Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843
Geflechtsbereit

Geflechtsbereit

da entsteht in Dresden ein interessantes Projekt: Geflechtsbereit. des Louisen Kombi Naht. Seit dem Herbst stricken Unermüdliche an einer Hülle für einen Panzer. Dieser solcherart entmilitarisiere Panzer soll am 13. Februar, dem Gedenktag an die Bombardierung Dresdens, enthüllt werden. Der Werdegang der Hülle war begleitet von Stricktreffen und öffentlichen Diskussions-Veranstaltungen:  Erinnerungskultur, Kunst im Öffentlichen Raum, Verdrängung .. wurde thematisiert, Kriegserlebnisse und Erfahrungen im Umgang mit der Weitergabe traumatischer Erlebnisse. Das Programm der Aktion können Sie hier auf der Webseite www.geflechtsbereit.de nachlesen.

Schärfe gewann dieses Vorhaben durch die Kritik an der Auswahl des Panzers (ein sowjetischer T-34) durch libertäre Freigeister "Bündnis gegen Verstrickungen"  (ich halte die eher für überkorrekte politische Besserwisser), die meinten die historischen Dimensionen würden nicht ausreichend gewürdigt und überhaupt sei alles falsch. Danach wurde vom T-34 abgesehen und das Militärhistorische Museum in Leipzig  stellt einen Leopard zur Verfügung.

eflechtsbericht

eflechtsbericht

Haben die Kritiker recht? Verhöhnt das Bestricken eines T-34 die Opfer der Naziherrschaft? Verunglimpft ein bestrickter T-34 die Befreier?  Ist ein Leopard besser geeignet (vielleicht als Diskussionsanstoß über den Export von Kriegsgerät? Immerhin ist die BRD der zweit- oder drittgrößte Waffenexporteur der Welt!).?

Ich finde die Aktion wichtig, sie hat viel bewegt und schon jetzt viele Resultate gezeigt. Die Diskussionsveranstaltungen haben viele Menschen angeregt, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, miteinander zu reden. Die Strickerei mischt die übliche Gedenkkultur mit neuen Ideen auf. Ein Schritt heraus aus der Harmlosigkeit des guerilla-knitting. Denn nun geht es um politische und historische Inhalte und nicht nur mehr um Spaß-Guerilla (zu der ich auch einmal gehört habe, Lalü! vor dreißig Jahren in Wiesbaden). Auch wenn leider in Deutschland politischer Diskurs immer mehr zu Rechthaberei und Streit um den allein-richtigen Weg, zu Besserwisserei und selbst-deklarierte political correctness mutiert.

Albert Anker [Public domain], via Wikimedia Commons

Kurz und gut: Ich finde das Projekt gut und wichtig. Es weckt auf, polarisiert und regt an und auf. Auf jeden Fall ist es anregender als Rosemarie Trockels Strick-Mützen. Und daß Ankers kleines strickendes Mädchen bei Ihnen auch zuhause ist, ist auch gut!

Und auf der documenta wäre es auch nicht fehl am Platz!

Weiterlesen hier:

Und es gibt auch ein Forum auf der geflechtsbereiten Seite, dieser Diskussionsvorschlag zeigt, daß die Damen zum Einen die politischen Dimensionen des Strickens erkannt haben, aber auch über jede Menge Humor verfügen (der ihnen hoffentlich inzwischen nicht vergangen ist):

Über die Schwierigkeit vor sich und dem restlichen Handarbeitskreis moralisch integer zu bleiben, wenn Du vorne glatt links strickst und hinten dann doch immer nur rechte Maschen dabei rauskommen