Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

In jedem November, immer vor dem St. Martinstag, veranstaltet die estnische Handarbeitsvereinigung "Estonian Folk Art and Craft Union" den St. Martinsmarkt - eben den Mardilaat. Dieses Ereignis in der großen Eissporthalle ist aber nicht nur eine Verkaufsschau, es ist auch ein Forum für Künstler, Gruppen und Organisationen, Vielfältiges wird geboten.

Und ich bin dieses Jahr wieder hingefahren. Nicht nur aus Neugierde, ich hatte auch etwas abzuholen: Riina Tomberg's Atelier hat ein Kleid für mich geschneidert. Aber der Reihe nach.

Am Donnerstag war Eröffnung und zur Eröffnung werden immer von den Organisatorinnen Grußworte ausgesprochen,  Urkunden verteilt und besonders verdiente Mitglieder dieses estnischen Mikrokosmos geehrt. Eröffnet wurde die Veranstaltung auch mit einem Grußwort von Anu Raud, der großen alten Dame des estnischen Designs.

Alles Geschehen auf der Bühne wurde auf eine riesige Leinwand projiziert, was manchmal sehr bizzar wirkte.

Nach der Eröffnung und einem ersten Rundgang durch die noch nicht so sehr gefüllte Halle ging es dann zum nächsten Höhepunkt: der Präsentation neuer Handarbeitsbücher.

Und natürlich wurde die estnische Ausgabe des Buches "Handschuhe aus Lettland" angekündigt, Monta Grasmane, Ziediete, Santa und Linda Rubena vom Institut für Immaterielles Kulturerbe waren aus Riga angereist.

Anu Pink vom Verlag Saara Kirjastus präsentierte ein lang erwartetes Werk: die englische Ausgabe des 2. Bandes der Reihe "Eesti Silmuskudumine - Estonian Knitting": Socks and Stockings. Ich hatte mir gleich beim Erscheinen der estnischen Ausgabe dieses großartige Buch gekauft und auch schon etwas daraus gestrickt. Selbstverständlich trug ich die estnischen Wadenwärmer zu diesem Anlaß!

6 Exemplare der englischsprachigen Ausgabe habe ich besorgt, das waren 6 x 2.5kg zu tragen. Es lohnt sich!Anu Pink leitet den Verlag, unterrichtet und verkauft auch Wolle. Das "HEA" steht für Wolle, die für das traditionelle estnische, generell baltische Stricken gebraucht wird. Und alle Wolle wurde von den Buchautoren des Verlags ausgewählt. Beim Craft Camp der Estnischen Kulturakademie und auch beim Nordic Knitting Symposium  in diesem Sommer war Anu dabei. Ich kann ihr (und ihrer Wolle) nicht widerstehen.
Anu stellte auch noch den Lace-Calendar für das kommende Jahr vor und ein neues Büchlein, das es bisher nur auf estnisch gibt: Kome pitsilise kleidi - wie strickt man Spitzenkleider.

Schon am ersten Tag traf ich viele Freunde und Bekannte. Wo ich mich umschaute, vertraute Gesichter. Ich empfinde das als große Freude. Engagierte Menschen und wunderbare Produkte und Techniken!

Jeder Mardilaat hat einen thematischen Schwerpunkt, dieses Mal war es die Region Setomaa im Südosten Estlands; dort und im russischen Südwesten lebt das Volk der Setokesen, ein Volk mit eigener Sprache und eigenen Traditionen. Külli Jacobson ist eine rührige Vertreterin der Seto, sie ist Mathematiklehrerin und betreibt gleichzeitig das Unternehmen "Nordic Knitters"; über das sie Handschuhe aus ihrer Region vertreibt. Auf der Wockensolle hier ist sie keine Unbekannte, wir kennen uns von Workshops und Märkten und haben immer viel Freude miteinander. Ihre Fröhlichkeit ist immer ansteckend.

 

Alle Tage gab es immer wieder Vorführungen der Seto, Tänze, Chorauftritte. Und wenn getanzt wurde war jeder eingeladen.

Sogar eine PunkBand war angereist, aber die habe ich nicht mitbekommen.

Immer wieder beeindruckend ist das Angebot auf diesem Markt. Keramik, Glas, Lederarbeiten, Kleidung, Wolle, Holzarbeiten, Lebensmittel - alle Sinne werden bedient.

Ein überbordendes Angebot an Kleidern, von tradionellen Modellen über klassisch-modernes Design bis zu verrüschten Exemplaren... jeder findet das Passende und ich liebe die wunderschönen Kreationen von Riina Tomberg und Etnowerk!

Riina's Kreationen bestechen durch eine ausgewogene Mischung aus Farben und Details, seien es die schönen Stickereien oder die Kombination verschiedener Muster bei den Saumblenden, und immer ist das Grundmaterial ein feiner Wollfilz. Das rote Kleid tanzt da etwas aus der Reihe: eine Anfertigung für mich, anprobiert in der Proovi Kabin ...

wie immer: auf die Bilder klicken für eine große Darstellung!

Etnowerk is an Estonian brand of handcrafted cardigans full of emotion, bold beauty and ethnographic motifs. Two vivid designers, Liina and Annika, bring warmth to their clients' hearts and enlighten their days.

So steht es auf der Webseite von Annika und Liina und es stimmt.

wie immer: auf die Bilder klicken für eine große Darstellung!

Immer mehr estnische Wolle wird angeboten, so von Kihnu-Schafen oder anderen "rare breed"-Arten. Die Wolle kommt aus der Wollmühle der Kulturuniversität Viljandi oder von HiuVill auf der Insel Hiumaa, und manchmal kann man die Wolle sogar dem Schaf, von der sie stammt, zuordnen - für mich ein Zeichen von großem Züchterstolz.

wie immer: auf die Bilder klicken für eine große Darstellung!

Aber nicht nur die Aussteller und die Ensembles auf der Bühne tragen extravagante Kreationen, auch die Messebesucherinnen zeigen interessante Kleidung.

Mardilaat ist aber nicht nur Markt und Bühne, es gibt auch Workshop-Angebote und Präsentationen der verschiedenen Bildungsinstitute und Gilden  Estlands. Berufsschulen, Kulturakademie, Gilden aus verschiedenen Regionen stellten sich vor. Mir hat imponiert wie die Kinder bereits an Handarbeit herangeführt werden, Jungen und Mädchen an kleinen Webstühlen oder auch an Klöppelkissen oder Schnitzbänken.

wie immer: auf die Bilder klicken für eine große Darstellung!

Zum Schluß noch ein Rundgang über den Markt mit den vielfältigen Angeboten, ich kann gar nicht alles zeigen was ich gesehen und bewundert habe.

wie immer: auf die Bilder klicken für eine große Darstellung!

So, das war es erstmal. Ich habe viel gesehen, viele Freunde getroffen, und vom Besuch im Museum der Küstenbewohner in Vimssi berichte ich später, aber erst fahre ich morgen zu einer Tagung und dann nach RIga!