Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843
Ja, der Sommer naht und damit auch die große Reise, die ich zusammen mit Freundinnen geplant habe... Diesmal werde ich wirklich sehr lange unterwegs sein, sieben Wochen, und nicht nur im Baltikum...
Ich werde allein an drei Strick-Wochen teilnehmen, dem Nordic Knitting Symposium auf der Insel Karmøy, das jährliche Craft Camp in Viljandi / Estland und zum Schluß noch die Strickwoche in Latgale / Lettland, Let's Knit in Latgale, die mir letztes Jahr so gut gefallen hat, daß ich noch einmal dabei sein möchte.
Aber nicht nur aufgeführten Veranstaltungen stehen auf dem Plan, wir werden auch das Textilmuseum in Bergen, das Sami-Museum in Inari / Nordfinnland und weitere Museen, die auf unserer Route liegen, besuchen.

Den Anfang machen Pat und ich. Wir treffen uns in Oslo, sie kommt aus Denver, ich von Berlin. Zusammen reisen wir mit Bus und Bahn durch Norwegen, zum Nordic Knitting Symposium, und dann weiter nach Helsinki. Dort kommt Sue aus England dazu und wir fahren in den hohen Norden, nach Rovaniemi und ganz speziell nach Inari. Dort wollen wir das berühmte Sami-Museum Siida besuchen. Zurück in Helsinki werden wir die Fähre nach Tallinn nehmen und unsere Freundinnen vom CraftCamp treffen. Eine Woche in Viljandi, das muss ja eigentlich sein... ich glaube es ist das siebte Mal für mich!

Oslo, Norwegen

Berlin, Deutschland

Rēzekne, Lettland

Riga, Lettland

Ruhnu, 93001 Saare maakond, Estland

Pärnu, Kreis Pärnu, Estland

Viljandi, Kreis Viljandi, Estland

Tallinn, Estland

Helsinki, Finnland

Inarintie 46, 99870 Inari, Finnland

Austre Karmøyveg 23, 4250 Kopervik, Norwegen

Danach dann gönnen wir uns eine große Pause, auf der wunderbaren Insel Ruhnu! Für eine Weile sind wir dort zu fünft (Pat, Sue, Riina, Claudia und ich), am längsten bleiben Pat und ich. Erst in Tallinn, wo der obligate Besuch im Superladen Karnaluks natürlich auch eingeplant ist, trennen wir uns, ich fahre dann nach Riga weiter, besuche für einige Tage Sena Klets, ruhe mich aus und dann gehts nach Latgale!
Natürlich sind da auch wieder viele Freunde dabei, manche zum ersten Mal, manche als Wiederholungs-Strickerinnen.

Das wird eine lange Reise. Ich freue mich darauf und habe auch einige Bedenken, wie ich die vielen (hoffentlich schönen) Eindrücke alle verkraften und verarbeiten kann. Mal sehen, bald gehts los!

Der Samstag, der letzte Tag des Symposiums, der Tag vor der Abreise.

Eigenartig - mir ist bewußt daß jede Veranstaltung zu Ende geht, meistens schneller als erhofft, daß ich es gar nicht vertrage immer  zwischen so viel Menschen zu sein und seien sie noch so sympathisch, anregend, fröhlich - es braucht ja auch Zeit das Erlebte, Gesehene und Gelernte zu verarbeiten und zu verfestigen.

Der Webstuhlraum im Werkgebäude

Ich nutzte diesen Samstag auf meine Weise; auf dem Programm standen Ausstellungen an verschiedenen Orten und Besichtigungen des Vilma-Gebäudes und der Vilma-Wollmühle. DIe Ausstellung "WHITE" im Kondas-Center habe ich schon in Tallinn gesehen, dort war sie in Pikk 22 ausgestellt, Eesti Valge, und ich habe sie hier auf der Wockensolle auch schon vorgestellt. Kristi Jõestes Handschuhe habe ich schon während der ganzen Woche im Sakkala-Zentrum gesehen, man konnte sie gar nicht übersehen, und Riina Tombergs Ausstellung "Ohne Rot" hatte ich gleich zu Beginn der Woche aufgesucht und mich daran erfreut.

Im Februar 2017 nahm ich an der Winter-Akademie der Viljandi Kulturakademie teil und dabei konnte ich schon die Werk- und Wirk-Räume der Akademie und die neue Wollmühle besichtigen. Ich habe allerdings damals nicht darüber berichtet, das wollte ich mir für einen Beitrag in einer Serie über Wollmühlen aufheben, und den habe ich, muss ich gestehen, noch nicht geschrieben. Deshalb zeige ich jetzt hier jetzt doch schon einige Photos der Mühle.

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Hauptereignisse des Tages? Die Präsentation der Workshop-Arbeiten und das festliche Abschluß-Essen im Nationalen Zentrum für Volksmusik auf dem Burgberg.

Lange Tische waren vorbereitet, damit jeder Teilnehmer seine Prachtstücke präsentieren konnte, und selbstverständlich wurden wir auch zu einem Schlußwort aufgefordert.

  • Wunderbare Organisation, tolles Engagement
  • DIe baltischen Besonderheiten wurden hervorragend vermittelt
  • Hoffentlich kommen bald nicht nur russische Lehrerinnen, sondern auch Interessierte Teilnehmer aus Russland zu solchen Veranstaltungen (z.B. zum Craft Camp)
  • Es ist immer wieder faszinierend wie unkompliziert und fröhlich der Kontakt so vieler gleichgesinnter Frauen ist!
  • "Ich habe keine Angst mehr vor feinen Stricknadeln!"
  • Danke für Alles!

Das waren so einige Schluss-Bemerkungen. Und ich glaube, alle hatten recht.

Da aber Bilder immer mehr als 1000 Worte vermitteln, jetzt noch eine Bilderauswahl von der Schlussveranstaltung.

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Angesichts der Präsentationen konnte ich nur staunen, einige der Teilnehmerinnen müssen auch die Nächte durchgestrickt haben!
Ich glaube die Fröhlichkeit "kommt rüber" auf diesen Bildern.

Mit diesen Eindrücken beende ich meinen Bericht über das Nordic Knitting Symposium 2018 in Viljandi / Estland und ich bedanke mich bei den Organisatorinnen für dieses einmalige Erlebnis.
Da aber meine Reise noch nicht zu Ende ist, geht es hier auf der Wockensolle noch eine Weile weiter mit Berichten aus Estland, von Wolle und Menschen!

Den Freitagnachmtittag verbrachten wir in Heimtali im dortigen Museum, von Anu Raud aufgebaut und gehütet. Einer meiner LIeblingsplätze in Estland, das Museum in der ehemaligen Schule, die Storchenfamilie auf dem Telegrafenmast, der Zaun mt den Handschuh-Malereien, und natürlich die Schätze im Museum.

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In den letzten Jahren wurde die Präsentation der Sammlung im Museum verbessert, nun gibt es viele Schaukästen, viele Exponate sind hinter Glas und damit für alle Besucher sichtbar.

Natürlich ist das Museum nicht für solch eine große Besuchergruppe eingerichtet und so wurden wir in 4 Gruppen auf unterschieldlichen Wegen herumgeführt: Anu Raud stellte die Sammlung im Museum vor, in anderen Gebäuden präsentierten Strickerinnen von der Insel Kihnu, von Saaremaa und von Töstamaa ihre Fertigkeiten.

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Alle Photos in dieser Galerie: © 2018 Sandra Urvak

Und dann das Highlight: Knit and Walk - auf estnisch: Kai ja Koo!
Ein Wettkampf, ein Strick-Staffel-Lauf, bei dem es nicht nur auf die Schnelligkeit sondern auch auf die Qualität des Gestrickten ankommt. Der diesjährige Wettbewerb war extra in den Juni gelegt worden, damit die Gäste des Symposiums daran teilnehmen konnten.
14 Mannschaften, na eigentlich Frauschaften, gingen an den Start, skandinavische, britische, baltische und auch ein asiatisches Team machte mit und gewonnen hat die norwegische Mannschaft!

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Alle Photos in dieser Galerie: © 2018 Sandra Urvak

Claudia hat ein kleines Filmchen von diesem sportlichen Highlight gedreht und auf Facebook und ihrer Webseite wollwaerts.eu veröffentlicht und damit die Aufmerksamkeit der Welt auf diese Veranstaltung gezogen: Ihr  Video ist inzwischen 637.858 mal geklickt worden (am 01.08.18, 12:42 MEZ) ;=)

Der dritte Platz: Baiba, Maija und Solvita

Drei strahlende Siegerinnen aus Lettland und Litauen,

herzlichen Glückwunsch!

In einer feierlichen Zeremonie wurden dann die Preise an die Siegerteams und an das Organisatoren-Team, das außer Konkurrenz lief, vergeben.

Nicht alle guten Vorsätze werden auch umgesetzt - und so bin ich mit meinen Berichten immer noch in Verzug. Aber es war auch zu heiß, wie soll man einen klarenGedanken fassen können bei 34° im Schatten? 

Heinz veranstaltete zwei Jazz-Abende im und mit dem Kunstverein Heringsdorf und so hatten wir auch Übernachtungsgäste; lange Abende auf der Terrasse und morgens schlecht aus den Federn kommen - Gespräche, Ausflüge, Katzenfreude - es war schön, aber wie gesagt, manche Vorhaben rücken dann in die zweite Reihe.

Willi Kellers, Heinz-Erich Gödecke, Christoph Winckel und Alan Tomlinson - Konzert in Heringsdorf

Nun also der Freitag, der 29. Juni, der vorletzte Tag des Symposiums. Morgens kurze Workshops und nach dem Mittagessen Fahrt nach Heimtali, in das dortige Museum und zu weiteren Vergnügen. 

Ich hatte großes Glück, denn ich hatte einen Platz in Anu Randmaas Workshop Inlay and knitted fringes ergattert, Was hier im Englischen als Inlay benannt wird, ist die estnische Technik Roosituud: man strickt das kontrastfarbene Garn nicht ein, sondern legt es vor die Maschen.... eine leichte Technik, wunderschön und farbenfroh. Die Technik ist so einfach, daß sie beim Craft Camp nie ins Curriculum aufgenommen wurde (das kann doch eh jeder...); nun, die Esten vielleicht, wir Nicht-Esten müssen das erst noch lernen.

Und ich wollte das immer schon lernen, und ich habe noch die Hoffnung, daß es bei einem der nächsten Craft Camps doch angeboten wird.

Im Netz habe ich eine kurze Beschreibung, ein Kurz-Tutorial,  dieser Technik gefunden, in Spillyjane's Blog:

Roositud

A quick note on the technique: Roositud is an Estonian inlay technique where stitches are wrapped (not knit) with contrasting yarn to create a patterned effect. The result looks like embroidery, but it done as the object (usually a mitten or a sock) is being worked. In this respect it’s preferable to embroidery since one doesn’t have to worry about sewing in tight places (say, a mitten tip or the end of a thumb.) It’s also one of the best instant-gratification techniques I’ve come across, since one can watch the pattern grow as the object does.

Nicht nur Roositud, auch das EInarbeiten von Schlaufen, nicht nachträglich eingenäht, sondern gleich mitgestrickt, lernten wir.

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Das Einarbeiten der Fäden vor der Nadel ist nicht schwierig und manchmal machen wir es uns auch viel zu schwer. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich denn den Faden, nachdem ich ihn von rechts nach links vor die Maschen gelegt und nach hinten gebracht habe, in der nächsten Runde wieder nach rechts bekomme (bekanntlich strickt man ja meistens von rechts nach links...).

Das ist unglaublich einfach: in der nächsten Runde legt man den Faden einfach wieder vor die zu strickenden Maschen, aber diesmal von links nach rechts, bringt den Faden nach hinten und strickt weiter.

Zu beachten ist nur, daß fast jedes Muster-Element mit einem eigenen Faden gestrickt wird, es gibt also nachher viele Fadenenden, die eingewebt werden müssen.

So ordentlich sieht es in meinem Strickstück (noch) nicht aus... dazu braucht es Übung

Die kleine rote Linie zeigt, wo die Schlaufen eingestrickt wurden, wichtig ist, daß die Spannung gleichmässig ist!

Und das ist das Ergebnis des Workshops: ein kleines Nadelkissen, ganz konventionell mit hell- und dunkelroten Schlaufen gestrickt.

Maija war da mutiger, ihre Arbeit ist schön bunt!

Der Workshop wurde geleitet von Anu Randmaa, Leiterin der Volkstrachten-Abteilung der Estnischen Volkskunst- und Kunsthandwerks-Union und Trachten-Meisterin aus Töstamaa.

Letztes Jahr habe ich mir das schöne, von ihr mitverfasste Buch über die Trachten aus der Pärnu-Region gekauft, nun konnte ich sie kennenlernen und von ihr lernen.

Das Buch gibt es u.a. bei Saara.ee

Ich habe ja schon mehrfach über das schöne Museum in  Heimtali berichtet, denn das Craft Camp veranstaltet jedes Jahr ebenfalls Ausflüge dorthin, in das Museum und auf Anu Rauds Hof, in ihr Atelier. Anu Raud ist Textilkünstlerin, Lehrerin, Sammlerin - eine starke Frau mit einem großen Lebenswerk (das auch gerade im Estnischen Nationalmuseum mit einer Personal-Ausstellung gewürdigt wird).

Aber über den Nachmittag in Heimtali berichte ich im nächsten Beitrag.

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Was macht man an einem Tag ohne Workshops? Nun, am Donnerstag stand ein Ausflug in das neue Nationalmuseum Estlands in Tartu auf dem Plan und ich nahm mir einen Tag Auszeit. Im Museum war ich schon und wenn ich wieder hinführe, dann nicht mit einer Gruppe sondern alleine oder mit wenigen Freunden, um in Ruhe meinen Interessen nachzuspüren.

Es tut gut, auch mal einen Tag ohne Programm zu haben, zum Schlendern in der Stadt, zum Wolle-Kaufen (ja, ich wurde wieder schwach!) und zum Caféhaus-Genießen.

Auf der Karte habe ich das Viljandi Käsitöökoda, das Kunsthandwerkshaus Viljandi in der Strasse Lossi 14 und die Sakkala Halle, in der die Veranstaltungen stattfinden, markiert.

Im grünen Haus neben dem Museum ist das liebenswerte Handarbeitszentrum zu finden, und es gibt eine verführerische Auswahl an Wolle, Gestricktem, Gewebtem, an Keramik und noch viel mehr. Ich habe mir violette und graue Wolle für ein Tuch gegönnt, ein Ausrutscher - eigentlich bin ich ja auf "Garn-Diät" ;=)

Endlich fand sich auch Zeit um mal im Café zu sitzen, in Ruhe das bisher Erlebte an sich vorbeiziehen zu lassen und sich einfach nur zu freuen.

Die abendlichen Vorträge waren dem Thema "Stricken in Russland" gewidmet und auf diese Vorträge habe ich mich ganz besonders gefreut. So  war Ludmilla Korolkova, Chief Researcher in the Department of the Ethnography of the Peoples of the North-West of Russia and Baltics, angekündigt.

Ihr Vortrag enttäuschte mich allerdings: Traditional clothing and home decorations of the Baltic-Finnish people of Russia, made in nalbinding, knitting, or crocheting techniques in the end of 19th – the beginning of the 20th century. Uninspiriert haspelte sie den Text herunter und ließ der Zuhörerschaft keine Zeit zum Betrachten der Bilder. Nicht einmal die Fachbegriffe "needle binding, crochet, knitting" waren ihr geläufig, alles "knitting". Nicht nur ich war sauer.

Etre fidèle à la tradition, c'est être fidèle à la flamme et non à la cendre.

Einer Tradition treu zu sein bedeutet der Flamme treu zu sein und nicht der Asche.  - Jean Jaurès

Danke, Uschi, für dieses Zitat!

Olga Konkova referierte über Revival of the traditional knitting of indigenous peoples of the Leningrad Region: the project "VILLAVÄKI - The Woolen People". Die Gruppe stattet die lokalen Museen mit den rekonstruierten Strickstücken und Trachten aus und konzentriert sich nur darauf. Das ist Verwahren der Asche und kein Weitergeben des Feuers!

Die Webseite des Villaväki-Projekts: http://kmn-lo.ru/proekty/villavaki

Der dritte Vortrag am Abend allerdings gefiel mir außerordentlich und machte mich froh: Albina Lebedeva ist von der Stadt aufs Land gezogen, hat Frauen gesucht, die (noch) stricken und vertreibt deren Handschuhe auf Märkten und Ausstellungen, sichert den Frauen auf diese Weise ein EInkommen. Sogar auf Design-Messen in Moskau stellt sie die Strickwaren vor. Ein wunderbares Unterfangen und ein Schwimmen gegen den "Mode-Strom", denn gestrickt wird in Russland - präferiert werden teure Garne und internationale Strickmagazine ...

Mehr Infos:

Ich habe mir fest vorgenommen, von jetzt an jeden Tag mindestens einen Bericht über das Symposium, das Craft Camp oder die Woche dawischen hier auf der Wockensolle zu verfassen, und deshalb folgt hier jetzt der Bericht über den 3. Tag, den Mittwoch, in Viljandi.

Jeden Abend nach dem Essen gab es noch Vorträge, Vorträge die jeweils einem Thema / Land gewidmet waren.

Am Abend des zweiten Tages wurden weitere Aspekte des estnischen Strickens vorgestellt:

  • Riina Tomberg referierte über die traditionelle Strickkleidung der estnischen Schweden, den Elbofolke
  • Anu Pink beantwortete die Frage, ob wirklich 30 verschiedene Sockenfersen-Typen in Estland gestrickt wurden in ihrem Vortrag "Local Variations on the Construction of Socks in Estonia in the 19th Century" und es gab wahrscheinlich noch mehr Sockenfersen-Varianten.
  • Kristi Jõeste referierte über den Stellenwert des traditionellen Strickens im heutigen Estland.

Vera Maksimovskaya, Spezialistin für die Strickweisen der nördlichen Region im Arkhangelsker Bezirk

Aber der Reihe nach. An diesem, dem dritten Tag nahm ich am Workshop der bezaubernden Vera Maksimovskaya teil; sie vermittelte uns die Muster und Farben der Mezen-Region am Nordmeer, nordöstlich von Arkhangelsk.
Das Werkstück für dieses Thema: Kinderhandschuhe.

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Vera sprach etwas Englisch (das im Verlauf der Konferenz immer besser wurde), die Dolmetscherin ein ausgezeichnetes Englisch, aber manchmal musste doch noch online in einem Wörterbuch nachgeschlagen werden...

Was ist nun das Besondere an diesen Handschuhen?

  • Die großen Muster ähneln den Mustern vieler finno-ugrischen Volksgruppen, z.B. der Komi
  • Das Daumenmuster wird nur auf der Vorderseite gestrickt und fügt sich fast unsichtbar in das Hauptmuster ein
  • An der Handschuhspitze wird darauf geachtet, daß die Musterfarben bis zur Spitze hin ungestört weiterlaufen
  • Für die Spitze wird solange abgenommen, bis nur noch 9 Maschen übrig bleiben, dann werden die mittleren 3 Maschen so zusammengestrickt, daß die mittlerste Masche sichtbar bleibt und die restlichen Außenmaschen werden abwechselnd von rechts und links über diese Masche gezogen.

Eine verblüffend einfache Spitzenvariante, die die meisten von uns noch nicht kannten.

Die Handschuhspitze in Großaufnahme

Seitliche Aufnahme der Spitze

Aber natürlich strickt man in solch nördlicher Gegend nicht nur Handschuhe, Vera zeigte uns auch interessante Strümpfe mit reizvollen Fersenlösungen.

Lettland bildete den Schwerpunkt der abendlichen Vorträge und dies waren die Themen:

  • Irita Žeiere referierte über Knitted Items in the Latvian Archaeological Materials, sie arbeitet in der archäologischen Abteilung des Lettischen Historischen Museums
  • Inita Heinola stellte Knitted gloves, mittens, socks and stockings in Latvia vor, sie ist Chef-Kuratorin der Textil- und Bekleidungssammlungen des Lettischen Historischen Museums
  • und Ziedite Muze stellte unser Buch ""Mittens of Latvia"  ̶  an inspiration book for knitters" vor. Das war ein gelungener Vortrag, mit den beiden anderen Vorträgen waren wir Zuhörer wohl alle nicht so zufrieden, die beiden Damen trugen uninspiriert und in schlechtem Englisch vor (obwohl Dolmetscherinnen bereit standen) und beherrschten nicht einmal die Aussprache der grundsätzlichsten Begriffe.

Ziedite lud zum Schluß Ihres Vortrags dann noch zur Teilnahme am Handschuh-Flashmob (meine Bezeichnung) am 18. November in Riga ein.

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Am Dienstag, dem 2. Tag, stand der erste lange Workshop auf dem Plan; am Tag vorher hatte ich an dem Muhu-Workshop von Anu Pink teilgenommen, nun ging es um die Charakteristika der Seto-Socken, Socken aus der Setomaa-Region im Südosten Estlands. Hier auf der Wockensolle habe ich Külli Jacobson schon öfter vorgestellt, es ist immer eine Freude, sie zu treffen.

In diesem Workshop ging es um die Männerstrümpfe der Setokesen und Külli hatte eine grosse Auswahl mitgebracht. Hervorstechend sind die grossen rot-blau-weißen Motive und die nicht immer optimale Passform des Fusses, die aber durch die weichen Lederschuhe, welche mit Bändern fixiert werden, in Form gebracht wird.

Auch wenn ich immer schon mit diesen großen Kniestrümpfen geliebäugelt habe, an einem Tag lässt sich solch ein Riesenstrumpf nicht stricken. Unsere Aufgabe war vielmehr ein Sampler, der alle wesentlichen Charakteristika besitzt, wenn auch nicht immer in der richtigen Proportion.

Während des Workshops kam auch Anu Raud vorbei, die große alte Dame der Textilkunst Estlands.

Im Nationalmuseum gibt es gerade eine große Ausstellung mit ihren Werken (nächste Woche werde ich sie sehen können) und ihr Museum in Heimtali steht für den kommenden Freitag auf dem Plan.

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Wir freuten uns alle auf den Markt, der vor den Abendvorträgen angekündigt war, wann kann man schon mal so seiner Wolllust frönen? Nicht nur die Esten hatten Wolle, Kunsthandwerkliches und Gestricktes mitgebracht, sondern auch viele der Konferenzteilnehmer, die Japanerinnen und Koreanerinnen wie auch die russischen Lehrerinnen.

Ich hatte eine grosse Wollbestellung bei http://www.saara.ee abzuholen, Wolle für die Woche auf der Insel Ruhnu, für den Workshop der ja nun leider ausfiel. Die Wolle aber, so hatten wir es uns vorgenommen, wollten wir dann auf Saaremaa verstricken.... und den Workshop im nächsten Jahr nachholen.

Zlata Ushakova aus Severo Dwinsk im Arkhangelsker Gebiet hatte interessante Knochenschnitzereien mitgebracht, Schmuck aus Mammutbein und bunte Textilien im finno-ugrischen Stil des russischen Nordwestens. Ich war ja nun schon viele Male im hohen Norden Russlands, in den 90ern beim Jazzfest Arkhangelsk, ausgerichtet von der Jazz Group Arkhangelsk. Das habe ich ihr auch erzählt dann las sie meinen Namen auf meiner Visitenkarte: Gödecke! Ja, Gödecke - so wurde Heinz in Russland genannt, und sie war bei vielen Konzerten und auch Touren dabei, wir kennen uns seit nunmehr 25 Jahren! Das war ein unverhofftes Wiedersehen und eine grosse Freude.

 

Damit schließe ich für heute, das Bild hierdrunter zeigt Zlata und mich in Heimtali beim Knit and Walk-Contest, zwei Freundinnen die sich wiedergefunden haben.

Stricken hat soetwas Verbindendes!

Wie soll ich im Nachgang diese Konferenz, das Nordic Knitting Symposium 2018, beschreiben und das Wesentliche herauspicken? Das fällt sehr schwer. Eine ganze Woche gefüllt mit einem dichten Programm, unterschiedlichsten Aktivitäten und wenig Leerlauf.

Ich werde versuchen, anhand des ersten Tages, einen Konferenztag in seinem Ablauf zu schildern und das mit Fotos unterfüttern. Später werde ich dann auf die einzelnen Workshops und Vorträge eingehen, das gibt Stoff für viele Beiträge!

auf die Bilder klicken für eine grössere Darstellung!

Alles war außerordentlich umsichtig und phantasievoll organisiert. Bei der Registrierung erhielten alle, Teilnehmer wie Mitwirkende, ein Namensschild (die Mitwirkenden ein Namensschild mit dunkelrotem Hintergrund, wir Konferenzteilnehmer eines mit hellem Hintergrund), es gab eine Mappe mit Informationen (Programmheft, eine Broschüre mit Porträts der Referentinnen und Workshopleiterinnen, Informationen zu den Ausstellungen), die Übersicht über die "eingebuchten" Workhshops, Stadplan und Infos über Viljandi...), einen Patchwork-Project-Bag nach einer Vorlage aus dem Nationalmuseum,..

Alle, die an der Organisation beteiligt waren, trugen dunkelrote Schürzen (s. Ave Matsin bei ihrer Eröffnungsrede) und waren so leicht zu finden.

Zu Beginn eines Konferenztages und am Abend dann wieder, vor den Vorträgen, wurden wir über Wichtiges und Wissenswertes informiert. Alle 100 Teilnehmer versammelten sich dazu in der grossen Halle. Jeder Teilnehmer hatte die Möglichkeit, zwei ganztägige und zwei halbtägige Workshops zu besuchen; zusätzliche Programmpunkte neben den Vorträgen am Abend waren dann ein "Craft Market", ein Tagesausflug nach Tartu ins Nationalmuseum, der Ausflug nach Heimtali in Heimatmuseum und Austragungsort der "Knit and Walk Olimpiade", das Layk Studio Café war der Platz für den abendlichen Absacker und eine leckere Süssigkeit zwischendurch und die Abschiedsveranstaltung mit Gala Diner und Musik fand dann im Folk-Music-Centrum auf dem Burgberg statt.

Pavlova - ein süßer Traum im Café Layk . Fast zu schön zum Verspeisen!

In 2 Gebäuden fanden die Workshops statt, zum Einen in den repräsentativen Räumen des Sakala-Centers, zum Anderen in den Werkstätten und Meetingräumen der KulturUniversität. Wir kamen in kleinen Gruppen zusammen und die Athmosphäre war immer fröhlich, aber konzentriert.

Mein erster Workshop war der Workshop "The order of the Muhu-Fly" der fabelhaften Anu Pink. Es ging darum, einen "Orden" mit dem Motiv der Muhu-Flliege zu stricken, mit 1.25er-Nadeln und möglichst klein. Eine Breite unter 4cm mit 48 Maschen in der Runde, das war das Ziel. Ich habe mich wirklich angestrengt und das Strickstück zwar nicht fertiggestellt, es ist aber immerhin 3,5cm breit. Das entspricht einer Maschenprobe von 69 Maschen / 10 cm. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber für mich ein Rekord!

Siiri Reimann und Anu Pink hielten die ersten Vorträge;  AnuPink gab eine Einführung in estnisches  Stricken und stellte ihre Doktorarbeit über die 30 verschiedenen Sockenkonstruktionen, die in Estland vorkamen, vor,  Siiri Reimann refererierte über  Haapsalu Spitze.

Wer dann noch nicht genug hatte, nahm einen letzten Trunk in der  "Knitting Lounge" im Café Layk. Ich habe das nicht immer geschafft...

In den nächsten Beiträgen gehe ich dann intensiver auf die Vorträge und Workshops ein; wir verbringen zwar gerade ruhige Tage in Kuressaare auf der Insel Saaremaa, aber die Tage sind trotzdem ausgefüllt. Ich beschäftige mich mit den Besonderheiten der Ruhnu-Handschuhe und habe einige Zeit gebraucht, die vor dem Strickstück liegende horizontale Borte zu üben. Und dann musste ich auch das Bündchen neu beginnen, 96 Maschen mit Nadelstärke 1.25 - das ist zu knapp für meine schmalen Gelenke.

Heute, am 3 Juli, habe ich noch eine Verabredung in Riina Tombergs Werkstatt, ich bekomme ein neues Kleid!

Ich habe ja schon im vorigen Beitrag auf den Fernseh-Bericht hingewiesen. Nun kann ich ihn auch einbinden.

Es ist ein Bericht in estnischer Sprache, aber man sieht die verschiedenen Workshops und die Teilnehmer, bekommt einen Eindruck, was wir hier alle so erleben und lernen. Traurig aber ist, daß das hinter dem jugendlichen Moderator mit dem zu engen Jäckchen eingeblendete Hintergrundbild dickes Garn mit dicker Nadel zeigt, also keinen Bezug zum nachfolgenden Inhalt hat, nur der eingeschränkten Vorstellungskraft des Bildredakteurs entspringt.