Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Zwei Reisen im November, das ist schon fein... zum Martinsmarkt nach Tallinn und dann nach Riga zum Jubiläum, aber das hätte ich ja auch in einer Reise zusammenfassen können, warum nicht? Warum tue ich mir den Rückflug aus Tallinn, 4 Tage zuhause und dann wieder nach Berlin, dort Übernachtung und am Samstag nach Riga, an?
Es gibt einen Grund: Ich wollte an der Halbtagskonferenz "Trachten – Tradition und/oder Mode"  des Heimatverbands Mecklenburg-Vorpommern teilnehmen, und diese fand am 16.11. statt. Über diese Tagung werde ich in einem separaten Beitrag berichten, es war interessant, anregend, lehrreich für mich.
Die Tage zwischen den Fahrten musste ich dann hauptsächlich am Rechner verbringen, etliche der von mir betreuten Webseiten waren von Hackern verseucht worden und zudem steht ein Umzug der Webpräsenzen auf einen modernen, neuen Server an, da gilt es Einiges zu bedenken, zu sichern und zu regeln. Also deshalb zwei Reisen!

Anderthalb Flugstunden von Berlin sind es und mit Baltic Air reist man auch recht bequem. So kam ich dann am 17.11. recht entspannt in der lettischen Hauptstadt an und machte mich gleich auf einen ersten Rundgang.

Ich schlage mein Quartier fast immer in der Altstadt auf, in VecRiga, in der Nähe meiner üblichen Anlaustellen: Buchläden, Cafés, Sena Klets...

Deshalb nun ein kleiner Stadtrundgangzur Einstimmung.

Das Ende des ersten Weltkrieges hat viele Staaten entstehen lassen, und so feierten im Jahr 2018 Finnland, Estland, Litauen, Polen, Lettland und auch Deutschland ihr Hundertjähriges.

Dieses Jubiläum beginn Deutschland geradezu stillschweigend, denn an dem 9. November 1918  wurde eben nicht nur die erste deutsche Republik ausgerufen, an diesem Tag 1923 scheiterte der Hitler-Ludendorff-Putsch, 1938 gab es die schlimmen, später  Kristallnacht genannte Pogrome gegen Juden, und 1989 fiel die Mauer. Schlimme und gute Ereignisse - das wird nicht so froh und herzlich gefeiert.

In Lettland war das anders: das ganze Land bereitete sich auf das Jubiläum vor, überall gab es Ausstellungen, wurde in den Archiven gestöbert, Trachten wurden geschneidert und jeder Lette sollte seine eigenen Handschuhen tragen. "Lernt von Euren Meistern", "Jedem Letten seine Tracht" und "Cimdota Latvia" - um nur einige der vielen Aktionen zu nennen. Die Webseite lv100.lv zeigt die unglaubliche Vielfalt der Jubiläumsaktionen.

In allen Geschäften, an allen Ladenkassen lagen kleine Ansteck-Fähnchen aus, Schokoloade in den Nationalfarben, sogar Kuchen in den Nationalfarben und mit einer Marzipanfahne... nichts was es nicht gab.  Sogar Tiefkühlkost warb mit der Nationalfahne.
Überall war geflaggt und fröhliche Menschen bevölkerten die Innenstadt. Freude war überall zu spüren.

Da es im November schon sehr früh dunkel wird, erstrahlte die Stadt zudem illuminiert vom Lichterfest "Staro Riga".

Ich freue mich immer wieder Vija Staskunas an dem Mäuerchen vor der Figur der Bremer Stadtmusikanten zu treffen. 

Von ihr habe ich schon einige Anregungen bekommen, seien es kleine Armbänder mit Bernstein oder hübsch bestickte Stulpen...

3 Tage in der Woche steht sie hier und verkauft Handarbeiten; Handarbeiten die sich doch sehr von den üblichen Souvenirs unterscheiden. Sie bessert durch den Verkauf ihre Rente und auch die manch anderer alten Damen auf, die von der kargen Pension nicht leben können.

Sonntag dann der große Tag: Versammlungen am Freiheitsdenkmal, Chöre, Umzüge, feierliche Reden - es war kein Durchkommen zum Platz und ich wollte dieses Fest den Letten überlassen.

In der Alstadt soviele Flaneure wie sonst im Sommer, aber diesmal keine Touristen, sondern Letten in Feiertagslaune. Ich ließ mich treiben und freute mich. Und ich gönnte mir eine Schokoladenpause im Riga Black Balsams Café. 

Und wie auf dem Bild zu sehen ist, trug auch ich wunderschöne lettische Handschuhe bei mir - ein Paar aus Rucava, das ich letztes Jahr ergattert habe.

Ich bahnte mir meinen Weg zu SENA KLETS zwischen vielen Menschen hindurch und musste auch des öfteren anhalten, denn viele militärische Formationen marschierten durch die engen Gassen, skandierten laut und sangen, nur übertönt vom Lärm mehrerer Kampfhubschrauber und eines Jagdbombers, die zu Ehren der Republik über die Stadt donnerten.

Ich freue mich lieber unmilitärisch.

Mit einbrechender Dunkelheit strömten immer mehr Menschen an das Ufer der Daugava, um zu singen und das für den Abend angekündigte Großfeuerwerk zu genießen. Und immer mehr trugen Fackeln, ein großer freudiger Fackelzug zog durch die Stadt.
Ich war eingeladen zu einer Feier in SENA KLETS, die Räume waren festlich erleuchtet und ein Tisch mit vielen Leckereien wartete auf uns. Die Familie Grasmane war versammelt, Ziedite hatte eine Handschuhtorte gebacken und wir stießen an mit Glühwein und heißem Johannisbeer-Balsam-Punsch.

Um 18:18 stießen wir an, nachdem der Präsident Lettlands seine Rede gehalten hatte und die Nationalhymne gesungen war.

Zum Abschluß der Aktion "Cimdota Latvia" (Lettland in Handschuhen) wurde dann noch ein Gruppenfoto gemacht, auf dem soviele Handschuhe wie möglich zu sehen sein sollten. Und dieses Foto hat es dann auch in etliche soziale Netzwerke und in die Fotogalerie auf der großen lettischen Webseite delfi.lv geschafft.

Mit diesen Handschuhfotos schließe ich ersteinmal meinen Bericht von der großen Feier in Riga Ich fühle mich zwischen so vielen Menschen nicht wohl und trat den Rückzug ins Hotel an und fand dann auch noch irgendwie meinen Weg durch die Menge der Feiernden, die alle zum Ufer wollten. Eine grosse fröhliche, ruhige Menschenmenge in Feierlaune, so geht es wenn die lettischen Introverts (wie sie sich selbst kokett bezeichnen) froh sind!

Im nächsten Beitrag geht es dann um den Besuch im Kunsthandwerkszentrum Ritums, das Latvian-Blues-Festival und ein Treffen mit unseren Strickfreundinnen!

Freunde aus Lettland, den Niederlanden, Japan und und Deutschland sieht man auf dem Bild, Lizzy aus Frankreich hat sich wieder versteckt ;=)