Sucht man etwas, dann findet man auch etwas. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Ich möchte ja so gerne etwas über die Polnische Stricktraditionen herausfinden, und das ist so zäh, bis jetzt habe ich noch keinen Erfolg zu vermelden, habe aber einige Meinungen dazu gehört, daß es eben keine polnische Stricktradition gäbe... Auch wenn es keine großartigen Trachten geben mag, ich kann mir nicht vorstellen daß nie gestrickt oder gehäkelt wurde, Schafe oder Ziegen wurden doch überall als Haustiere gehalten. Ich halte weiter die Augen offen.
Tja, und da sitze ich auf der Couch und zappe durch die Sender, will schon NDR3 wegzappen, weil DAS! meiner Meinung nach den Seichtigkeits-Rekord aller Vorabend-Dritte-Programme-Sendungen hält; eine Sendung, in der Eitle B- oder C-Promis sich mit zickigen Moderatorinnen unterhalten müssen und diesmal sitzt ein schnellsprechender junger Mann auf dem Sofa und läßt seine Tattoos blitzen... redet und redet und holt dann tatsächlich eine eigenartige Strickmütze hervor...
Dr. Florian Huber ist Unterwasser-Archäologe und Forschungstaucher und hat diese Mütze geborgen. Sie sei in einem polnischen Segelschiff gefunden worden, das vor 200 Jahren untergegangen ist. Und er habe sie nachstricken lassen.
Ich hätte wetten können, daß der Moderatorin nichts einfällt außer "myBoshi" und die Wette hätte ich glatt gewonnen!
Ist das wirklich eine polnische Mütze? Oder hat sie der Seemann irgendwo getauscht, erstanden, mitgenommen? Ob diese Mütze segeltauglich ist, den Wind nicht durchläßt und auch nicht davonfliegt?
Fragen bleiben offen.
Ich wundere mich ja schon eine lange Zeit und frage, ob es denn eine polnische Stricktradition gäbe, traditionelle Muster oder Kleidungsstücke? Es kann doch nicht sein, daß ein solch großes Land mit einer solch langen Geschichte keine Strick-Tradition hat?
Diese Frage habe ich nicht nur mir gestellt, auf der Nowa Amerika Konferenz im letzten Herbst zum Beispiel, beim Hamburger Wollfest während Letes (Justyna Lorkowska) Workshop, aber auch sie wußte keine Antwort.
Nun wurde ich auf diesen Film der British Pathé - Wochenschau aufmerksam gemacht, der auch bei Youtube zu finden ist:
Es ist unbekannt, wann dieser Film und wo aufgenommen wurde, er sollen aber polnische Bauernsleut zu sehen sein. Nun wurde dieser Film 1948, in unruhigen Zeiten, aufgenommern, denn gerade erst 1947 war Polen aufgeteilt worden und hatte so einen großen Landstrich an die UdSSR, an die Sowjetrepubliken Litauen und Weißrußland, verloren.
Ich habe mir das Video inzwischen mehrfach angeschaut und ich meine, daß es sich eher um litauische Handschuhe handelt. Die dicke Wolle, die Zweifarbigkeit, die gestreiften gerippten Bündchen, die Sterne...
Handschuhe auf der Leine
Interessant ist die Stricktechnik: es wird wohl mit drei sehr langen Nadeln gestrickt, die Maschen der Vorderseite und die der Innenseite je auf einer Nadel:
Stricken mit drei Nadeln?
Die Farben: auch wenn es ein schwarzweißer und kein farbiger Film ist, es ist doch anzunehmen daß die gezeigten Handschuhe durchgängig mit dunklen Mustern auf hellem Hintergrund gearbeitet sind. Und auch die Streifen im Bündchen und diagonal auf der Handinnenseite habe ich sehr oft bei litauischen Handschuhen gesehen...
Was kann es also mit diesen Handschuhen auf sich haben? Werden sie inPolen gestrickt oder in ehemaligen polnischen aber auch litauischen Dörfern? Die Grenzen zwischen Polen und Litauen haben sich in der Geschichte ja immer wieder verschoben, man denke nur an die polnischen Teilungen im 18. Jahrhundert... da sind entweder die Traditionen mitgewandert oder auch umetikettiert worden.
Ich kann die Fragen nicht beantworten. Aber ich werde den Film noch genauer studieren, viele interessante Details sind zu erkennen bei genauem Hinschauen.
Nun war ich das Wochenende über auf dem Kongress des Netzwerkes Nowa Amerika und habe viele Menschen wiedergetroffen oder kennengelernt.
Zweieinhalb Tage haben wir uns kennengelernt, Projekte vorgestellt, Musik erlebt, haben gemeinsam gegessen und gelacht, sind spazierengegangen, haben die wunderschöne Herbstlandschaft am See von Moryn genossen und das kleine Städtchen erkundet.
Der Krebs-Brunnen in Moryn
Ich habe meine Suche nach Woll-Traditionen vorgestellt und das Buch "Handschuhe aus Lettland" vorgestellt, auf einem Tisch Handschuhe, Strümpfe, Socken, Pulswärmer gezeigt.
Nun warte ich auf Informationen, vielleicht findet sich ja doch etwas... Ich habe mich mit Hanka, die Traditionen in Nowa Amerika erkundet hat, für ein Treffen verabredet, nun bin ich gespannt.
Leider konnte meine Präsentationsdatei nicht gebeamt werden, mir noch unverständliche technische Schwierigkeiten, deshalb habe ich sie hier zum Download eingebunden: Grenzenlos Verstrickt
Was Nowa Amerika ist? Eine reale Wirklichkeitskonstruktion ;=) Ein Netzwerk, eine Gruppe offen denkender Menschen, eine real existierende Phantasie - nennen Sie es wie Sie möchten!
das ist der Titel einer kleinen Präsentation, die ich am Wochenende auf der Konferenz des Netzwerkes NOWA AMERIKA in Moryń in Polen zeigen werde. Nowa Amerika ist ein eigenwilliges deutsch-polnisches Netzwerk, dessen unerwarteter Name sich aus der Siedlungsgeschichte des Warthebruchs herleitet. Das Netzwerk hat eine eigene Sprache und überrascht immer wieder mit tollen Aktionen, wie zum Beispiel dem Festival KuKuKa, wie man in dem verlinkten Film sehen kann.
DAs Hauptthema des NOWA AMERIKA Kongresses ist „Die deutsch-polnische Grenzregion als besonderer Bildungsraum“ geben und ich nehme teil.
Nowa Amerika im baltischen Strick-Raum
Diese von mir erstellte Karte zeigt, wie wir in unserer rot-umrandeten kleinen Region von Ländern mit Stricktraditionen umgeben sind, aber gibt es bei uns auch Stricktradition, Trachten, Museumsbestände, besondere Techniken?
Ich weiß es nicht. Und deshalb stelle ich meine Fragen bei der Konferenz.