Caspar David Friedrich: Hünengrab im Schnee, Ausschnitt

Nun ist die Ausstellung in Gdansk eröffnet, an der ich mehr als ein Jahr lang mitgearbeitet habe: Kreatorzy - tkanina z Pomorza / Creators: Textile from Pommerania und ich bin sehr stolz!
Die Anreise nach Gdansk ist nicht einfach (eine Nachtfahrt mit dem Flixbus oder ca. 10 Stunden mit der Bahn und etlichen Umstiegen), aber wer kann sollte sich die Ausstellung im Nadbałtyckie Centrum Kultury w Gdańsku / Gdansker Kulturzentrum an der Ostsee ansehen! Es lohnt sich wirklich!
In der Galerie im Altstädtischen Rathaus, dem Sitz des Kulturinstitutes, waren die pommerschen Fischerteppiche und die kaschubischen Stickereien liebevoll präsentiert, mit Audio-Texten und alten Filmdokumenten, ein Knüpfstuhl war ebenfalls aufgestellt, den Ulrike Sulk noch vor der Eröffnung bespannte, und ein Begleitbuch zum Projekt gibt es auch.
Bei der Eröffnung im großen Prachtsaal des Rathauses sprach der Leiter des Zentrums, Lawrence Ugwu, dem Team großes Lob aus, und Agnieszka Domańska stellte das Projekt vor. Da blieb mir nur zu sagen wie sehr ich mich über das gelungene Projekt gefreut habe und wieiviel ich dabei auch lernen konnte.

Ulrike spannt den Knüpfstuhl auf

Ulrike Sulk spannt den Knüpfstuhl in der Galerie auf

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Ich finde die Präsentation in der Galerie großartig, trotz beengtem Raum haben die Teppiche "Luft", auf den speziell  für die Teppiche gebauten Ständern kommen sie gut zur Geltung. Kleinere Teppiche wurden in Vitrinen gezeigt, und die kaschubischen Stickereien werden in gelungener Konfrontation mit den Teppichen auf den anderen Seite des Raumes gezeigt.
Das Interesse der Besucher war sehr groß, viele angeregte Unterhaltungen und viel Lob für das Konzept, da kann ich mich nur anschließen!

Viele Aktivitäten rund um die Ausstellung waren für die Eröffnungstage organisiert: So konnte man Leinentaschen oder auch große Papierbögen per Siebdruck mit dem Leitmotiv des Projektes, dem Fischer (Gestaltung: Anna Rudak), bedrucken lassen,

Kreators - Textilien aus Pommern

In verschiedenen Räumen wurden Stickereien präsentiert, und ich konnte Anna Miszczak zuschauen, wie sie die kaschubische Stickerei der Wdzydzet Schule einem interessierten Publikum vorstellte und erläuterte.
Ich hatte Anna bereits bei meinem ersten Aufenthalt in Gdansk und Wdzydze kennengelernt und bewundere ihre Arbeit sehr.

Im Vestibül zeigte ein Handarbeitsklub aus Gdansk ebenfalls großartige Stickereien, ich habe mich zurückhalten müssen, am liebsten hätte ich diese Arbeiten alle mitgenommen!

Abendrot in Gdansk

Als Zugabe erlebte ich am Freitagabend noch ein wunderbares Abendrot.

Am Sonntag begann ein viertägiger Teppich-Knüpfworkshop unter Ulrike Sulks Leitung, ich fuhr am Sonntag wieder nach Hause, hochzufrieden und ausgefüllt mit schönen Erinnerungen.

Ein gutes Team! Katarzyna Zawistowska, Ulrike Sulk, Agnieszka Domańska und Connie Müller-Gödecke

von links nach rechts:

Katarzyna Zawistowska gestaltete die Ausstellung in der Galerie
Ulrike Sulk knüpft vorpommersche Fischerteppiche und leitete einen viertägigen Workshop
Agnieszka Domańska, Projektkoordinatorin und Ausstellungskuratorin
Connie Müller-Gödecke, Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern, Koordinatorin auf deutscher Seite

Wir mit den zwei wunderbaren Dolmetscherinnen Sophia und Roxanna!

Ulrike Sulk und Connie Müller-Gödecke mit den Germanistik-Studentinnen Sophia und Roxanna, die Ulrike beim Workshop unterstützten.

Kleid mit kaschubischer Stickerei und Begleitbuch

Über die weiteren Veranstaltungen im Rahmen des Projektes kann man sich auf der Webseite des Kulturzentrums informieren, das Projekt läuft ja noch bis Ende Juli.

Kreators - Textilien aus Pommern

Zum Projektband ist ein dreisprachiger Begleitband (polnisch, englisch, deutsch) erschienen, der auch eine Einführung in die Geschichte der Teppichknüpferei in Pommern (Ulrike Sulk) und den Aufsatz "Immaterielles Kulturerbe - Bewahrung und Stärkung des traditionellen Handwerks (Claudia Krischer und Cornelie Müller-Gödecke) enthält.

Ziel des zweiten Tages unserer kurzen Reise nach West-Pommern und Pommerellen war Wdzydze Kiszewskie in der Tucheler Heide (Bory Tucholskie), im Herzen der Kaschubei, an einem großen See, in einem großen Waldgebiet.

Der Ort war infolge der Landflucht gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlassen, bis 1906 das Ehepaar Teodora und Isidor Gulgowski hier ein Freilichtmuseum gründeten, damit das älteste Freilichtmuseum Polens.
In der Wikipedia liest man dazu:

"Das im 19. Jahrhundert aus armutsbedingter Entvölkerung heraus entstandene Freilichtmuseum ist inzwischen zur wirtschaftlichen Basis des Ortes geworden. "

Teodora and Izydor Gulgkowski

Teodora und Izydor Gulgkowski, Ethnologen und Museumsgründer

Die erste Hütte ist heute nicht mehr erhalten, aber 52 Objekte aus der Kaschubei und aus Kociewie (eine Region in Pommerellen)  sind inzwischen zusammengekommen, wiederaufgebaut und eingerichtet: Bauernhäuser, Gutsherrenhäuser, eine Dorfschule, eine Schmiede, zwei Windmühlen, eine Kirche, Ställe und Scheunen und Werkwerkstätten (Sägemühle, Schmiede...)  und das alles auf 22 Hektar Land.
Den Grundstock der Sammlung bildeten goldbestickte Hauben, Glasbilder, Keramik und Haushalts- und Landwirtschaftsgegenstände.

Teodora und Izydor  Gulgowski, ein Dorflehrer und seine Frau, schufen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der Kaschubei etwas, das noch heute als ein ein wunderbares Werk und - bei aller Schwierigkeit, seine Essenz auszudrücken - - in der Gemeinschaft der Sozialpädagogen als einzigartig bezeichnet werden kann.

Zitat:
Maria Mende: Radically engaged social pedagogy -
On the currency of the work of Teodora and Izydor Gulgowski, 2019, Universität Gdansk

Teodory i Izydora Gulgowskich 68, 83-406 Wdzydze, Polen

Zu jener Zeit wurden selbsthergestellte Haushaltsgegenstände und selbstverfertigte Kleidung immer seltener, verdrängt von industriellen Waren, die Dorfbevölkerung verarmte und die Landflucht in die Städte tat ihr Übriges. Gleichzeitig jedoch wuchs das Interesse (und die Notwendigkeit), die traditionelle Volkskultur und die tradierten Lebensweisen zu erforschen  und zu erhalten. Teodora und Izydor hatten das gemeinsame Ziel, das ländliche Kunsthandwerk zu erhalten und die Landflucht der Bevölkerung zu stoppen.
Teodora hatte in Berlin, im Lette-Verein, Frauen-Erziehung studiert und so bot es sich an, daß sie nach Möglichkeiten für eine auskömmliche Beschäftigung der jungen Frauen suchte. So erarbeitete sie das Konzept der "farbenreichen Wdzydze Stickerei," die die Ländlichkeit, Folklore und die Kaschubische Kultur widerspiegeln sollte. Motive dafür fanden sich auf Holzmalereien und den goldbestickten Hauben der kaschubischen Frauen: Rosen, Granatäpfel, Tulpen - zu sticken mit Baumwollgarn auf handgewebtem Stoff grauem oder weißem Stoff.

Aus ihrem ursprünglichen Interesse, den jungen Frauen eine Beschäftigung zu verschaffen, um die Langeweile zu vertreiben und den Schönheitssinn zu wecken, wurde schon bald ein größeres Projekt: Die Heimarbeit wurde wiederbelebt, die Frauen konnten mithilfe der Stickerei Geld für den Lebensunterhalt verdienen.
Wurden zuerst nur kleine Deckchen gearbeitet, so erweiterten nun Kissenbezüge, Kleiderkrägen, Kleider, Rücke, dekorative Tücher und Taschentücher das Portefeuille und konnten in größerem Maße verkauft werden.
Aus Heim-Arbeit wurde eine Heim-Industrie, die Produktpalette erweiterte sich: Flechtarbeiten, Spitzenklöppelei und Weberei.
Die Erzeugnisse wurden vor allem in Deutschland unter dem Namen "Sandorfer Hausfleißarbeiten" bekannt, Sandorf ist der deutsche Name für Wdzydze .

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Die florale Stickerei nutzt sieben Farben (rot. rosa, orange, grün, schwarz, gelb, blau) in vielerlei Schattierungen und in der Ausstellung in einem Gebäude des Freiluftmuseums wurden nicht nur die Arbeitshefte und Vorlagensammlungen für die Stickereien gezeigt, sondern auch das Lehrmaterial: die typischen Motive mit den zu verwendenden Farben, Farbkarten mit den Farbnummern der verschiedenen Stickgarn-Hersteller...

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Pani Anna zeigte uns ihre Arbeiten (Goldstickerei auf Samttaschen, Broschen aus Golddraht, Tücher mit den floralen Mustern) und ließ uns auch selbst einige Stiche üben.

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Die floralen Muster sind heute ein Symbol für die Kaschubei und sie werden heutzutage auch in anderen Bezügen eingesetzt, wie die Ausstellung im Hauptgebäude des Museums zeigt: auf T-Shirts, als Maschinenstickerei auf Kleidern und Pferdemützen, als Porzellan-Design (zu bewundern im Film "Die fabelhafte Welt der Amelie"), und auf Hühnerfutter-Säcken; und gestrickt! Ein maschinengestricktes Set aus Schal und Mütze für Kinder...

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So, das wärs erstmal. EIne bibliographische Zusammenstellung über die Kaschubische Stickerei mit Links und weiteren Nachweisen hebe ich mir für einen späteren Beitrag auf.

Mein Dank für diese intensiven Tage in Gdansk und Wdzydze, für die Anregungen und Erlebnisse geht an das Team des Ostsee-Kulturzentrums (Nadbałtyckie Centrum Kultury),  hier besonders an Agniezska Domanska und ihre Kolleginnen, und an das Kaschubische Ethnographische Museum in Wdzydze, benannt nach Teodora und Isidor Gulgowski!