Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Nach den Ostertagen in der Nähe von Ettlingen reiste ich weiter ins Frankenland, in den Gottesgarten, zum Kloster Banz. Ich war zur Teilnahme an dem Seminar "Was uns anzieht: Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa zwischen Ästhetik, Politik und Mode" eingeladen. Am zweiten Tag stand der Vortrag „Pommersche Trachten in der  Trachtenpflege und -forschung heute: die Rekonstruktion der Vorpommerscher Pottmütze“ auf dem Programm. Den Vortrag hielt ich zusammen mit Dorota Makrutzki, der Kulturreferentin für Pommern und Ostbrandenburg beim Pommerschen Landesmuseum in Greifswald.

War unser Thema, die pommersche Pottmütze, eher auf die Auffindung und Wiederbelebung des Kleidungsstückes und dessen Verwendung im heutigen Alltag gerichtet. so überraschten mich die teilnehmenden Trachtenträger mit einer Fülle von Stoffen, Farben, Techniken... Der Einfallsreichtum der Menschen scheint grenzenlos, wenn es um Schönheit, um Festtagstracht geht. Kleidungsstücke, die mit viel Mühe hergestellt und gepflegt werden müssen - seien es die siebenfach übereinander getragenen plissierten Unterröcke oder ein herrlich bestickter Mantel, Tücher, Strümpfe. Die Trachtenträgerinnen und -träger und Expertinnen und Experten stellten Bekleidungen aus den deutschen Siedlungsgebieten im östlichen Europa vor, die entweder aus der Heimat mitgebracht oder nachgearbeitet waren. Die pommerschen Trachten (Mönchgut, Pyritz, Kaschubei) des Ihna-Ensembles waren, wie bei Tanztrachten üblich, relativ identisch für die Mitwirkenden und an das Tanzen angepaßt.

Einige der Höhepunkte des Programms:
Dr. Elsbeth Wallnöfer hielt einen kontroversen Vortrag "Die Identitätspolitische Relevanz von Kleidung für Minderheiten“, Dr. Irmgard Sedler referierte äußerst fachkundig über die Kostümgeschichte der Siebenbürger Sachsen und .Josef Balazs M.A. überraschte mit senem Vortrag über „Die Gottscheer Kleidung in Bild- und Textzeugnissen des 17. bis 21. Jahrhunderts“. (Die Gottschee war eine deutsche Sprachinsel im heutigen Slowenien, die dort rund 600 Jahre lebten.)

Trachtenseminar, ausgelegte Flyer
Im Seminarraum

78 Teilnehmer waren gekommen, Referenten, Trachtenträger, Gewand- und Trachtenbeauftragte, ein Tanz-Ensemble, Interessierte und Neugierige; und ich kann behaupten, daß dieses Seminar alle Anwesenden beeindruckte und inspirierte.

Soviel Neues, Eigenartiges, Bedenkenswertes und Staunenswertes - das kann ich nicht mit knappen Worten zusammenfassen.

Aber eine Dichterin kann das.

Und Sigrid Katharina Eismann hat die drei Tage folgendermaßen zusammengefaßt:

Katharina Sigrid Eismann

Be-Tracht_en, danke für die Einladung auf diese intensive, kreative & herzliche Veranstaltung auf Kloster Banz, mit Literaturen im Gepäck

zur Webseite von Katharina Sigrid Eismann

Modle – Mädchen, donauschwäbisch

Bagasch – Gepäck, donauschwäbisch

Sammet – Samt, donauschwäbisch

Was uns anzieht
BilanzBanz
Für die Modle
Berge auf die Hüfte
Ostwestsüdundnordbahnhof
Himmel aus Sammet
Jahreszeiten, Altersstufen
s’Kitelle & s‘Kranzele
tummeln sich im Bagasch
zum Trachten-Summit
die Gotschaerin
geräuschlos aus dem Kaiserwald
verbannt,
ihr brüchiges Hemd an der Wand
unter der Tracht sind wir nackt
auf dem Sperrholztisch witzelt
Wischauer Kragenspitz
drei Modle aus der Indigokulisse
dirigieren Spitze
nichts in trockenen Tüchern
auf die Leinwand gepinselt
die Kolonisten in Kniebundhosen
die Weibsleit im Wollrock

der Schwabenzug war nicht
urgemütlich
ein bunter Haufen Vielfalt
Über und Unterröcke
wandelnde Glocken
ein Wolkenbruch Plissees
Modle, nicht hinhocken
findige Schwaben aus der Heed
stopften das Maul der Securitate
mit Borscht & Worscht
gebockelte Fellkathedralen
perchten nach Maschendorf
Lost in Digitalisation
Kamelkilometer nach Pyritz
die Pottmütze im Meer getauft
die Waden in dynamische Strümpfe
gesteckt, Krämpfe
Ein Wolkenbruch Plissees
bitte nicht hinsetzen
wild bemustert in die Paprikalounge
zu fränkischen Fugen
das Strumpfbein stampfte durch die Spitze
Wuff