Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Die erste Woche meiner großen Reise ist nun schon fast vorbei - und der Eindrücke sind viele!
Ich traf mich mit Pat in Oslo und unternahmen gleich am ersten Tag nach einem kurzen Frühstück einen Museumsbesuch: Das norwegische Volkskundemuseum (Norsk Folkemuseum) ist ein MUSS!
Nicht nur die verschiedenen Themenbereiche im Freilicht-Museum (Sami-Kultur, Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts), die in eigenen Gebäuden untergebracht sind, lohnen den Besuch, mich zog natürlich die "Knitting - History . Exhibition" im Ausstellungsgebäude an; eine Ausstellung, von der ich schon gelesen hatte und die ich nicht versäumen wollte.

Norske Folkemuseum

Eine Pinnehua aus Surdal

Die Ausstelung zur Strick-Geschichte Norwegens vom Anbeginn um 1600 bis heute ist nicht sehr groß, sie zeigt nur einen kleinen Bereich des Bestandes. Aber sie ist gut präsentiert und dokumentiert, leider jedoch sind die Exponate durch stark reflektierende Glasscheiben gesichert.
Es gelang mir kein einziges vernünftiges Photo zu machen, irgendwann brauche ich doch wieder eine Kamera, der man einen Polfilter anschrauben kann! Aber dies nur am Rande,

In einer Vitrine erhaschte ich einen Blick auf die schwarz-rot gemusterte Zipfelmütze, die ich ja schon gestrickt habe, zu deren Fertigstellung mir aber die Technik der "Flosskant", der Plüschkante, fehlt. Aber das kommt noch, das steht ja auf dem Programm des Nordisc Knitting Symposiums.

Und was besucht eine Wollsammerin? Natürlich Wollgeschäfte! In Norwegen müssen es die Husfliden-Boutiquen sein! Husflden ist eine Vereinigung norwegischer Kunsthandwerker, die, wie die Wikipedia schreibt, ihre Produkte in einer eigenen Handelskette vertreiben. Uns interressierte natürlich vorrangig die Abteilung Garn og Strikk, die wir im Kaufhaus Glasmagasinet im Zentrum Oslos besuchten.

Da gibt es Garne von so tollen Marken wie Rauma, Sandnes, Hillesvåg - und das verführt. Ich habe ich am Riemen gerissen, in Anbetracht der Tatsache, dass die Reise ja gerade erst begonnen hat, beschränkte ich mich auf 2 Rauma-Magazine, 2oogWolle (4-tr Spælsau von Rauma) für eine Mütze und einen nützlichen Stopfpilz - mending ist ja gerade der Trend!

 

Heimen Husfliden in Oslo

Vor einer Wollwand im Heimen Husfliden in Oslo

Das nächste Ziel unserer Reise war Bergen, die Hansestadt an der Westküste Norwegens mit den historischen Verbindungen nach Shetland,
Bei brütender Hitze starteten wir am Zentralbahnhof, an einem Freitagabend, an dem alle Osloer zum Midsommerfest zu reisen schienen.

Welch eine atemberaubede Fahrt mit der Bergenbahn! Durch grüne Landschaften ging es immer höher in die Berge hinauf, und bald waren wir umrundet von steinigen, kahlen, zum Teil noch schneebedeckten Gipfeln, die sich in klaren Bergseen spiegelten, bis auf ca. 1400 Meter ging es hoch hinauf Und auch wieder hinunter, an den eindrucksvollen Fjorden entlang, mal ganz nah am Ufer, dann wieder etliche Meter darüber... auch wenn man Bilder aus dieser herrlichen Gegend schon oft gesehen hat, live ist das einfach nur atemberaubend! Und ich freue mich, daß ich das erleben durfte,

Altstadt Bergen

Die Zeit in Bergen war ziemlich anstrengend (sehr heiß, sehr schlechter ÖPNV, lange Wege),  aber das mindert nicht die Schönheit der Stadt.

Sie liegt wunderbar am Wasser, zwischen grünen Bergen, mit einer schönen Altstadt voller alter wohlgepflegter Holzhäuser und einer großstädtischen Innenstadt.

Und natürlilch voller Touristen, die Kreuzfahrtschiffe machen hier Station.

Seit ich vor 10 Jahren mir eine Nacht um die Ohren schlug, um dem Nationalen Stricktag im norwegischen Fernsehen, übertragen durch das Internet, zu verfolgen, wusste ich von der Existenz des norwegischen Textilindustriemuseums in Salhusdagen, in der Nähe von Bergen. Das wollte ich unbedingt besuchen! und
Die lange Stricknacht habe ich damals auch hier auf der Wockensolle  inmehreren "Live-Beiträgen" dokumentiert: Zwischenstand + Endergebnis: Stricken durch die Nacht!  + Norwegische Stricknacht: Nocheinmal in Ruhe: 08:35:23

Nun also bot sich die Gelegenheit: Mit dem Bus fuhre wir durch eine wunderschöne Landschaft, bis wir in dem beschaulichen Ort Salhus ankamen, der erst durch die Textilfabrik, die 1859 gegründet wurde in einer Notzeit (die Bevölkerung war stark gewachsen und die Landwirtschaft konnte sie nicht alle beschäftigen) entstand. Natürlich am Wasser gelegen, ist es heute beschaulich und ruhig, kleine Häuschen mit blumenreichen Vorgärten und dann natürlich die Textilfabrik, das heutige Norwegische Textilindustriemuseum.

Ein kleines Café und ein netter Museumsladen laden vor oder nach der Führung durch das Museum ein. Eine  nette junge Dame führte uns herum, erklärte die Maschinen und die Produkte. "Krone- Maco" war eine erfolgreiche Unterwäschenmarke, mit hoher Qualität und Langlebigkeit, aber leider wurde sie von der Synthetik-Konkurrenz ruiniert.

Ein halbstündiger Film, der vor der Führung oder auch danach, je nach Gusto, vorgeführt wird, rundete den Besuch ab, Und natürlich wanderte auch ein wenig Garn ins Körbchen...

Nachstehend eine kleine Fotogalerie mit Bildern aus dem Museum, zu einer ausführlichen Beschreibung des Besuches kommt es später noch,

Ja, der Sommer naht und damit auch die große Reise, die ich zusammen mit Freundinnen geplant habe... Diesmal werde ich wirklich sehr lange unterwegs sein, sieben Wochen, und nicht nur im Baltikum...
Ich werde allein an drei Strick-Wochen teilnehmen, dem Nordic Knitting Symposium auf der Insel Karmøy, das jährliche Craft Camp in Viljandi / Estland und zum Schluß noch die Strickwoche in Latgale / Lettland, Let's Knit in Latgale, die mir letztes Jahr so gut gefallen hat, daß ich noch einmal dabei sein möchte.
Aber nicht nur aufgeführten Veranstaltungen stehen auf dem Plan, wir werden auch das Textilmuseum in Bergen, das Sami-Museum in Inari / Nordfinnland und weitere Museen, die auf unserer Route liegen, besuchen.

Den Anfang machen Pat und ich. Wir treffen uns in Oslo, sie kommt aus Denver, ich von Berlin. Zusammen reisen wir mit Bus und Bahn durch Norwegen, zum Nordic Knitting Symposium, und dann weiter nach Helsinki. Dort kommt Sue aus England dazu und wir fahren in den hohen Norden, nach Rovaniemi und ganz speziell nach Inari. Dort wollen wir das berühmte Sami-Museum Siida besuchen. Zurück in Helsinki werden wir die Fähre nach Tallinn nehmen und unsere Freundinnen vom CraftCamp treffen. Eine Woche in Viljandi, das muss ja eigentlich sein... ich glaube es ist das siebte Mal für mich!

Oslo, Norwegen

Berlin, Deutschland

Rēzekne, Lettland

Riga, Lettland

Ruhnu, 93001 Saare maakond, Estland

Pärnu, Kreis Pärnu, Estland

Viljandi, Kreis Viljandi, Estland

Tallinn, Estland

Helsinki, Finnland

Inarintie 46, 99870 Inari, Finnland

Austre Karmøyveg 23, 4250 Kopervik, Norwegen

Danach dann gönnen wir uns eine große Pause, auf der wunderbaren Insel Ruhnu! Für eine Weile sind wir dort zu fünft (Pat, Sue, Riina, Claudia und ich), am längsten bleiben Pat und ich. Erst in Tallinn, wo der obligate Besuch im Superladen Karnaluks natürlich auch eingeplant ist, trennen wir uns, ich fahre dann nach Riga weiter, besuche für einige Tage Sena Klets, ruhe mich aus und dann gehts nach Latgale!
Natürlich sind da auch wieder viele Freunde dabei, manche zum ersten Mal, manche als Wiederholungs-Strickerinnen.

Das wird eine lange Reise. Ich freue mich darauf und habe auch einige Bedenken, wie ich die vielen (hoffentlich schönen) Eindrücke alle verkraften und verarbeiten kann. Mal sehen, bald gehts los!

Es ist ja nun wirklich kein Geheimnis mehr daß ich Zipfelmützen sammele, und zwar Mützen aus den Ländern rund um Nord- und Ostsee (mit ein paar Ausrutschern, so z.B. nach Hessen oder ins Appenzellerland). Es macht mir Freude, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen überkommenen Kopfbedeckungen zu untersuchen und zu erkennen. Und ich stricke diese Mützen auch gerne.
So habe ich inzwischen eine Mütze aus dem hessischen Hinterland, der deutschen Insel Rügen, Mützen aus dem Appenzellerland, von Fair Isle, Island, Schweden und Estland studiert und gestrickt, teils nach Vorlagen,  teils als Replik nach Museumsstücken. Und ich wurde und werde immer noch fündig in diversen Büchern, seien es alte Bücher über Kleidungstraditionen und Trachten oder neue Strickbücher.

Einige Rätsel habe ich noch nicht lösen können, vielleicht gelingt es mir, vielleicht nicht. So zum Beispiel die Frage, weshalb es in Lettland keinerlei überkommene Zipfelmützen gibt (abgesehen von den Schlafmützen), und auch aus Polen habe ich noch keine gefunden. Aber das wird vielleicht noch...

Im Blog der norwegischen Zeitschrift Bunad hatte ich bereits vor einiger Zeit eine schöne rote Zipfelmütze gesehen: Strikk lua til mannsbunaden fra Sunnmøre (Stricken Sie eine Männer-Mütze  aus Sunnmøre) und nun fand ich eine weitere Anleitung für diese stolze Kopfbedeckung in dem wunderbaren Buch "Fishermen's Knits from the Coast of Norway", ein Buch, das nicht nur Modelle zeigt und Anleitungen enthält, sondern handfeste historische Informationen über die Kleidung der norwegischen Küstenbewohner enthält.
Eine geglückte Kombination!

Also habe ich auch diese Mütze gestrickt. Mit einer Wolle, die dem Maschenbild im Buch doch sehr nahe kommt, ich habe kein Rauma Finull Garn verstrickt, da habe ich keine Vorräte, sondern wieder mal Teksrena aus Litauen.

Eine Besonderheit dieser Mütze ist der mit Schlingen verstärkte Saum, nicht nur daß der Saum doppelt gestrickt ist (also ca. 5cm liegen doppelt), nein, es werden auch noch Schlingen auf der Außenseite angebracht. Dass eine solche Mütze dann sehr warm ist und den Kopf gut schützt, liegt auf der Hand. Da musste ich erst einmal üben... die nachstehende Galerie zeigt meine "Anstrengungen" (nein, wirklich nicht, das macht Spaß!)

Fishermen's Knits from the Cost of Norway - Buchtitel Collage

Fishermen's Knits from the Coast of Norway
A History of a Life at Sea and Over 20 New Designs Inspired by Traditional Scandinavian Patterns
Line Iversen, Margareth Sandvik
Herausgeber ‏ : ‎ Trafalgar Square (13. Dezember 2022) Sprache ‏ : ‎ Englisch
Gebundene Ausgabe ‏ 172 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 1646011651 | SBN-13 ‏ : ‎ 978-1646011650

 

Die Schlaufen werden mit einer Stopfnadel auf der Mütze aufgebracht, ein kleines Rundholz (oder ein Bleistift) sorgen dafür daß alle Schlaufen gleich lang sind.
Eigentlich wollte ich die Mütze erst waschen, bevor ich mich an die Stichelei wage, aber eine Nachfrage bei den Autorinnen hielt mich davon ab. Ich solle erst die Schlaufen anbringen und dann, falls notwendig, die Mütze waschen, sonst wird das Maschenbild zu unterschiedlich.
Deshalb sieht die Mütze auf dem Bild noch recht ungleichmässig aus...
Ich habe erstmal mit einem kleinen Sampler etliche Wollreste verbraucht, bis ich diese Technik "in den Fingern hatte", und dann habe ich ein Paar Stulpen gestrickt, wo ich diese Kante dann einfarbig gearbeitet habe. Die große Mütze wird demnächst fertig!
Diese Art der Schlaufen-Rand-Bildung ist allerdings eine recht grobe Variante dieser Technik, die es in mehreren nordeuropäischen Ländern gibt: da werden richtige Plüschkanten gearbeitet, mit Mustern  - eine Technik, die ich bisher nur bewundert habe, aber hoffentlich bald lernen kann - in einem Workshop beim Nordic Knitting Symposium 2023!

Jetzt folgt aber noch ein Ausflug in die norwegische Literatur! ich kenne mich in der norwegischen Literatur nicht gut aus, nun gut die Klassiker schon (Henrik Ibsen, Sigrid Undset, Knut Hamsun sind mir bekannt, schon seit Schulzeiten), aber Gegewartsautoren? Da musste ich bisher passen, denn der allseits gelobte Herr Karl Ove Knausgård ist mir doch zu testosteron-beschwert und egozentrisch, ich muss das Ego eines Einzelnen nicht tausende von Seiten lang wahrnehmen), Ingvar Ambjørnsen's "Elling" hat mich gut amüsiert, aber sonst?
Da fällt immer wieder der Name Jon Fosse - er wird gelobt und in den Himmel gepriesen.

Die Prosa des Norwegers Jon Fosse ist wahrhaft betörend. Sie gleicht den gregorianischen Gesängen des Stundengebets, sie schwingt sich psalmodierend empor, um dann wieder zu ihrem Grundton zurückzukehren, und dies in ständiger Wiederholung, bis der Leser wie von selber mitschwingt.

Er schreibt ohne Punkt, ohne Satzanfang und Satzende, ein strömender innerer Erzählfluss, der ersteinmal das Lesen erschwerte, mich dann aber in den Sog zog. Ich habe mich auf ihn eingelassen, eine erste Novelle "Das ist Alise" hat mich eingeführt in seinen Erzählstrom...

Mehrfach geschichtete Erzählebenen, immer wieder repetierte "sagte er...", "sagte sie...", daran gewöhnte ich mich, das waren die Anker in der Erzählung... wer spricht gerade, denkt gerade..

Und dann, auf Seite 40, das hier:

Jon Fosse - Das ist Alise (Novelle)
Herausgeber ‏: ‎ Rowohlt Taschenbuch (1. März 2005)
Sprache ‏: ‎ Deutsch
Taschenbuch‏ : ‎116 Seiten
ISBN-10 ‏: ‎3499238748 | ISBN-13 ‏: ‎978-3499238741

John Fosse - Das ist Alise

.. Und es sieht warm und gemütlich aus, denn es ist ziemlich kalt, denkt er, es ist so kalt geworden, dass er weitergehen muss, er kann nicht stillstehen, dafür ist es zu kalt, denkt er und er geht weiter und er friert und es ist so kalt, dass er so schnell geht, wie er nur kann, und er weiß gar nicht mehr, wann es im Herbst zuletzt so kalt gewesen ist, denkt er, das muss irgendwann in seiner Kindheit gewesen sein, denn damals, so erinnert er sich jedenfalls, war es fast immer kalt und der Fjord war voll Eis und viel Schnee lag auf den Hängen, auf den Straßen, Eis und Schnee und Kälte, in den letzten Jahren dagegen ist es im Herbst eher mild gewesen, aber jetzt, dieses Jahr, hat die Kälte wieder zugepackt, denkt er, und er hatte gar keine Mütze mehr zum Aufsetzen, die alten roten Zipfelmützen mit dem Bommel dran, die er als Junge getragen hatte, die waren natürlich nirgends mehr zu finden, egal, wo sie nun hingeraten waren, denn wo kommen Mützen wohl hin?, denkt er, sie verschwinden einfach, die Jahre vergehen und irgendwo kommen die Jahre und die roten Mützen hin, denkt er, aber dann, denkt er, hat er ja eine Mütze gefunden, groß genug und gemütlich ist die, gelb und weiß, sicher eine von den Mützen, die noch von seiner Großmutter dalagen, die mit dem alten Olav, seinem Großvater verheiratet gewesen war, Opa Olav, der gestorben ist, als er selber noch so klein war, dass er sich nicht an ihn erinnern kann, an Opa Olav, aber erinnert sich dran, denkt er, dass die Oma so eine Mütze aufhatte, das hat sich ihm eingeprägt, so wie er sich so manches einprägt, natürlich weiß er noch, wie die Oma so eine Mütze aufhatte und er erinnert sich auch an den blauen Mantel, den sie anhatte, und in der Hand hatte sie einen Stock, denkt er, denn es ist glatt auf der Landstraße, über die Oma herankommt, darum hat sie einen Stock in der Hand, um sich zu stützen und auf den Beinen zu halten und nicht hinzufallen und sich die Gräten zu brechen, wie sie sagte, denkt er, und in der anderen Hand hat sie ihre Einkaufstasche, eine rote Tasche, und auf dem Kopf sitzt die gelbweiße Wollmütze, die er jetzt selber immer aufhat, an diesen kalten Tagen.

Ich denke, ich habe einen neuen Autor gefunden, den ich mir jetzt vornehme, ich möchte noch mehr von ihm lesen und dabei sein Schreiben erfahren... besser kennenlernen ... es lohnt sich sicherlich.

Das ist schon eine eigenartige Zeit. Die Zeit verrinnt, die Aussicht übers Land ist wie immer: grau, dunstig, neblig, regnerisch oder frisch, wenig Verkehr auf der Chaussee, wenig Leben um uns herum.
Stille. Aber eine eigenartige Stille.

Ich habe mein Tempo heruntergeschraubt, herunterschrauben müssen. Eine Routine-Untersuchung bei der Hausärztin ergab einen fatalen Eisenmangel und schlechte Blutwerte. Und dann brummt der Diagnose-Kreisel los, Lungenfunktionsprüfung, Blutdruck, 24 Stunden-Messung mit einem amoklaufenden Messgerät das mir den Arm abwürgt, gynäkologische Untersuchung und morgen Darmspiegelung.
Das ist nicht dramatisch, aber ermüdend. Ich kann mich mir nur schwer als blutarme Person vorstellen!
Also schone ich mich, stricke die letzten Weihnachtsgeschenke - diese allerdings in reduzierter Größe (anstelle der geplanten Pottmützen winzigkleine bunte Eierwärmer! und ähnliches Kleinzeug), lasse mich von den faulen trägen Katzen anstecken und lese, höre Musik, sehe schlechte Filme und studiere die Möglichkeiten meiner neuen Uhr, eine Uhr die fast alles messen kann was ich gerade wissen und beobachten muss, (Sauerstoffgehalt im Blut, Herzschlag / Minute, Blutdruck, Schlafverlauf, EkG) und tatsächlich, die Werte normalisieren sich.

LATVIEŠU TAUTAS TĒRPI - Band II Kurzeme

Die nächste Zeit bleibt ruhig, kein Weihnachtstrubel, kein Besuch, keine Weihnachtsgans, wir lassen es ruhig angehen und ich werde wieder produktiver werden, die hessische Mütze weiter untersuchen, Pläne machen und meine gesammelten neuen aber antiquarischen Bücher studieren.

Ich habe soviel Glück gehabt, es ist mir gelungen, den eigentlich verschollenen Band "Kurzeme" aus der Dreierserie "LATVIEŠU TAUTAS TĒRPI", einem Standardwerk, aufzutreiben. Mitsamt der Schnittmuster. Wenn ich in Lettland nach diesem Buch fragte, in einem Buchladen oder beim Gada Tirgus, erntete ich immer nur ein Kofpschüttlen und den knappen Hinweis: "Antiquariat!"

Ich hatte lettische Tauschbörsen und Kleinanzeigen-Seiten durchforstet, ohne Erfolg. Aber beim ZVAB, dem zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher, bin ich fündig geworden!

Ein weiterer Glücksgriff war der Fund der zwei Bände "Norske Folkedrakter" der renommierten Volkskundlerin Aagot Noss. Die Ausgabe stammt aus dem Jahre 1970.  Arne & Carlos hatten  in einem ihrer Podcasts einen Band davon gezeigt und KnittingCeleste wies mich bei Ravelry daraufhin. Denn es war auch eine Zipfelmütze zu sehen.
Natürlich war dann mein Interesse geweckt und ich wollte dieses Werk unbedingt finden. War schwer.
Aber dann? Das norwegische Werk war in keinem norwegischen Online-Antiquariat aufzutreiben, ein holländisches Antiquariat jedoch hatte es im Bestand! Und nach 2 kurzer Zeit brachte mir unsere nette Postmeisterin das Paket.
Ich bewundere das Können und die Akkuratesse der beiden Trachtenmaler Joachim Frich und Johannes Flinto, die im 19. Jahrhundert die bunten Aquarelle schufen, jedes Detail herausgearbeitet, eine Augenfreude. Zu Ihrer Zeit gehörte die zeichnerische Ausbildung zum Studium der Wissenschaftler, in Deutschland habe ich das ja bei Albert Kretschmer und Ferdinand Justi auch schon bewundert.
Solche Bilder dokumentieren die Details der Trachten oftmals intensiver als es die Fotografie oft schafft.

Norske Folkedrakter von Aagot Noss

The Mitten Book: Traditional Patterns from Gotland PaperbackMir wird sicher nicht langweilig.
Ich habe auch noch nicht alle gotländischen Handschuhmuster aus "The Mitten Book: Traditional Patterns from Gotland" von 1992 für mich mit StitchMastery fertiggezeichnet!
Ich lerne soviel beim Studieren dieser Muster, erkenne Ähnlichkeiten, sehe welche Muster im ganzen Ostseeraum verbreitet sind und mußmaße wo sie wohl zuerst gearbeitet wurden.

Dieses kleine Büchlein ist ein reicher Schatz, es enthält 41 alte schwedische Musterzeichnungen, die um die Jahrhundertwende 1900 herum gesammelt wurden.

Gützkow AltarraumUnd noch ein ganz besonderes Vorhaben beschäftigt mich schon eine Weile, ein kleines Projekt, das ich auch einmal dazwischenschieben möchte:

In der Plebanatskirche in Gützkow, einem kleinen pommerschen Landstädtchen 5km von Gribow, ist der hintere Altarraum sehr schön ausgemalt. Mit einem sparsamen und flächendeckendenMuster. Mit leichten harmonischen Farben schafft dieses Netz aus Kreuzen eine Unendlichkeit - wohltuend.

Maras KreuzEs bietet sich geradezu an für Handschuhe oder Strümpfe!

Auch dies ist wieder ein wanderndes Motiv, das man an vielen Orten findet. Denn es paßt gut auf große und kleine Flächen, es entsteht ein Netz mit geradezu entspannender Regelmäßigkeit und weiter im Osten des Ostseeraums, in Lettland, hat dieses Muster sogar einen Namen:

Es ist "Maras Kreuz", Es steht für Regelmässigkeit, Produktivität, es beschützt, segnet und bringt Glück.

 

Und da dachte ich, ich hätte nichts zu schreiben! Eine ganze Menge Themen schwirren in meinem Kopf herum, nicht nur die Pottmütze, ich brüte Ideen aus und lasse es langsam angehen.

Ich wünsche Ihnen allen eine gute Adventsszeit! Bleiben Sie gesund und passen Sie auf sich und alle anderen Menschen um Ihnen herum auf!