Flachsblüte

Nun hat es wieder eine Zeit gedauert bis hier ein neuer Inhalt erscheint, und eine solche Pause könnte vermuten lassen, dass nichts passiert.... aber das stimmt ganz und gar nicht!
Ich weiß vor lauter Aktivitäten nicht wo mir der Kopf steht... und was ich zuerst abarbeiten, lesen, stricken, lernen, beschreiben soll... womit anfangen?

Letzte Woche war ich mit Franz-Josef Klar und Claudia Krischer in Schönberg im Volkskundemuseum, das ja leider zur Zeit wegen Etatspielereien des dortigen Bürgermeisters, geschlossen ist.
Ich war schon etliche Male in Schönberg und hatte eine Ahnung welche Schätze dort im Archiv schlummen und wie sorgsam und genau der Trägerverein des Museums mit den Schätzen umgeht.
Ich war zweimal bei der Norddeutschen Spinnmeisterschaft und ich war dort schon  zum Studieren einiger Strümpfe und auf der Downloadseite habe ich ja auch schon eine vorläufige Anleitung für einen Mecklenburger Bauernstrumpf aus dem Museum eingebunden.
Nun also zwei Tage intensiver Betrachtung, Vermessung, Einschätzung - hunderte Photos auf den Speicherkarten müssen nun sortiert und ordentlich benannt werden, damit der Schatz wirklich genutzt werden kann.

Aber das ist ein anderes Thema, ich werde, und diese Zusage halte ich auch wirklich!, erstmal etwas über meine Übungen zum Thema "Innenseite der Doppeldaumen-Fischerhandschuhe" schreiben.

Fischer-Doppeldaumen-Handschuhe Versuch

Diese Fischerhandschuhe beschäftigen mich ja schon eine ganze Weile. Ich habe zwei verschiedengrosse Exemplare gestrickt, aus guter echter Schafwolle, und habe in den verschiedensten Büchern gestöbert, um mehr über diese Spezies zu erfahren.
Festhalten kann ich schon mal:

  • Spezielle Fischer.-Handschuhe finden (besser: fand) sich in vielen Fischerorten an der Ostsee, der Nordsee, Island und Nordamerika (Kanada und USA / Maine)
  • Die Handschuhe sind fast immer verfilzt (durch Salzwasser und intensives Tragen)
  • fast alle Handschuhe sind innen "gefüttert" - ob mit Woll-Locken, kardierter Vorwolle oder weicher locker gezwirnter Wolle
  • nicht alle aber sind mit zwei Daumen ausgestattet, ich weiß von Exemplaren aus Rankwitz / Usedom (im Wolgaster Museum), aus Gingst / Rügen, von der Insel Poel, und aus anderen Ländern: aus Norwegen und vielleicht auch aus Finnland.

Das Stricken der Handschuhe ist leicht, aber das "Füttern" ist mir ungewohnt, habe ich noch nie gemacht.

Das Innenfutter, das beim Tragen immer mehr verfilzt und so eine zweite wärmende Schicht bildet, wird auf unterschiedliche Weise zugefügt: Es können kurze Faserstränge in Abständen mitgestrickt werden oder nach einer Masche auf den Querfaden vor der nächsten Masche platziert werden. Andere Handschuhe waren mit zwei Fäden gestrickt, two-end-knitting / twined knitting / tveband-stickning, eine Technik aus Schweden und Norwegen.
Ich habe auf der Webseite von Interweave einige Beiträge zu diesem Thema gefunden und auch etliche Bücher, die diese Techniken lehren.

Zu meiner Überraschung fand ich beim Durchsuchen meiner Strickbibliothek das Buch "Ultimate Mittens" von Robin Orm Hansen, das schon lange im Regal stand, ich hatte es in meiner Kauflust zu Beginn meiner Strickzeit ergattert, aber dann nicht weiter beachtet.
Robin Orm Hansen ist DIE Expertin für amerikanische Stricktraditionen und -techniken und ein guter Startpunkt um ihre Arbeit kennenzulernen ist die Seite "My Mitten World. SIi hat eine beeindruckende LIste verschiedener Handschuhe zusammengestellt.

In der englischsprachigen Wikipedia fand ich diesen Text:

Gefüllte Fäustlinge (in Neufundland und Labrador, wo sie traditionell hergestellt werden, auch als "thrummed mittens" bekannt) werden mit Fleece-Büscheln gefüllt, um ein warmes, flauschiges Innenleben zu schaffen, das bei Gebrauch allmählich verfilzt. Die gleiche Technik kann auch bei der Herstellung von Wintermützen und anderen Strickwaren angewendet werden.

Die Schriftstellerin Robin Orm Hansen veröffentlichte 1983 in ihrem Musterbuch Fox and Geese and Fences ein Muster für gefüllte Fäustlinge. Hansen zufolge war die Technik damals noch weitgehend unbekannt und auf Neufundland und Labrador sowie eine einzige Familie in Maine beschränkt. Inzwischen ist sie jedoch bekannter und wird häufiger praktiziert.

Mit den verschiedenen Artikeln und den Kapiteln aus Robin Hansen's Buch studierte ich verschiedene Möglichkeiten, die Handschuhe zu verdichten.

Robin Hansen beschreibt die Technik, Vlies unsichtbar einzustricken (knit-in technique), sie zeigt wie Handschuhe, die mit der Twined Knitting Technik gestrickt sind, besonders dicht und wärmend sind, wenn die "linke Seite", also die linken Maschen auf der Außenseite sitzen. Sie stellt ein schottisches Rippenmuster vor, das besonders wärmt und ein besonders interessantes Exemplar ist der "Fishermen's Wet Mitten" aus ihrem Buch "Favorite Mittens". Dieser Handschuh wird sehr sehr goß gestrickt und dann mittels heißem und kalten Wasser passend geschrumpft.

Ihre Bücher sind eine wahre Fundgrube!

Ich habe also verschiedene Technikeng geübt, mit verschiedenen Garnen und nach verschiedenen Anleitungen. Und immer mehr gemerkt, daß diese Strickweise mir nicht wirklich zusagt, sie "kommt mir nicht in die Finger".

 

Beispiel Nummer 1:

Solche Übungen sind immer gut um ungeliebte Garnreste zu verarbeiten, diesmal eben Pink!

Die unversponnen Fäden werden mitgestrickt und auf der Außenseite sieht man dann kleine "Herzchen"...
Ich habe bei verschiedenen Übungen lose Fäden aus Kardenband gezupft.
Oder isländisches Unspun-Plötulopi noch etwas mehr verzupft...

Mit verschiedenen Farben gearbeitet kann das niedliche Effekte bringen, bei gleicher Farbe sind die Einstrickungen sicherlich fast unsichtbar.

 

 

rote Thrums Vorderseite
rote Thrums Rückseite
North Ronaldsay Odds and Ends
rote Thrums Rückseiteseite

Vor Jahren war ich einige Tage auf der Orkney-Insel North Ronaldsay und habe dort auch etliche Garnvorräte erstanden. Darunter auch zwei Beutel mit "odds and ends", irgendwelche Reste, die ich meinte zum Ausstopfen von Spielzeug oder Irgendetwas Anderem zu brauchen.
Und so schlummerten diese Restchen seit Jahren in der Wollkiste.

Nun also habe ich mit ihnen geübt.
Das Ergebnis ist nicht gerade berauschend, das müssten schon Handschuhe aus sehr dicker Wolle sein, die diese zusätzliche Schicht vertragen.

Eine weitere Variane bewirkt daß die eingestrickten Schlaufen fast gar nicht auf der Vorderseite zu sehen sind.

Also erstmal ziehe ich ein Fazit:
Ich habe viel gelesen, viel über verschiedene Methoden, Handschuhe zu "füttern", gelernt und einige Bücher in meiner Bibliothek zu schätzen gelernt.

Die Autorin Robin Hansen hat mir interessante Einblicke in die Traditionen und Strickweisen der nordamerikanischen Regionen geboten und sie hat aufgezeigt, wie auch aus Mißverständnissen heraus wieder neue Muster und "Standards" entstehen können.
Besonders gefallen hat mir ihre Beschreibung des Kalt- und Warmwasser-Filzens gefallen, die sie übrigens in der freien Anleitung für Ice Harbor Mittens ausführlich beschreibt. Hier gehts zum Download:

https://www.robinormhansen.com/IceHarborMitts.pdf

Robin Hansen beschreibt aber niemals Doppeldaumen-Handschuhe, erwähnt nur einmal ein Paar aus Norwegen, als kleine Anmerkung am Rande.

Ich meine / meinte ja, daß die Doppeldaumenhandschuhe deshalb so gut ausgestattet sind, damit der Fischer beim Netze-Einholen die nasse Innenseite der Handschuhe nach außen drehen kann und mit trockener Handfläche weiter arbeiten kann.

Robin Hansen sieht das aber gänzlich anders:

Zum Einen sind die von ihr beschriebenen Handschuhe recht dicht gefilzt und damit winddicht, zum Anderen aber, und das ist besonders interessant, schreibt sie daß die Fischer ihre neuen Handschuhe, die viel zu groß sind, bei der Ausfahrt in kaltes Salzwasser halten, dann auf dem Schiffsdeck darauf herumtrampeln und diese doch recht grobe Prozedur mutwillig wiederholen, so daß am Abend bei der Heimkehr in den Hafen, die Handschuhe genau passend für den jeweiligen Fischer gefilztschrumpft sind.

Zum Anderen erklärt sie (und ich habe mir das von einem studierten Physiker bestätigen lassen), daß gerade nasse Handschuhe die Hände wärmen! Denn Wasser, und da wohl ganz besonders Salzwasser, ist ein guter Wärmespeicher aber schlechter Wärmeleiter.
Und wenn man eine Hand in einen nassen Handschuh steckt, reagiert der Körper und erwärmt die Hände kräftig. Diese Wärme nun verbleibt ob der schlechte Wärmeleitfähigkeit im Handschuh ..
Trägt man jedoch trockene Handschuhe, so leidet man am Ende eines langen Arbeitstages wirklich unter kalten Händen!

Ich denke, ich werde einen Artikel über Doppeldaumen-Handschuhe aus aller nördlichen Welt schreiben und die Arten und Weisen der Innenfütterung beschreiben, aber ich werde sicherlich nicht nun weiter probieren und viele solche Handschuhe stricken. Dafür sehe ich zum Einen wenig Nachfrage und zum Anderen habe ich viele schöne Vorhaben auf meiner Liste!

Aber ich werde mit den Garnen, die ich von Spinnfreundinnen bekommen habe, noch Doppeldaumen-Handschuhe, in richtiger Größe, aber als Einzelexemplare, verfertigen, auch um die Garne zu würdigen!

Robin Hansen: Ultimate MittensRobin Hansen bei Ravelry und eine Auswahl Ihrer Bücher:

PS; Die Links dieser Liste sind Amazon-Links.