Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Ich mag das holländische Magazin Textiel Plus, weil es viele Informationen zu Textilkunst, Ausstellungen, Künstler bringt, die ich sonst nicht bekomme. Und beim Stöbern durch die Infos zur neuen Ausgabe habe ich auch mal wieder im  Webshop geblättert, dort werden so viele verlockende Bücher aus den Bereichen Design, Textilkunst, Kultur angeboten, daß es eine Freude ist. Ich habe schon einige Anregungen dort erhalten und die Bücher dann bestellt. Mir gefällt, daß auch etwas ältere Design-Bücher dort zu finden und zu bestellen sind.

So zum Beispiel Radical Lace & Subversive Knitting von David Revere McFadden, dem Chef-Kurator des Museum of Arts & Design, New York.  Der Katalog der Ausstellung, die 2007 gezeigt wurde, ist sehr umfangreich und zeigt die Arbeiten vieler Künstler. Wenn auch viele Rezensenten den Titel bemängeln, weil so viel Spitze ist ja gar nicht dabei, ich habe in dem Buch viele interessante Arbeiten gesehen, aus einer Zeit als Textile Art noch nicht als Brutstätte des Yarn Bombing diente ;=) Wenn ich mir so etliche Zeitungsbeiträge oder Blogbeiträge aus den vergangenen Jahren anschaue, dann haben die Vertreter des YarnBombing den Bereich des Künstlerischen doch recht impertinent und selbstsicher für sich in Anspruch genommen.

Bei dieser Ausstellung begegnen uns auch bekannte Künstler wieder. Freddie Robbins  und Dave Cole (das ist der Mann, der mit zwei Kränen Fahnen strickt).

Auf der Seite von studio international findet sich eine gute Rezension dieser Ausstellung und: da ist er wieder: Der gestrickte Mann!

Freddie Robbins: Craft kills

Freddie Robbins: Craft kills

Und so bin ich doch wieder auf weitere Webseiten gekommen, habe mich von Links zu Freddie Robbins treiben lassen und wieder viele interessante Arbeiten von ihr gefunden.

Und bei der University of Southampton bin ich wieder einmal vorbeigekommen. Die Referenzbibliothek dort und die Sammlungen sind schon sehr beeindruckend.

So beende ich diesen etwas unorganisierten Beitrag, bereite mich mental auf das Apfelpflücken heute, wenn der Nebel verflogen ist, vor und stricke bis dahin noch ein wenig an einem Socken mit ebenso unorganisierten Mustern weiter...

Freddie Robins ist eine Textilkünstlerin aus Großbritannien, die in ihrer Arbeit Kunst, Handwerk und Design zusammenbringt. Sie erforscht das Bedeutungsfeld "Stricken" in allen Facetten, sei es in Hinblick auf geschlechtsspezifische oder historische oder technische Facetten. Und das macht sie mit Humor und Grusel.

Freddie Robins: Knit a work of art!

Die Conrad-Handschuhe von Freddie Robins, Screenshot von der Museums-Seite

Ihre Arbeiten werden in so  bedeutenden Museen  und Galerien wie das Victoria- and - Albert Museum oder der Saatchi-Galerie gezeigt. Im Kunstmuseum Wolfsburg beteiligte sie sich an der Ausstellung mit dem schönen Titel "Zwischen Haut und Kleid". Hier auf der Wockensolle habe ich schon ihre Daumenlutscher-Handschuhe vorgestellt. 

Mich fasziniert ihr Projekt "The Perfect". Sie leidet nach eigener Aussage an ihrer Sucht nach Perfektion. Im Projekt "The Perfect" geht es genau darum: Sie setzt Technologie ein, die mit größtmöglicher Perfektion Kleidungsstücke mit geringstmöglichem Abfall, Verschnitt und ohne manuelle Eingriffe verfertigen kann. Ihre gestrickten Multiples wurden mit einer japanischen Industrie-Strickmaschine erstellt, die dreidimensionale nahtlose Kleidungsstücke produziert.

Tja, und so erstellt sie diese erschreckenden oder erschreckten Strickmenschen. Einer trägt auch eine Losung auf dem Bauch:  Craft kills / Handwerk tötet.

Fast als ob man einem alten Indianer ins Gesicht schaute ;=)


Vorschläge für eine Reise zu Freddie Robins Arbeiten im Netz:

oder: Knit a work of art from a free pattern

Heinrich Hoffmann: Struwwelpeter

Die Geschichte vom Daumenlutscher, aus: Heinrich Hoffmann: Struwwelpeter.
Die ganze Geschichte: Projekt Gutenberg

»Konrad,« sprach die Frau Mama,
»ich geh aus und du bleibst da.
Sei hübsch ordentlich und fromm,
bis nach Haus ich wieder komm.
Und vor allem, Konrad, hör!
lutsche nicht am Daumen mehr;
denn der Schneider mit der Scher
kommt sonst ganz geschwind daher,
und die Daumen schneidet er
ab, als ob Papier es wär.«

Fort geht nun die Mutter und
wupp! den Daumen in den Mund.

Bauz! da geht die Türe auf,
und herein in schnellem Lauf
springt der Schneider in die Stub
zu dem Daumen-Lutscher-Bub.
Weh! jetzt geht es klipp und klapp
mit der Scher die Daumen ab,
mit der großen, scharfen Scher!
Hei! da schreit der Konrad sehr.

Als die Mutter kommt nach Haus,
sieht der Konrad traurig aus.
Ohne Daumen steht er dort,
die sind alle beide fort.

Ja so geht es, wenn man nicht hören will. Wer abgestumpft ist durch tägliche Tatort-Wiederholungen und den Schmerz durch bloße Lektüre nicht nachempfinden kann, dem kann jetzt geholfen werden. Freddie Robbins hat wirklich empathische Handschuhe gestrickt und die Anleitung dazu frei ins Netz gestellt. Das Pattern ist auf der tollen Stricken-Seite des Victoria and Albert Museums in London zu finden.

Freddie Robins: Knit a work of art!A

Die Conrad-Handschuhe von Freddie Robins, Screenshot von der Museums-Seite

Do I fit in? Freddie Robbins
Freddie Robins
hat auch das übergrosse Etikett "DO I FIT IN" gearbeitet, das im Ausstellungsprojekt Naughty Knitting gezeigt und hier auch schon vorgestellt wurde. Sie bezeichnet sich als "anarchic knitter", als eine Strickerin, die Dinge abseits von Mode oder Funktion herstellt.


Der Struwwelpeter beim Project Gutenberg. | Freddie Robins Webseite | Interview mit Freddie Robins | Die Anleitung Knit a Work of Art from a Free Pattern | Stricken auf der Seite des Victoria - Albert Museums London

Als Gruß an mich sehe ich diese ihre Arbeit:

Freddie Robins: Connie

Freddie Robins: Connie
Screenshot