Herbert Niebling (geboren 1902) starb im Mai 1966 in Freiburg und fand auf dem Bergäcker-Friedhof seine letzte Ruhestätte. Seit seiner frühen Kindheit strickte er und kam im zarten Alter von 18 Jahren zum ersten Mal mit "Kunststricken" in Berührung. Im Gegensatz zu den eher geometrischen Strukturen dieser damals sehr verbreiteten Muster entwickelte er jedoch seinen eigenen Stil, inspiriert von der Natur. Sehr oft ähneln seine Arbeiten der Klöppelspitze.
Vier Jahre studierte er an der Hamburger Hochschule für bildende Künste und fand in dieser Zeit den Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit: das Kunststricken. 1930 veröffentlichte er seine erste Strickanleitung.
Es gibt keine Gesamtausgabe seines Werkes, auch keinen Gesamtkatalog, denn viele seiner Entwürfe wurden ohne Nennung des Designers und in unterschiedlichen Formaten, in Heftchen und Anleitungssammlungen, veröffentlicht. Ich bin mir sicher daß auch heute noch viele Decken und Deckchen in Gebrauch sind oder aufgehoben werden weil sie zu schade sind zum Wegwerfen. Unser Zugang zu diesen Arbeiten hat sich in den letzten 30. 40 Jahren ja doch geändert. Ich kann mich gut erinnern, daß ich geerbte Spitzendecken mit Tee einfärbte und auch mit synthetischen Farben, weil sie mir in dem strahlenden oder auch vergilbtem Weiß zu altmodisch erschienen. Von diesen gefärbten Decken hat natürlich keine überlebt,
Es ist wie es ist: mit vielen Traditionen und Fertigkeiten bin ich im Baltikum in Berührung gekommen, 2015 sah ich die ersten großen, eigentlich riesengroßen, Decken, in einem Ausstellungskatalog aus Riga und dann in einer Ausstellung in Tallinn. Diese Meisterwerke waren alle von Riho Toomra gestrickt, den ich hier ja schon etliche Male auf der Wockensolle vorgestellt habe.
Vor drei Jahren fragte mich Riho ob ich ihm helfen könne bei der Suche nach der Grabstätte Nieblings und nach einigen Telefonaten mit dem Freiburger Friedhofsamt wußte ich dann, wo sich das Grab befindet. Oder vielmehr befand. Denn die Grabstelle auf dem Bergäcker-Friedhof war schon einige Jahre aufgelassen, da die Nutzungsfrist nicht verlängert wurde. Ich denke, eine Würdigung durch die Stadt Freiburg, ein Ehrengrab, hätte ihm schon zugestanden!
Meine Freiburger Freundin Erika spazierte dann im Sommer 2020 auf den Friedhof und fand dann auch gleich die Grabstelle. Die Grabstelle selbst lag leer, und war, wie sie dann herausfand, von der Familie des Nachbargrabes für zukünftige Beisetzungen erworben worden. Erika sandte mir dann einige Fotos zu, die zeigen wie idyllisch dieser Platz ist.
Diese kleine Bilderzusammenstellung zeigt die Grabstelle auf dem schönen Waldfriedhof in Freiburg und auf dem letzten Bild sieht man daß nun auch das zweite Grab belegt ist.
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Seit fast 3 Wochen habe ich hier nichts mehr geschrieben und das hat seinen Grund. Ich bin in eine tiefe Traurigkeit versunken. Auf einen Schlag werden alle Ideen, Ziele, Haltungen über Bord geworfen und die Medien, Politiker und sonstnochwer versuchen sich in Kriegsgeschrei zu übertreffen. Der Grünenpolitiker mit den fettigen Haaren verlangt schwere Waffe für die Ukraine ("Keine Waffen in Kriegsgebiete!"), die Außenministerin kündigt an Russland zu ruinieren und gedenkt im Baltikum der "Opfer des Kommunismus" und verschweigt dabei schamlos die Verheerungen und die Opfer, die der deutsche Faschismus in den Ländern angerichtet und gefordert hat, Atomkraft wird wieder hervorgekramt, Fracking Gas aus den USA soll das Heil bringen und und ..
Können die nicht einfach mal innehalten und nachdenken? Ist es nicht möglich, statt blinder Solidarität und Schwarz-Weiß-Denken die politischen Ursachen für die gegenwärtigen Konflikte zu diskutieren? Was hat denn zu diesem schlimmen Krieg geführt? Welche geopolitischen Interessen zermalmen da gerade Europa? Kriegsgeschrei statt Ursachenforschung - die Menschheit lernt einfach nichts.
Ich möchte nicht daß deutsche Waffen in Kriegsgebiete geliefert werden, Deutschlang hat genug Unheil angerichtet. Mein Onkel liegt irgendwo auf einem Acker bei Kiew verscharrt, in den Krieg gejagt von Hitlerdeutschland. Reicht das nicht?
Pazifismus ist nicht naiv, wie es jetzt gerne gepredigt wird, Pazifismus rettet uns vor der Vernichtung. Waffen schaffen Probleme aber lösen sie nicht.
Mir gehen viele Themen im Kopf herum, Themen, die ich hier auf der Wockensolle vorstellen oder vertiefen möchte, aber dann erscheinen sie mir doch immer wieder zu unbedeutend im Tagesgeschehen. Ich möchte und darf mich und meine Themen aber nicht unterkriegen lassen und deshalb lege ich wieder los!
Riho Toomra aus Tallinn habe ich hier auf der Wockensolle ja schon vorgestellt. Er strickt die beeindruckendsten Kunstdecken und ich sah seine Werke zum ersten Mal in Riga, dann in Tallinn und wir sind in Kontakt. Vor zwei Jahren habe ich für ihn die Grabstätte des Kunststrickers Herbert Niebling in Freiburg gesucht und nun zeigt das Zürcher Museum für Gestaltung vom 6. Mai bis 18. September 2022 im Toni-Areal die Ausstellung Ace of Lace. Riho wird dort 33 seiner Decken zeigen. "Es war die Grossmutter, die im estnischen Teenager Riho Toomra (*1963) die Passion für das Stricken weckte. Auf der Suche nach neuen Mustern stösst er auf die Strickvorlagen von Herbert Niebling aus den 1930er- bis 1960er-Jahren, in denen Blüten und Blattformen vor netzartigem Hintergrund kunstvoll umgesetzt sind. In rund 45 Jahren hat Toomra rund hundert hochkomplexe Spitzendecken gestrickt, in weissem Garn und mit unfassbar dünnen Nadeln. Seine grössten Strickbilder umfassen über 400 Reihen und erfordern etwa vier bis fünf Monate Arbeit. Toomra treibt die von Herbert Niebling geschaffene Kunstform auf die Spitze, um seine Begeisterung dafür zu teilen. Als «Ace of Lace» findet er im Stricken den geeigneten Ausgleich zu seiner zweiten Leidenschaft – der Metal Music."
Auf der Rückfahrt von Zürich plant Riho nun einen Besuch auf dem Friedhof in Freiburg, um dem Schöpfer des Kunststrickens, Herbert Niebling, an seiner letzten Ruhestätte zu würdigen.
Ich freue mich, daß die Ausstellung möglich sein wird und lege sie allen, die in bei und um Zürich herum leben oder vorbeikommen, die Ausstellung zu besuchen!
Museum für Gestaltung Zürich Pfingstweidstrasse 96 8005 Zürich, Schweiz
Im Juli und August stehen ja wieder ein CraftCamp in VIljandi und eine Strickwoche in Lettland an und da hatte ich eine etwas spinnerte, aber sicherlich durchführbare Idee: Da eine meiner Reisefreundinnen, Pat, aus den USA nach Europa kommt und die Atlantik-Flüge fast immer auf Island einen Zwischenstopp einlegen, könnten wir uns doch dort treffen, ein wenig Island schnuppern und dann gemeinsam ins Baltikum reisen. Aber die Verhältnisse und Möglichkeiten lassen das leider nicht zu. Pat kann erst später nach Europa kommen. Und so wird das leider erstmal nichts.
Das bedeutet aber nicht, daß ich die Idee nach Island zu reisen aufgegeben hätte. Seit ich die interessante isländische Trachtenmütze gestrickt habe, lässt mich diese Idee nicht mehr los. Ich studiere Webseiten über das Stricken in Island, lese kulturhistorische Aufsätze, informiere mich über die Island-Sammlung im Museum für Völkerkunde in Hamburg, und trage schon mal einen Termin in meinen Kalender ein:
vom 2. bis 9. Oktober findet die Ullarvikan 2022 // Wool Week 2022 statt!
Alle Informationen hierzu gibt es auf der Webseite ullarvikan.is und damit sich eine solche Reise auch lohnt, reizt mich der Woolen CIrcle im Süden der Insel sehr! Wolle färben, Wolle schnuppern und hamstern, Landschaft bestaunen, stricken - allein der Gedanke daran hebt meine Stimmung doch wieder ein wenig
Und bis dahin plane ich die Sommerreise und stricke meine Gansey-Jacke "Grace's Cardigan" aus dem Buch von Beth Brown-Reinsel (die übrigens heute Geburtstag feiert).
Einen ersten Gansey-Pullover für meinen Heinz habe ich ja pünktlich zu seinem Geburtstag Anfang April fertigstricken können.
Ich wünsche mir dass mich die Wollfäden aus meiner Traurigkeit holen können, so wie ehemals der Faden der Ariadne half ihren Liebsten vor dem Minotaurus zu retten.
Eesti Käsitöö, die estnische Volkskunst-Organisation, veranstaltet jedes Jahr, neben vielen anderen Aktivitäten, den St. Martins-Markt, Mardilaat. Eigentlich jedes Jahr, aber in den letzten zwei Jahren eben nur virtuell. Auf einer speziellen Webseite werden alle Aussteller, nach Produktkategorien geordnet (z. B. kudumid - Strickwaren) mitsamt Kontakt- und Web-Daten vorgestellt, oft kann man auch mehrere Bilder in einer Slideshow aufrufen. Außerdem wurde eine Reihe von Kurzfilmen produziert, in denen Designer und Kunsthandwerker die verschiedenen Handwerkstechniken vorstellen: Knochenschnitzen, Korbflechten, Flachs-Verarbeitung und natürlich auch die verschiedensten Stricktechniken.
Heute beginne ich mit einer Serie dieser Kurzporträts und stelle einige der Porträtierten näher vor. Alle Kurzfilme sind englisch untertitelt, so daß sie auch für uns verständlich und nachvollziehbar sind.
Riho habe ich hier auf der Wockensolle ja schön einige Male vorgestellt, so im Beitrag über einen Aufenthalt in Tallinn im Jahr 2015, aber vor allem im Beitrag Vom Faden zum Kunstwerk. Riho liebt Heavy Metal, reist zum Festival nach Wacken (wenn es geht) und strickt seit seiner Kindheit. Ihm haben es die Kunststrickmuster des deutschen Designers Herbert Niebling (1903 - 1966) angetan. Wir hatten schon eine Reise zum Grab Nieblings in Freiburg geplant, nachdem ich die Grabstelle mithilfe einer Freiburger Freundin ausfindig machen konnte. Aber auch da hat Covid-19 einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Riho strickt die Decken mit großen Durchmessern, oft sitzen die Maschen auf 5 oder mehr langen Rundstricknadeln. Das richtige Garn für diese Arbeiten zu finden war nicht einfach, wird das Garn doch meistens ins Knäueln von 25g - 50g konfektioniert. Er bezieht große Garnmengen speziell für ihn konfektioniert, anders ginge es ja auch nicht.
Ich habe seine Arbeiten in Tallinn und auch in Riga in einer Ausstellung gesehen, inzwischen hat er eine eigene Galerie in der Altstadt von Tallinn, die Ace of Lace-Gallery in der Straße 7 Lühike Jalg, und bei Facebook ist er als @masteroflace zu finden. Und ein Master of Lace, ein Spitzenkünstler im wahrsten Sinne des Wortes ist er tatsächlich!
Aus der Wikipedia: Bidl von Müller-Schilling, Freiburg, Germany - Erstveröffentlichung: Eva-Maria Leszer: Gestrickte Spitzendecken
Zum guten Schluß noch einige Links zu dem "Master of Lace"
In der deutschen Wikipedia gibt es keinen Beitrag über Herbert Niebling (Schande!), aber dafür in der englischsprachigen Wikipedia.
Ein Vormittag noch in Tallinn, dann brechen wir nach Pöltsamaa auf, Tagesziel wird dann Tartu sein, aber erstmal sind wir noch in der Hauptstadt.
Sonnenaufgang kurz vor sieben
Dramatisch geht die Sonne auf und ich bin unruhig, möchte noch sovieles sehen. Lizzy, die ihre Augen überall hat, hat entdeckt daß gerade eine Ausstellung mit den Arbeiten von Riho Toomra zu sehen ist. Ich habe Riho Toomra hier schon auf der Wockensolle vorgestellt, aber bisher noch keine Gelegenheit gehabt, seine Arbeiten in natura zu sehen. Was habe ich doch immer für ein Glück!
Aber ersteinmal geht es (zum wievielten Male?) ins Handarbeitszentrum in die dortige Ausstellung. Im Eesti Rahvakunsti ja Käsitöö Liit werden Arbeiten der Designerin Lembe Maria Sihvre gezeigt: Das Leben ist eine Blume ist das Motto. Und ihre Arbeiten sind wunderschön, wenn auch ein wenig dramatisch...
Lembe Maria Sihvre Designs
Vorbei an einem Caféfenster mit einer ungeheuren Tassen-Installation geht es dann zu den Kunststrick-Decken Herbert Nieblings.
Wer will die abstauben?
Riho Toomra
Riho Toomra ist anwesend und so kann ich ihm meine Bewunderung ausdrücken und ihn ausfragen, was mir so alles in den Kopf kommt. Er strickt seine wunderschönen Decken mit Garn von Coats, er nutzt Rundnadeln und gerade hat er auch noch eine Ausstellung in Holland.
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Ein Video des estnischen Fernsehens stellt Riho vor, und auch wenn man die Sprache nicht versteht, die unglaubliche Mischung aus Kunststricken und Rockmusik, Heavy Metal und Fine Yarn, kommt gut rüber!
Den letzte Sonntag in Tallinn habe ich ruhig angegangen, gelesen, Kaffee genossen und dann ein Treffen mit Lizzy. Ich kannte sie bisher nur aus Ravelry, denn sie strickt wunderschöne Dinge, reist viel im Baltikum und lebt in meiner ehemaligen Heimatstadt Hamburg... genug der Gemeinsamkeiten! Wir hatten ein angeregtes Gespräch und stellten noch viele weitere Gemeinsamkeiten fest. Und dann die Überraschung:
Lizzy schenkte mir den Katalog der Ausstellung "From Thread to Art" zum 110. Geburtstag von Herbert Niebling, dem deutschen Meister-Kunst-Stricker. In Riga hatte ich das Plakat der Ausstellung gesehen und es bedauert, daß ich wieder einmal zu spät gekommen war!
Die Decken wurden alle von Riho Toomra gestrickt, einem wahren Zauberstricker aus Estland. Solch ein Geschenk eine Woche vor dem Geburtstag, das habe ich gleich weggepackt und für den Gabentisch aufgehoben.
Riho Toomra, 50 Jahre, hat ein Reisebüro, Metal Travel Agency, und organisiert Reisen zu HeavyMetal-Festivals, so z.B. nach Wacken, ein martialischer Kerl, den man sich eher mit ölverschmierten Händen denn mit einem Strickstück in der Hand vorstellt. Noch mehr erfährt man hier auf dieser Seite des Menzendorf-Museums in Riga.
Lizzy hat mir dann noch einen Link zu einem Video über ihn geschickt, das ich hier gerne einbette.
Selbstverständlich ist Riho auch bei Ravelry und Facebook und 20 seiner Werke sind bei Ravelry zu bewundern. Und in dem Video, welches in estnischer Sprache ist, kommt dann auch Ulve Kangro, deren Atelier ich hier schon vorgestellt habe, zu Wort.
Wieder einmal durfte ich erleben, welche Verbindungen gemeinsames Interesse schaffen kann, welche Fäden sich zwischen Strickern, Designern, Liebhabern knüpfen. Und wie bereichernd das ist!
Das Nachhausekommen nach einer solch intensiven Reise, nach so vielen Eindrücken, ist nicht so einfach, da ist das Zuhause-Sein erstmal schwierig. Mir blieb nur wenig Zeit zum Ruhen, denn Feiertage standen an. Zu meinem Geburtstag hatten sich meine Nichte samt Mann, Neffe samt Mann und Schwager und Schwiegermutter aus Madrid angekündigt. Also aufräumen, vorbereiten, hoffen, daß das Wetter hält.
Es hat gehalten. Und der Geburtstag war wunderbar. Ich war von lieben Menschen umgeben und wurde reich beschenkt:
Mein Geburtstagstisch
Ein Hocker, dessen Bezug an Strickmuster erinnert (obwohl er geflochtene Bänder zeigt), großartige Photo-Bände von William Eggleston, von Lizzy der Katalog zur Ausstellung von Riho Toomra (links oben) und von Frau Wollfrosch ein wunderschönes Nadelspiel-Etui mit Snoopies und Polka-Dots samt kleiner Tasche für Maschenmarkierer und weiteres Kleinteiliges. Und weitere schöne Dinge... Nun bin ich 9x7 Jahre alt und freue mich.
Danke!
Und Herbert Niebling werde ich demnächst hier auf der Wockensolle auch mal einen Beitrag widmen, einige seiner Muster sind wieder aufgelegt worden und können bestellt werden.