03.09.2020 | Textilien und Volkskunde
Für den 23. und 24. Oktober waren zwei eintägige Workshops mit Riina Tomberg aus Estland geplant, in St. Spiritus in Greifswald, veranstaltet vom Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern.
Und das muss nun ausfallen. Ausfallen ist nicht ganz richtig, wir verschieben den Termin auf das kommende Frühjahr.
Estland hat Deutschland als Risikoland eingestuft und Rückkehrer aus Estland müssen für einige Zeit in Quarantäne. Das paßt aber nicht mit Riinas Terminkalender und so müssen wir diese 2 Workshop-Tage absagen.
Stattdessen aber halte ich am Sonnabend, den 24. Oktober, an gleicher Stelle, in St. Spiritus einen eintägigen Workshop zum Thema "Die pommersche Pottmütze".
Ich habe in der letzten Zeit immer wieder feststellen dürfen auf welches Interesse diese Mütze stößt und so bietet sich ein solcher Workshop an.
Nächste Woche, wenn alles in trockenen Tüchern ist, gibt es dann genaue Informationen und ein Anmeldeformular auf der Seite des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern, der diesen Workshop veranstaltet.
Am letzten Sonntag im August habe ich in Prerow auf dem Darß die Veranstaltung des Darß-Museums "Kulturerbe erleben (Handwerkliche Vorführungen und Markt)" besucht und in Gesprächen mit aufgeschlossenen Menschen viel erfahren. Dabei zeigte ich auch meine Mützen, und fragte die Spinnerinnen, ob sie das Vlies der pommerschen Rauhwollschafe in dünnes Strickgarn spinnen könnten...
Das war ein wunderschöner Tag, ein Sommer-Urlaubstag wie ich dieses Jahr noch keinen erleben konnte. Der mich für viele Verluste entschädigte und mich ermutigte, weiter den alten Maschen nachzuforschen, hier in Mecklenburg-Vorpommern.
Spinnerinnen mit schöner Wolle
Ausklang eines Sommertages
Ich fühle mich wie in Jurmala in Lettland
14.03.2020 | Wockensolle
vor einem haufen kleiner miseren
So übersetzt Felix Philipp Ingold einen von Georges Schéhadé memorierten Vers von Jules Laforgue. Also eine Art Stille Post.
Und so geht es mir gerade auch. Kleine Miseren wachsen sich zu großen Einschränkungen aus, Grenzen werden geschlossen, Bildung abgesagt, wir sollen zuhause bleiben, nicht hysterisch werden - die Welt um uns herum jedoch zieht gerade alle Register der Hysterie.
Privat? Ich bin traurig, denn der Verlust meiner liebsten Freundin hat mich sehr getroffen. Die Fahrt zur Trauerfeier hat aber auch viele Freundschaften wieder bekräftigt oder wieder-aufleben lassen. Ich habe mich auf die bevorstehende Reise nach Estland gefreut, auf Treffen mit Freundinnen, Besuch im Nationalmuseum, Studieren alter Strickarbeiten, eine Ausstellungseröffnung, den Besuch des Arvo-Pärt-Zentrums... ich erhoffte mir davon eine Aufhellung meiner Stimmung.
Und diese Reise findet nun nicht statt. In Estland ist der nationale Notstand ausgerufen, alle Veranstaltungen sind abgesagt, Museum sind geschlossen - ich habe so gut es ging alle Buchungen storniert und bleibe nun zuhause. Und arbeite an meinem Projekt, der Rekonstruktion alter estnischer Strickmuster aus der Mulgi-Region und dem Schaffen neuer, zeitgemäßer Anleitungen mit diesen schönen Mustern, und zu meiner Freude stelle ich fest, daß "meine" Pottmütze wieder auflebt.
Ich habe einen Brief mit einer Fotografie einer fertiggestellten Mütze erhalten (danke!), der Spinnkreis "Wittower Spinnradl" hat ein Pottmützenprojekt gestartet, es ist schön wie diese Idee Kreise zieht, wie ein vergessenes Kleidungsstück wieder ans Tageslicht und auf die Köpfe kommt.
Letzte Woche habe ich dann auch meinen Artikel über die pommersche Pottmütze für die amerikanische Zeitschrift Piecework fertiggestellt und abgegeben, das tut mir gut, ich habe jetzt wieder einen freien Kopf.
Aber wie geht alles weiter? Kann ich die abgesagte Reise nachholen, findet der geplante Workshop beim Projekt "Stettin - Mikrozentrum Europas" im Mai 2020 statt, kann ich im Juli zum Craft Camp nach Viljandi fahren, im August an "Let's Knit in Latgale" von SENA KLETS teilnehmen? Alles steht in den Sternen, alles macht Angst, aber lassen wir uns nicht über Gebühr ängstigen, sondern bleiben wir ruhig und besonnen. Stricken hilft.
26.11.2019 | Textilien und Volkskunde
Ich freue mich immer nöch über die "Mönchguter Bauernhochzeit", die von zahlreichen Mönchguter Vereinen gemeinsam erarbeitet und im Rahmen des Mönchguter Heimatabends im Haus des Gastes in Baabe auf Rügen als Nummernrevue präsentiert wurde.
Mit viel Liebe und Freude nahmen Jung und Alt teil, ein Kinderchor sang und tanzte bevor die Hochzeit begann, eine Hochzeit wie sie um 1860 auf der Halbinsel Mönchgut wohl gefeiert wurde, 9 Tage lang dauerten die Vorbereitungen und die Feier selbst, das ganze Dorf war eingeladen. Es wurde getanzt, gescherzt, getrunken und geschmaust. All dies in Szene gesetzt von der Mönchguter Trachtengruppe, Schulkindern, Gesangsvereinen und Freunden.
Wer alles mitmachte und Eindrücke von den Proben kann man auf der Seite der Ostseezeitung nachlesen.
Der Veranstaltungsort in Baabe auf Rügen
Strandstraße 10, 18586 Ostseebad Baabe / Rügen, Deutschland
Da wir recht früh im Mönchgut ankamen, konnten wir noch einen kurzen Abstecher nach Göhren unternehmen und einen Blick auf das Göhrener Heimatmuseum werfen. Daher stammt die von mir rekonstruierte Pottmütze!
Ich war vom Heimatverband MV eingeladen worden mitzukommen und also hatte ich auch meine Pottmützen geschnappt; diese stammen ja aus Mönchgut. Und ein echter Mönchguter erklärte sich bereit Modell zu stehen.
Die Braut trug bis zur Hochzeit einen Blumenkranz (Jungfernkranz), nach der Trauung über einer weißen Mütze eine schwarze Haube.
Bewegen Sie den Schieberegler zum Vergleich ;=)
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Die Galerie gibt einen kleinen Eindruck von der Spielfreude und der Farbentracht.
ein Klick aufs Bild öffnet es in größerer Ansicht
Ganz besonders gefallen hat mir der Zusammenhalt und die Freude der Beteiligten und der Zuschauer, denn dieser Heimatabend war keine touristische Schau-Veranstaltung, sondern ein Heimatabend der Mönchguter für die Mönchguter.
24.11.2019 | Textilien und Volkskunde, Wockensolle
Poken nennt man die Bewohner der Halbinsel Mönchgut auf der Insel Rügen. Mönchgut - das ist auch eine der verbliebenen pommerschen Trachtengebiete und so freue ich mich ganz besonders auf die heutige Veranstaltung, eine Aufführung der historischen Mönchguter Hochzeit im Haus des Gastes in Baabe auf Rügen.
Ich beschäftige mich ja nun schon eine ganze Weile mit der alten Kopfbedeckung der Poken, der Mönchguter Pottmütze, und so bin ich natürlich auch gespannt ob ich heute auch eine Pottmütze zu sehen bekomme.
Vor drei Tagen lief abends im NDR eine Sendung mit dem Titel "Wolle for Future", ein Bericht über das Unternehmen "Nordwolle" des umtriebigen und unternehmungslustigen Marco Scheel, der die Wolle des pommerschen Rauhwollschafes für wärmende und kleidsame Bekleidung verwendet, dabei auch seinen Teil zur Rettung der gefährdeten Schafsrasse beiträgt und auf sehr unkonventionelle Weise sein Unternehmen voranbringt. Die Schafe werden inzwischen nicht nur auf der Halbinsel Mönchgut, sondern auf der ganzen Insel Rügen und auf Hiddensee (und auch anderswo) gehalten und tragen wesentlich zur Landschaftspflege bei.
Wikimedia: User:Klaaschwotzer - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84108581
Marco Scheel war in diesem Bericht mit einer dicken Wollmütze zu sehen, aber leider keine Pottmütze. Da muß ich noch ein wenig Marketing betreiben...
Seine Webseite ist hier zu finden: https://nordwolle.shop/ und seine Kreationen habe ich schon beim Schaproder Fisch- und Wollmarkt im letzten Herbst bewundert.
Die Sendung ist in der Mediathek des NDR online, aber wie so oft ist ungewiß wie lange noch. Wer also die Nordstory "Wolle for Future" noch nicht gesehen hat, sollte das jetzt tun! Und ich fahre jetzt nach Rügen zur Mönchguter Bauernhochzeit... ich werde berichten.
05.11.2019 | Baltische Traditionen, Wockensolle
Der Vortrag beim Lieper Klöntreff in Rankwitz auf Usedom am Sonnabend hat nicht nur mir Freude gemacht; bei Kaffee und Kuchen lauschten die Gäste aufmerksam und der Applaus zum Schluß zeigte dann auch, daß der Reisebericht gut angekommen ist. Auf einem separaten Tisch hatte ich einige Strickstücke und auch die wichtigen Bücher ausgelegt und natürlich lagen an prominenter Stelle die Pottmützen.
Die Flyer mit den Anleitungen zur Pottmütze waren schnell verteilt und die vielen interessierten Fragen brachten uns auf neue Ideen.
Ja, wenn alles klappt, wird es wohl im nächsten Jahr Stricktreffen im Rankwitzer Heimathof zum Thema "Pottmütze" geben und die feine Wolle für die Mütze kommt dann vielleicht sogar von den Spinnrädern der Spinnerinnen des Heimathofs.
Ich freue mich.
27.09.2019 | StrickTraditionen und - Technik, Textilien und Volkskunde
Was sind das für komische Worte? Pottmütz und Knüttmütz?
Nun das ist Plattdeutsch und Pottmütz leitet sich, wie mir erklärt wurde, von "chapeau" ab. Französisch war im 18. und 19. Jahrhundert die angesagte Sprache und beeinflußte selbst den plattdeutschen Wortschatz.
Das Wort bezeichnet eine Mütze, und dies vor allem in Pommern, auf der Insel Rügen und dort auf der Insel Mönchgut. Die Fischerbauern dieses abgelegenen Landstriches trugen die Mütze, weil sie wärmte und dem Sturm trotzte.
In Estland hingegen gibt es das Wort in der Form "Pottmüts", dort allerdings bezeichnet es bestickte, wertvolle Damenkappen.
Knüttmütz hingegen bezeichnet ganz einfach die Herstellung der Mütze: "Knütten" steht im Pommerschen immer schon für Stricken.
Eine pommersche Pottmütze aus dem Museum Stralsund (links) und eine Replik aus dem Jahr 1989
Eine estnische Tuttmüts, eine Männermütze
tuttmüts, ERM 9928, Eesti Rahva Muuseum, http://www.muis.ee/en_GB/museaalview/557682
eine Pottmüts aus den Beständen des estnischen Nationalmuseums
pottmüts, ERM 643, Eesti Rahva Muuseum, http://www.muis.ee/en_GB/museaalview/526763
Es gibt nur wenige Trachtengebiete in Mecklenburg-Vorpommern und ich habe nach Gestricktem gesucht.
Und nur Pottmützen gefunden:
Die schon gezeigte Mütze aus der Sammlung des Museums Stralsund und die Mütze aus Göhren, wie sie im Virtuellen Museum Mecklenburg-Vorpommern gezeigt wird.
Beide Mützen habe ich inzwischen nachgestrickt, in etlichen Größen. Und endlich habe ich auch das Strickgarn gefunden, das wohl damals auch genutzt wurde, Wolle vom rauwolligen pommerschen Landschaf.
Diese Nutztierrasse ist gerade mal so vor der Ausrottung bewahrt worden, sie eignet sich vorzüglich zur Landschaftspflege und die Wolle ist kräftig und stark.
Aber es gibt auch feineres Garn von diesem schönen Tier, in der Lauflänge 400m/100g, wie sie für diese Mützen benötigt wird.
Am 20. Oktober wird in Schönberg in Mecklenburg der Trachtentag MV 2019 begangen, organisiert vom Heimatverband MV und vom Volkskunde-Museum in Schönberg.
Ich werde dort die rekonstruierten Fischermützen / Pottmützen von der Insel Rügen aus Mönchgut vorstellen.
Bis dahin habe ich auch die Strick-Anleitung für die Göhrener Pottmütze fertiggestellt, die dann verteilt werden kann und dann auch auf der Webseite des Heimatverbandes MV und natürlich hier auf der Wockensolle mit vielen Informationen zu diesem Thema zum Download stehen wird.
Die Strickschrift für die Stralsunder Pottmütze folgt dann noch.
Die Göhrener Mütze in drei Größen, gestrickt mit 180 / 150 / 120 Maschen und Nadeln 2.5mm / 2.75mm
Diese Ansichtskarte aus dem Jahr 1905 zeigt einen freudlichen Mönchguter Fischerbauern in stattlicher Tracht:
Pottmütze, gestreifte Weste, weite weiße Hose, Schal und Jacke
(aus meiner Sammlung)