Ja, da habe ich vor meiner Reise nach Estland doch noch über den Herrn Huber berichtet, der auf dem Roten Sofa beim NDR saß und eine polnische Mütze hervorzauberte... was ja zu meiner Suche nach polnischer Strickerei passt...
Aber geglaubt habe ich ihm schon damals nicht. Er erzählt im Video, welches im obig verlinkten Beitrag auch eingebunden ist, daß diese Mütze aus einem untergegangenem polnischen Schiff stamme und erweckt den Eindruck er sei an der Bergund und Erforschung derselbenbeteiligt gewesen.
Und dann lese ich in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "The Knitter (107)" den Artikel von Penelope Hemingway, einer renommierten Textilhistorikerin, über die Arbeit mit historischen Strickstücken:
Bringing the Past to Life - Penelope Hemingway explains how she uses 'reverse engineering" to recreate historical knits found in photographs or museums.
The Knitter 1007, February 2017, p. 30ff
Und was sehe ich da?
Also kann ich nunmehr zusammenfassen:
- Die Mütze stammt aus dem 18. Jahrhundert, vom Wrack des englischen Schiffes General Carlton, welches am 27.09. 1785 vor Danzig / Gdansk sank. Die Mütze befindet sich in der Collection of the Polish Maritime Museum, Gda´nsk, Poland. (CMM-HZ-2719).
- Penelope Hemingway schreibt über reverse engineering als Forschungsmethode und erwähnt dabei diese Mütze
- Auf ihrer Webseite www.theknittinggenie.com berichtet sie über diese Mütze (The General Carlton Hat), das Wrack und die Kopfbedeckungen der damaligen Zeit.
- Das National Maritime Museum in Gdansk veröffentlichte einen Beitrag über das Wrack auf seiner Webseite.
- Die Strickanleitung für diese Mütze ist in dem Buch 10 Best Pattern from Piecework's Historical Collection enthalten und kann dort auch als Einzelanleitung heruntergeladen werden.
- Tja, und dann wieder mal ein Beleg für mein löcheriges Gedächtnis: Ein ausführlicher Bericht über diese Mütze samt Strickanleitung erschien bereits 2014 im Januar /Februar-Heft der Zeitschrift Piecework, und die habe ich ja abonniert! Hier der Link zum Download des Chart auf der Interweave-Seite: http://www.interweave.com/wp-content/uploads/CarltonCap.pdf
Warum erweckt der Herr Huber den Eindruck, er habe bei der Bergung dieses Schiffes mitgearbeitet, warum gibt er eine falsche Provenienz an und schmückt sich mit falschen Fäden (ehem... Federn)?
Ich nenne sowas Falschmützerei!
Das nenne ich sogar Plagiat! Er sollte das eigentlich wissen, immerhin trägt er einen Doktortitel. Er scheint mir jung genug, um gründlich aufgeklärt worden zu sein. Es verging wirklich keine Vorlesung, in der nicht oft genug verdeutlicht wurde, das das geahndet werden würde. Genug Software-Programme existieren bereits dafür.
@Claudia: Es geht gar nicht so sehr um Traditionen, das sind, nebenbei erwähnt, soziale Konstrukte und keine Naturgesetzmässigkeiten, sondern darum, dass sich dieser Herr eindeutig mit „fremden Federn“ schmückt, und offensichtlich sich auch die Mühe NICHT gemacht hat, der ganzen Sache gründlich auf den Grund zu gehen. Peinlich und schädlich.
Gerade das vermischen und weitergeben von Mustern und Techniken des Strickens, haben dazu beigetragen, das auch wir das noch immer können. Wie sich Muster verbreiten und über welche Distanzen hinweg, ist nicht nur in meinen Augen, von archäologischem wie auch anthropologischen Interesse und wird auch erforscht.
Völlig richtig – genau das meine ich: Strick-Traditionen!
Hallo Connie,
Haha, Du hast ihn erwischt.
Mir scheint Du gehst mit Quellen-Angaben ehrlich um und betreibst Deinen Blog – beziehungsweise unser geliebtes Stricken – mit wissenschaftlicher Genauigkeit. So sollte es auch sein.
Wie wäre es beispielsweise sonst möglich Traditionen aufrechtzuerhalten? Wenn jeder Hinz oder Kunz oder Huber alles durcheinander brächte?
Herzliche Grüße
Claudia