein Silberstück getan war).
Welchen Einfluß die Trachten auf die zeitgenössische Mode haben, zeigte die Modenschau, bei der natürlich auch Handschuhe gezeigt wurden!

Modenschau: Alt und Neu

Modenschau: Alt und Neu

Drollig fand ich, wer bei der Verlosung Preise gewann. Linda Rubena vom Lettischen Nationalen Kulturzentrum war ebenso Preisträgerin wie Inna Valtere, eine Meisterstrickerin. Das Losglück bescherte ihr ein Exemplar des Handschuhbuchs, wo sie doch selbst Handschuhe für das Zentrum strickt;=)

Inna Valtere gewinnt ein Buch

Inna Valtere gewinnt das Buch

Leider waren die japanische, norwegische und deutsche Ausgabe des Buches noch nicht aus der Druckerei gekommen, wir hatten uns darauf sehr gefreut.

Wie klein die Welt der Handarbeitsmeister ist, wurde mir wieder bewußt, als ich im Untergeschoss die Ausstellung mit den Kunststrick-Decken von Riho Toomra sah, dem Meisterstricker aus Tallinn. Ihn habe ich in Tallinn kennengelernt und auf der Wockensolle auch schon mehrfach vorgestellt.

Riho Toomras Ausstellung

Riho Toomras Ausstellung

Erfüllt und freudig ging dieser Tag zuende, welch ein Fest.

Wir haben in Deutschland wohl nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen, bei uns sind die Traditionen abgeschnitten. Trachten sind altmodisch oder politisch unkorrekt, gehören nicht mehr zum Alltag und verschwinden aus unserem kulturellen Gedächtnis.

Ein Gedankenspiel:

Lettland hat ebensoviel Einwohner wie Hamburg. Können wir uns 200, 400 oder gar 800 verschiedene Hamburger Handschuhmuster vorstellen, also ein Paar aus der Eulenstrasse, eines aus der Wachtelstrasse in Dulsberg oder der Lerchenstrasse in Altona? Irgendwie nicht.