Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Ich freue mich schon eine lange Zeit auf den Usedomer Lämmermarkt, der jedes Jahr im Mai in der Stadt Usedom auf der Insel Usedom stattfindet. Aber bisher kam oft etwas dazwischen und so ist ein Besuch dort eigentlich immer wieder eine Premiere für mich.
Dieses Mal nun hatte ich einen gewichtigen Grund für den Besuch:

Unser Arbeitskreis "Traditionelle Textilien" des Heimatverbandes MV  hatte sich für einen Stand angemeldet und da will ich ja wirklich nicht kneifen! Also Zeltpavillion, Tisch, Stuhl, Mützen, Roll-Up einpacken und dann vor Beginn aufbauen - das machte alles Freude.

Walliser Schwarznasenschafe auf dem Lämmermarkt in Usedom auf Usedom

Walliser Schwarznasenschafe auf dem Lämmermarkt in Usedom auf Usedom

Das Programm war gut gemischt, viele Besucher kamen an unserem Stand vorbei, Ulrike Sulk zeigte die wunderschönen Vorpommerschen Fischerteppiche, Michaela Seliga und Ines Jung bereiteten sich auf das Wettspinnen vor, alles prima.

Viel Freude machten mir die Schafe! Ja, es gab einige schöne Schafe zu sehen, Vorpommersches Rauwollschaft, Merinos und dann zu meiner Freude auch einige salisische Schwarznasenschafe!

Die sind wunderschön, mit ihren freundlichen Gesichtern und den schwarzen Nasen und Knien!

Und da sie noch nicht geschoren waren, konnte ich auch ihr fluffiges Fell bewundern!

Usedom auf Usedom

Usedom auf Usedom, so hat es Caspar David Friedrich wohl auch schon gesehen
Klicken Sie für eine größere Darstellung auf ein Bild

Und eine Premiere gab es auch an unserem Stand:

Ulrike Sulk, die Teppichknüpferin, hatte ihre Idee umgesetzt und führte die von ihr entworfene "Teppichknüpferin-Tracht" vor - bequem und auch mit maritimem Anklang, die Klöppelspitze zeigt ein Wellenmotiv!

Mir gefällt diese Kleidung sehr: das lose Mieder über einer hübschen Bluse, kleine Stickereien, Klöppelspitze und die schöne Schürze, das kommt alles gut zusammen.

Ulrike Sulk in der von ihr entworfenen kleidsamenTeppichknüpferin-Tracht

Ein Wettspinnen ist immer eine Attraktion, man kann die Spinnerinnen bewundern wie sie mit anscheinender Seelenruhe den Faden spinnen, man kann die verschiedenen Räder bewundern, wie sie vor sich hinschnurren und man kann über die Ergebnisse staunen:

285.6 Meter spann die Siegerin Angela Schießer aus 100g Wolle! Gratulation!

Weniger Freude machte uns dann die angekündigte Modenschau: wir hatten extra eigene Textilien herausgesucht und mitgebracht und bei den Veranstaltern abgegeben und dann? Wir haben nichts davon bemerkt, fand die Schau denn tatsächlich statt? Das wohl, aber vielleicht ohne große Ankündigung - wir erfuhren jedenfalls hinterher, daß die einzelnen Stücke nicht vorgestellt wurden sondern die Models sich einfach irgendwas griffen und damit ihre Tour drehten - unter Modenschau haben wir uns etwas anderes vorgestellt. Na ja.

Was also gab es also alles zu sehen, zu erleben? Also erstmal fiel mir auf, daß sehr wenig Wolle bei den Marktständen zum Verkauf stand, aber es gab gestrickte, gehäkelte  und geknüpfte Textilien (Fischerteppiche!), es gab schönes Kunsthandwerk, leckere Fischbrötchen, geräucherten vorpommerschen Schinken und andere Leckereien … und ich traf auch viele Bekannte und Freunde! Annelene Lühmann-Jesewski (Spinndönz) war an ihre alte Wirkungsstätte für den Lämmermarkt zurückgekehrt, der Greifswalder Spinnkreis war vertreten, to name a few…

aber warum gemischte Gefühle?

ja, warum habe ich diesen Beitrag so betitelt? Nun, es gab auch einige Wermutstropfen auf dieser schönen Veranstaltung, genauer gesagt: zwei sehr sehr große Wermutstropfen!

Wie schreibt die Ostseezeitung?

…Besucher waren gekommen, um Lämmer zu streicheln, dem Schafscherer bei der Arbeit zuzuschauen, Spaß zu haben und zu raten, wer wohl den längsten Faden aus Schafwolle spinnt oder wer am schnellsten die Wolle verstrickt.

tja, ich glaube die Schafe hatten keinen Spaß! Zum Einen den ganzen Tag auf nur mit einer dünnen Strohschicht bedecktem Boden zu stehen, in ungewohnter Umgebung und ohne Ruhe geschoren zu werden, mit vielen Menschen drumherum, vielleicht sogar von diesen gefüttert zu werden, dann mit zunehmendem Sonnenschein keinen Schatten zu haben und dem unerträglichen Lärm der "akustischen Bespaßung" ausgesetzt zu sein - das war für die Tiere ein Schrecken.

gestreßte Schafe auf dem Lämmermarkt

Und so drängten sich die Tiere zusammen, zitterten und blökten - schrieen ihre Qual heraus.
Hat aber niemanden gestört - der Spaß war lauter

Wie sagte Charles Darwin?

Die Tiere empfinden wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück

Ja, der Lärm!
Am Mittag, seit den Vorführungen der jungen Turnerinnen, war mal wieder Beschallung angesagt... Stampf-Musik mit großer Lautstärke. Das tut den Menschen nicht gut und den Tieren auch nicht.
Ich habe dann den launigen Conferencier gebeten, die Lautstärke zu drosseln und dieser Bitte wurde dann auch gefolgt - aber wie das immer so ist, nur für kurze Zeit, dann dreht man wieder auf.

Ich frage mich, wie unsensibel die Veranstalter sind, merkt niemand, daß solcher Schalldruck die Besucher vertreibt?

Am Nachmittag waren deutlich weniger Besucher auf dem Marktplatz als am Vormittag, viele äußerten den Unmut über den Krach und den Umsätzen an den Verkaufsständen hat das auch nicht gut getan.
Auch die Musikauswahl traf sicherlich nicht den Geschmack der Zielgruppe - und verhinderte viele Gespräche. Viele Gespräche mit interessierten Besuchern wurden abgebrochen, man kann ja nicht immer brüllen!

Und den Tieren, die ja eigentlich die Hauptattraktion des Tages sind und nicht nur Namensgeber, denen hat das überhaupt nicht gut getan.

Ohren zu!
Fazit: Ich für meinen Teil überlege, ob ich nächstes Jahr wieder teilnehme - nette Menschen und schöne sanfte Tiere kann ich zum Glück auch woanders treffen!