Ich hatte wieder einmal Geburtstag und dieses Mal war ich auch zuhause und nicht auf Reisen. Umsomehr bemerkte ich wie schwer es Heinz fiel, ein passendes Geburtstagsgeschenk für mich zu finden. Ich konnte ihm auch nichts einflüstern, denn mir fiel auch kein Wunsch ein.
Also hat Heinz in Hamburg bei der renommieren Kunstbuchhandlung Sauter & Lackmann das Stichwort "Tracht" gegeben und nach langer Suche fand die Verkäuferin dann ein geeignetes Buch. Das Hessische Trachtenbuch von Ferdinand Justi. Ein Volltreffer!
1899 erschien dann sein Werk, das "Hessische Trachtenbuch", dessen Reprint man heute mit Glück und ein paar Groschen noch erwerben kann.
In Hessen, in Südhessen, habe ich lange gelebt und als typisches Kind der 68er-Zeit auch nicht viel von Trachten gehalten. Das war reaktionär, pfui-bäh!
Und jetzt lerne ich daß Hessen das trachtenreichste Bundesland Deutschlands ist und daß sich in Mittelhessen ganz besonders viele Trachten erhalten haben. Der Marburger Gelehrte Ferdinand Justi hat die Trachten des Marburger Landes erforscht und gemalt.
Ferdinand Justi: Hessisches Trachtenbuch
Hrsg. Günther Hampel, Dr. Wolfram Hitzeroth Verlag, Marburg 1989
(Nachdruck d. Ausg. Elwert Verlag, Marburg 1899–1905)
Ein langer, ausführlicher Textteil und dann 32 stattliche Bildtafeln, es ist eine Freude. Bevor ich einige Abbildungen aus dem Buch hier einbinde, noch etwas zum Autor:
Ferdinand Justi war ein deutscher Orientalist, der auch als Darsteller und Erforscher ländlich-bäuerlicher Kultur in Hessen im ausgehenden 19. Jahrhundert bekannt wurde. Er lehrte in Marburg und hat unendlich viele Bücher geschrieben, Grammatiken vieler Sprachen des Nahen Osten erarbeitet und publiziert. Die Wikipedia schreibt: 1861 habilitierte er sich in Marburg, wo er 1865 außerordentlicher und 1869 ordentlicher Professor für vergleichende Grammatik und germanistische Philologie wurde.
Da kommt doch mal wieder Vieles in meinem Leben zusammen. Ich habe Germanistik und auch einige Semester Orientalistik studiert, einer meiner Vorfahren, Herrmann Osthoff, war Philologe und gehörte zu den Junggrammatikern (habe ich schon im Bericht über Pöltsamaa in Estland erwähnt), und jetzt beschäftige ich mich mit textilen Traditionen. Alles, was dieser Herr, vielleicht sogar ein Lehrer meines Groß-Groß-Onkels, schon vor langer Zeit in einer Person vereinte....
Aus der Wikipedia:
Neben seiner Hochschultätigkeit studierte er [Ferdinand Justi] akribisch das Leben der hessischen Landbevölkerung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, insbesondere im näheren und weiteren Umkreis von Marburg, schrieb seine Beobachtungen auf und hielt sie in unzähligen Skizzen und Aquarellen fest. Zu seinen Hauptmotiven zählten Gebäude, Einrichtungsgegenstände, landwirtschaftliche Geräte und vor allem Hinterländer Trachten mit ihrer Farbigkeit, ihren Feinheiten und dem Zubehör.
Was für schöne Zipfelmützen entdecke ich da! Aber diesmal keine Pottmützen, sondern hessische Schlabbekappen... Jetzt versuche ich herauszufinden ob es noch Strickanleitungen gibt... Wolle habe ich ja genug
Diese Trachten stammen aus dem sog. Hinterland und das Hinterlandmuseum in Biedenkopf besitzt eine stattliche Trachtensammlung (aber keine Webseite, leider).
Die Wikipedia erläutert dazu:
Im Dachgeschoss ist ein Teil der umfangreichen Sammlung Hinterländer Trachten des Museums ausgestellt. Zusammen mit Haushaltsgegenständen und Möbelstücken wird hier die historische Wohn- und Alltagskultur anschaulich dargestellt.
Da muss ich dann wohl auch mal hinfahren. Denn solch eine Mütze lasse ich mir nicht entgehen.