Digitale Archive sind eine großartige Sache. Die Daten der "digitalisierten" Artefakte werden in einer Datenbank gespeichert, Attribute wie Herkunft, Epoche, Technik etc. werden vergeben, und Schlagworte kommen evtl. auch noch dazu. Die so gespeicherten digitalen Bestände können durchsucht werden und die Treffer der Suche für wissenschaftliche Arbeiten, aber auch zur Präsentation des Besitzes eines Museums genutzt werden.
Ein Museum kann nie seinen ganzen Bestand zeigen, nicht jeder Gegenstand muß in den Ausstellungs-Sälen präsentiert werden, aber jeder Gegenstand sollte der Neugierde und der Forschung zugänglich sein. Und da hakt es. Deshalb schreibe ich hier.
Diese Druckgrafik befindet sich im Besitz der New York Public Library, ist aber auch in die Digital Public Library of America aufgenommen worden.
Die New York Public Library beschreibt ihren Online-Katalog so:
Nicht nur Museen in den USA veröffentlichen ihre Bestände digital, auch das Victoria - and Albert-Museum in London arbeitet so. In Deutschland ist das anders. Bei uns werden die Museen knapp gehalten. Die kosten ja nur und bringen nichts. Beispiele?
Ich nenne zwei Beispiele aus dem Norden Deutschlands, die mir am Herzen liegen:
Der Ausstellungsbetrieb der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck wurde 2002 auf Beschluß der Lübecker Bürgerschaft eingestellt, und seit dem Jahr 2010 wird die Sammlung durch das Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL), eine Gemeinschaftseinrichtung der Hansestadt Lübeck und der Universität zu Lübeck, mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft digitalisiert.
Was Lübecker Kaufleute über Jahrhunderte, seit dem 17. Jahrhundert, zusammengetragen haben, ist nun nicht mehr zugänglich. Und die wissenschaftliche Aufarbeitung des Bestandes ist durch die knappen Mittel auch nicht wirklich möglich.
Durch die engen Handelsbeziehungen der Lübecker Kaufleute zu den Hansestädten im Baltischen Raum sind selbstverständlich auch gestrickte Handschuhe, beliebte Gastgeschenke in Lettland, in den Bestand gekommen. Aber ihre Herkunft, ihr Alter, ihre Besonderheiten, das kann nicht aufgearbeitet werden, sie werden als "Handschuhe" fotografiert und katalogisiert, das wars dann.
Das Hamburger Völkerkundemuseum steht nicht viel besser da. Dringend benötigte Museumserweiterungen wurden nicht realisiert, da der dafür vorgesehene Platz für ein chinesisches Teehaus umgenutzt wurde. Viele Objekte sind eingelagert und nicht zugänglich. Auf der Webseite des Museum findet sich dieser Hinweis:
Was Sie in unseren Ausstellungen sehen können, ist nur ein Bruchteil dessen, was sich in unserem Museum an Schätzen befindet, welche als Sammlungen zusammengefasst werden.
Wir bitten um Verständnis
Die Inventur und Archivierung der Sammlungsobjekte nehmen unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter hochgradig in Anspruch. Deshalb können unsere Wissenschaftler zur Zeit leider keine inhaltlichen Fragen beantworten oder Begutachtungen durchführen.
Ich habe auf meine Anfrage, ob das Museum gestrickte Objekte besäße, die Antwort erhalten, zweifelsohne, aber die Objekte seien eingemottet, eingelagert, sie seien nicht archiviert und deshalb nicht zugänglich.
Die reiche Stadt Hamburg drängt die Museen, nach privatwirtschaftlichen Maximen "zu wirtschaften" und fördert nicht die Sicherung und Aufarbeitung der Bestände. Man gewinnt den Eindruck, die Stadt Hamburg wisse gar nicht, welche Schätze sie besitzt, was für ein wunderbares Museum das Haus an der Rothenbaumchaussee ist.
Die reiche Stadt Hamburg bewahrt ihre Schätze nur noch auf, statt sie zu bewahren.
Das finde ich für einfach erbärmlich.
Ich weiß, daß die Sammlungen in Lübeck und Hamburg gestrickte Handschuhe aus dem Baltikum besitzen, das ist nun mal mein Interessensgebiet, ich kann diese Objekte aber nicht sehen. Nur hoffen, daß sie wenigstens, vor Motten geschützt, gut aufbewahrt werden und irgendwann einmal vielleicht digitalisiert und katalogisiert werden und vielleicht dann auch irgendwann online präsentiert werden können. Bis dahin vertane Zeit.
Ein Lesehinweis: Ein Gespräch mit Wulf Köpke, dem Direktor des Hamburger Völkerkundemuseums bei faustkultur.
Ach das wundert mich nicht und ich hab da schon ganz anderes gehört, also wenn es sich bei den Exponaten um „echte Kunst“ handelt. Ich fand zufällig mal einen Link zu einer Museums-software d.h. eine Art CMS mittels dessen Museen ihre Bestände inventarisieren können… Dort bewarb die Firma ihr Produkt sinngemäß mit dem Hinweis, daß deutsche Museen ihre Bestände digital anderen Museen zugänglich machen sollten (irgendeine verpflichtende Richtlinie), und man könne nach Wunsch auch Erweiterungen des CMS nutzen um die einmal gemachte Arbeit z.B. auf der Website des Museums in Auszügen auch öffentlich zugänglich zu machen…….. Ich habe dann mal dort angerufen und nachgefragt warum ich öffentlich nirgends Einblick in den Bestand erhalten kann, bzw. welches Museum meier Heimatstadt evlt. Kunde sei. Hätte ja sein können, daß ich nur nicht richtig informiert bin und schon Museen ihre Bestände komplett digital einsehbar machen. Der Mitarbeiter der Software-Firma nannte dann als Grund warum Museen diese Erweiterung nicht nutzen, daß man die Rechte an den Fotos der Exponate evtl. nicht für solche Arten der Veröffentlichung besitze, …. Fazit für mich: Theoretisch ist das alles schon vorhanden es hängt am rechtlichen in Deutschland. Und weil bei uns die meisten Museen in öffentlichem Besitz sind finde ich es doppelt ärgerlich, daß das „gemeine Volk“ nicht in Ruhe online sich die Exponate betrachten kann.
VG
Claudia
Nun, Claudia, du hast mich etwas falsch verstanden. Mir ging es um die fehlenden Mittel für die Aufarbeitung der „nur weggepackten“ Archivbestände sowie deren Präsentation.
Und das Argument, daß man die Rechte eventuell nicht besäße, ist ja wirklich ganz schwach. Was im Besitz eines Museums ist, dem Museum gehört, daran besitzt das Museum auch die Rechte zur Veröffentlichung. Da wird eine allgemein herrschende Verunsicherung bezügl. Copyright etc. als Argument an den Haaren herbeigezogen.
Nein, Hauptproblem ist die Unterfinanzierung der Museen und die mangelnde Wertschätzung der Museen; es ist schon traurig wie Museumsdirektoren die Existenz und die Kosten ihrer Museen rechtfertigen und darum kämpfen müssen. In Hamburg wurde den Museen auferlegt, Schulkinder kostenfrei einzulassen (ist ja ne gute Sache), dann wurde aber der zurückgegangene Kartenverkauf bemängelt… nur ein Beispiel für den täglichen Wahnsinn…