Das ist schon eine eigenartige Zeit. Die Zeit verrinnt, die Aussicht übers Land ist wie immer: grau, dunstig, neblig, regnerisch oder frisch, wenig Verkehr auf der Chaussee, wenig Leben um uns herum.
Stille. Aber eine eigenartige Stille.
Ich habe mein Tempo heruntergeschraubt, herunterschrauben müssen. Eine Routine-Untersuchung bei der Hausärztin ergab einen fatalen Eisenmangel und schlechte Blutwerte. Und dann brummt der Diagnose-Kreisel los, Lungenfunktionsprüfung, Blutdruck, 24 Stunden-Messung mit einem amoklaufenden Messgerät das mir den Arm abwürgt, gynäkologische Untersuchung und morgen Darmspiegelung.
Das ist nicht dramatisch, aber ermüdend. Ich kann mich mir nur schwer als blutarme Person vorstellen!
Also schone ich mich, stricke die letzten Weihnachtsgeschenke - diese allerdings in reduzierter Größe (anstelle der geplanten Pottmützen winzigkleine bunte Eierwärmer! und ähnliches Kleinzeug), lasse mich von den faulen trägen Katzen anstecken und lese, höre Musik, sehe schlechte Filme und studiere die Möglichkeiten meiner neuen Uhr, eine Uhr die fast alles messen kann was ich gerade wissen und beobachten muss, (Sauerstoffgehalt im Blut, Herzschlag / Minute, Blutdruck, Schlafverlauf, EkG) und tatsächlich, die Werte normalisieren sich.
Die nächste Zeit bleibt ruhig, kein Weihnachtstrubel, kein Besuch, keine Weihnachtsgans, wir lassen es ruhig angehen und ich werde wieder produktiver werden, die hessische Mütze weiter untersuchen, Pläne machen und meine gesammelten neuen aber antiquarischen Bücher studieren.
Ich habe soviel Glück gehabt, es ist mir gelungen, den eigentlich verschollenen Band "Kurzeme" aus der Dreierserie "LATVIEŠU TAUTAS TĒRPI", einem Standardwerk, aufzutreiben. Mitsamt der Schnittmuster. Wenn ich in Lettland nach diesem Buch fragte, in einem Buchladen oder beim Gada Tirgus, erntete ich immer nur ein Kofpschüttlen und den knappen Hinweis: "Antiquariat!"
Ich hatte lettische Tauschbörsen und Kleinanzeigen-Seiten durchforstet, ohne Erfolg. Aber beim ZVAB, dem zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher, bin ich fündig geworden!
Ein weiterer Glücksgriff war der Fund der zwei Bände "Norske Folkedrakter" der renommierten Volkskundlerin Aagot Noss. Die Ausgabe stammt aus dem Jahre 1970. Arne & Carlos hatten in einem ihrer Podcasts einen Band davon gezeigt und KnittingCeleste wies mich bei Ravelry daraufhin. Denn es war auch eine Zipfelmütze zu sehen.
Natürlich war dann mein Interesse geweckt und ich wollte dieses Werk unbedingt finden. War schwer.
Aber dann? Das norwegische Werk war in keinem norwegischen Online-Antiquariat aufzutreiben, ein holländisches Antiquariat jedoch hatte es im Bestand! Und nach 2 kurzer Zeit brachte mir unsere nette Postmeisterin das Paket.
Ich bewundere das Können und die Akkuratesse der beiden Trachtenmaler Joachim Frich und Johannes Flinto, die im 19. Jahrhundert die bunten Aquarelle schufen, jedes Detail herausgearbeitet, eine Augenfreude. Zu Ihrer Zeit gehörte die zeichnerische Ausbildung zum Studium der Wissenschaftler, in Deutschland habe ich das ja bei Albert Kretschmer und Ferdinand Justi auch schon bewundert.
Solche Bilder dokumentieren die Details der Trachten oftmals intensiver als es die Fotografie oft schafft.
Mir wird sicher nicht langweilig.
Ich habe auch noch nicht alle gotländischen Handschuhmuster aus "The Mitten Book: Traditional Patterns from Gotland" von 1992 für mich mit StitchMastery fertiggezeichnet!
Ich lerne soviel beim Studieren dieser Muster, erkenne Ähnlichkeiten, sehe welche Muster im ganzen Ostseeraum verbreitet sind und mußmaße wo sie wohl zuerst gearbeitet wurden.
Dieses kleine Büchlein ist ein reicher Schatz, es enthält 41 alte schwedische Musterzeichnungen, die um die Jahrhundertwende 1900 herum gesammelt wurden.
Und noch ein ganz besonderes Vorhaben beschäftigt mich schon eine Weile, ein kleines Projekt, das ich auch einmal dazwischenschieben möchte:
In der Plebanatskirche in Gützkow, einem kleinen pommerschen Landstädtchen 5km von Gribow, ist der hintere Altarraum sehr schön ausgemalt. Mit einem sparsamen und flächendeckendenMuster. Mit leichten harmonischen Farben schafft dieses Netz aus Kreuzen eine Unendlichkeit - wohltuend.
Es bietet sich geradezu an für Handschuhe oder Strümpfe!
Auch dies ist wieder ein wanderndes Motiv, das man an vielen Orten findet. Denn es paßt gut auf große und kleine Flächen, es entsteht ein Netz mit geradezu entspannender Regelmäßigkeit und weiter im Osten des Ostseeraums, in Lettland, hat dieses Muster sogar einen Namen:
Es ist "Maras Kreuz", Es steht für Regelmässigkeit, Produktivität, es beschützt, segnet und bringt Glück.
Und da dachte ich, ich hätte nichts zu schreiben! Eine ganze Menge Themen schwirren in meinem Kopf herum, nicht nur die Pottmütze, ich brüte Ideen aus und lasse es langsam angehen.
Ich wünsche Ihnen allen eine gute Adventsszeit! Bleiben Sie gesund und passen Sie auf sich und alle anderen Menschen um Ihnen herum auf!