Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Es ist erstaunlich, wieviel Würde diese Gegenstände so bekommen, die der Mensch gemacht hat. Sie sind nicht immer schön, mehr und mehr Gesindel von zweideutiger Herkunft schleicht sich ein, von Maschinen erzeugt, aus den Ländern des Nordens eingeführt. Aber die Art, wie sie sich präsentieren, ist immer noch die alte. Neben den Läden, wo nur verkauft wird, gibt es viele, vor denen man zusehen kann, wie die Gegenstände erzeugt werden. So ist man von Anfang an dabei. Und das stimmt den Betrachter heiter. Denn zur Verödung unseres modernen Lebens gehört es, daß wir alles fix und fertig ins Haus und zum Gebrauch bekommen, wie aus häßlichen Zauberapparaten. Hier aber kann man den Seiler eifrig bei seiner Arbeit sehen und neben ihm hängt der Vorrat fertiger Seile. In winzigen Gelassen drechseln Scharen von kleinen Jungen, sechs oder sieben von ihnen zugleich, an Holz herum, und junge Männer fügen aus den Teilen, die ihnen von den Knaben hergestellt werden, niedrige Tischchen zusammen. Die Wolle, deren leuchtende Farben man bewundert, wird vor einem selbst gefärbt und allerorts sitzen Knaben herum, die Mützen in hübschen und bunten Mustern stricken.

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Es ist eine offene Tätigkeit, und was geschieht, zeigt sich, wie der fertige Gegenstand. In einer Gesellschaft, die so viel Verborgenes hat, die das Innere ihrer Häuser, Gestalt und Gesicht ihrer Frauen und selbst ihre Gotteshäuser vor Fremden eifersüchtig verbirgt, ist diese gesteigerte Offenheit dessen, was erzeugt und verkauft wird, doppelt anziehend.

Da möchte ich Herrn Canetti verzeihen, daß er die Technik, mit der die bunten Mützen hergestellt werden, falsch benennt.

Elias Canetti
Die Stimmen von Marrakesch | Aufzeichnungen nach einer Reise
Hanser 1967