Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843
Nun also die Fahrt nach Ruhnu, der kleinen Insel im livischen Meerbusen...

Ruhnu macht es den Besucherinnen und Besuchern nicht leicht. Bei meinem ersten Versuch, 2018, ging die Fähre schon am zweiten Tag der Sommersaison kaputt und konnte nicht repartiert werden, beim zweiten Versuch, 2019, war unsere Unterkunft überbucht und es ging wieder nicht.

Aber letztes Jahr, 2022, schien der "Fluch von Ruhnu" nicht zu wirken, Pat und ich konnten von Saaremaa aus übersetzen und wundervolle Tage verbringen.

Warum also sollte es dieses Jahr nicht wieder möglich sein? Zu viert reisten wir an und standen erwartungsvoll am Kai von Munalaid, als die Fähre einlief und die Passagiere das Boot verließen. Aber die Crewmitglieder setzten ernste Gesichter auf, ließen niemanden an Bord und dann kam auch die Hiobsbotschaft: Die Fähre kann nicht auslaufen, ein technischer Defekt, irgendwo lief Wasser in das Boot und es schien keine Reparatur möglich zu sein.

Anlegemanöver der regulären Fähre
Welche Enttäuschung! Und die Suche nach Alternativen... ich erinnerte mich an die nahegelegene Insel Manija, die ich bei einem der Ausflüge des CraftCamps schon einmal besucht hatte und daß es dort auch eine Herberge geben sollte. Ja, es gäbe noch freie Plätze auf dem Hof "Riida Talu", die Wirtin käme auch am Abend vom Festland auf die Insel und wir könnten das klären.
Und so kam es auch, wir setzten mit der kleinen Fähre nach Manija über und wurden per Traktor-Anhänger zum Ferienhof gebracht.

Die Tage dort waren überschattet von dem Wunsch, doch noch nach Ruhnu zu kommen. Auch wenn wir die Schönheit dieser Insel und die Gastfreundschaft der Wirtin Ülle genoßen, immer stand die Frage, ob wir es schaffen könnten, im Raum. Als es dann möglich schien, konnten nur Pat und ich die Weiterreise dorthin planen, unsere beiden anderen Freundinnen hatten nicht mehr genug Zeit. Die geplanten Workshops waren auch nicht mehr möglich, denn Külli, unsere "Lehrerin", hatte keine Zeit mehr für uns, sie war an der Organisation des Violinfestivals auf Ruhnu beschäftigt, welches hoffentlich auch würde stattfinden können...

Die Fähre war noch immer nicht repariert, ein kleines "Ersatzboot" war avisiert und wir wurden darauf "gebucht" : two elderly ladies who do not speak Estonian but really want to go Ruhnu ...

Und wieder konnten wir nicht fahren - starker Wind machte die Überfahrt unmöglich - am vierten  Tag dann aber klappte es. Wir wurden nach Munalaid zurückgebracht, mit einem Zwischenstopp am Manija Museum (ein schönes EU-LEADER-Prohekt), und wir freuten uns als das "Ersatzboot" einlief - auch wenn die Ankündigung "It will be a hard drive" nichts Gutes ahnen ließ...

Das "Ersatzboot" läuft ein
Alle wollen nach Ruhnu
Nach einer weiteren Wartezeit (der Tankwagen zum Betanken des Bootes war nicht gekommen), wurden alle Koffer und Gepäckstücke in einer Ladeluke untergebracht und wir durften an Bord. Eine kleine Kajüte, die nicht alle 15 Passagiere fasste, bot uns und vier weiteren Passagieren Schutz, die anderen Passagiere blieben auf dem offenen Deck. Der sympathische Kapitän machte uns Mut, forderte alle auf, nocheinmal zur Toilette zu gehen, die Reise würde dauern... und dann stachen wir in See. Und los ging es - starker Wind, starke Wellen, das Boot tanzte wie ein Rummelplatzkarussel, und nach einer Stunde und Zwischenstopp im Hafen von Kihnu zum Auftanken, ging es weiter.
Das Ersatzboot im Hafen von Munilaid
Trost nach der Überfahrt

Ein Höllentrip! Das Schiff tanzte auf den vier bis fünf Metern hohen Wellen, schlug hart auf, die Wellen brachen sich über dem Boot, selbst durch die Lüftungsklappen kam Seewasser in die Kajüte - da half nur stoisches Ergeben und der Griff nach einer der Kotztüten, die bereit lagen.
Ein Passagier nach dem anderen wurde grün und grüner im Gesicht, ich schloß die Augen und hoffte auf ein Ende dieser Höllenfahrt.
Abends um 22:00 liefen wir erschöpft im Hafen von Ruhnu ein, sieben Stunden Fahrt lagen hinter uns, sieben Stunden, die wir wohl so bald nicht vergessen werden.

Luise, unsere Gastgeberin, umarmte uns herzlich, die Koffer wurden an Land gebracht, wir waren gerettet!

Das "Saunahaus" stand für uns bereit, und nach einer Kanne Tee und zwei Piroggen, die uns Luise brachte, fielen wir in tiefen Schlaf.

Pat and ich waren endlich angekommen!

So konnte ich meinen Geburtstag wie erhofft auf Ruhnu feiern, auch wenn ich feststellen musste, daß alles in meinem Koffer durchnäßt war und gewaschen werden musste.

Aber es wurden noch fünf wunderschöne Tage, wir feierten am 22. Pats Geburtstag und nachträglich auch meinen mit einer Kaffeetafel, "Cheese Cake with Berries", ein Traum!

Marion, eine Festivalbesucherin, spielte zu einem Geburtstagsständchen auf und die Sonne schien

Geburtstagskuchen

Wir ruhten uns aus, erholten uns, freuten uns, strickten, ich wusch die Wäsche und fand auf einem Baumstumpf einen wunderhübschen Schleimpilz, der ja eigentlich kein Pilz ist.
Wikipedia kann das besser erklären als ich.

Slime mold - "Schleimpliz"

Ja, Ruhnu ist wunderschön! Und tut gut, auch wenn die Insel es den Besuchern schwer macht.

Zum Abreisetermin dann war die Fähre repariert und wir boten all unser Vertrauen auf, schoben unsere Koffer durch strömenden Regen zum Bus, betraten die Fähre und landeten nach rund zwei Stunden auf der Nachbarinsel Saaremaa.

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Ein Treffen mit Erika Pedak, (VillaVolli), der Filzkünstlerin, am Busbahnhof von Kuressaare war zeitlilch noch "drin" bis wir per Bus nach Tallinn reisten.

Wir absolvierten nur ein kurzes Besuchsprogramm in Tallinn: einmal zu  Karnaluks, zu den Buchläden Apollo und Rahvaramaat, dann packte Pat ihren Koffer und reiste heute Nacht  ab, nach fünf  gemeinsamen Wochen zurück nach Denver. Ich fahre heute nachmittag gegen 15:00 nach Riga...

Das vierte Kapitel meiner Reise liegt nun hinter mir, es war aufregend, kräftezehrend und wunderbar!

Nun zum zweiten Teil des Reiseberichts, die mich nach dem Aufenthalt auf Saaremaa nach Ruhnu führte. Den ersten Reiseabschnitt  (Lettland, CraftCamp, Saaremaa, habe ich in einem früheren Beitrag schon kurz vorgestellt.
Nun also, nach der krankheitsbedingten Unterbrechung, geht es auf die Insel Ruhnu im Golf von Riga. Eine Insel, die eigentlich nicht weit von der lettischen Küste liegt, deren Bewohner sich aber für die Zugehörigkeit zu Estland entschieden haben.

Nach Sue's und Carols' Abreise von Saaremaa wartetet ich auf meine Freundin Pat aus Colorado, Wir hatten uns verabredet, nach Ruhnu zu fahren und danach weiter nach Lettland.
Ruhnu - ein Reiseziel, das so lange unerreichbar schien (meine bisherigen gescheiterten Versuche dorthin zu gelangen, habe ich ja schon mehrfach geschildert und beklagt.)

Diesmal sollte es gelingen, bei trübem Wetter setzten wir von Roomassaare nach Ruhnu über, mit einigem Geschaukel und grauem Himmel. Am Hafen wurden wir abgeholt und in unser Quartier auf der Liise-Farm gebracht.

In späteren Beiträgen werde ich noch intensiv auf alles das, was die wunderschöne Insel Ruhnu bietet, eingehen, aber ersteinmal einige Bilder zur Einstimmung!

Fünf herrliche Tage verbrachten wir hier, stromerten über die Waldwege, strickten, besuchten das Museum, besuchten den geselligen Nachmittag in Külli Vähe's Meisterwerkstatt bei der Bibliothek, genossen die Sicht auf das Meer und faulenzten.
"Are you the knitting ladies?" - bald waren wir auf der ganzen Insel bekannt.

Was dieses wunderschöne Eiland zu bieten hat, davon werde ich später intensiver berichten, das habe ich ja schon zugesagt. Im nächsten Beitrag wird es ersteinmal um den Bericht vom letzten großen Highlight meiner Reise, der Strickreise in die lettische  Provinz Latgale gehen!

Der Platz an der Tallinn Straße mit dem Waagehaus

Der Platz an der Tallinn Straße mit dem Waagehaus

Die nächsten Tage verbrachte ich auf der Insel Saaremaa, in Kuressaare. Der größte Ort auf der Insel ist ein idealer Ausgangspunkt für Ausflüge auf der großen Insel, hat eine imposante Burg, wo auch das Stadtgeschichtliche Museum untergebracht ist und bietet viele Handarbeitsgeschäfte, einen gutsortierten Buchladen, kleine Cafés und noch mehr. Ich war schon einige Male hier, zuletzt vor zwei Jahren auf der Rundreise nach dem CraftCamp.

In Kuressaare ist auch Riina Tomberg zuhause, im Erdgeschoß ihres Hauses ist das Atelier untergebracht, in dem ich nun wieder etliche Stunden verbrachte. (Dazu später mehr).

Die Stadt ist recht belebt, denn wie wir schon andernorts bemerkt hatten, machen viele Esten dieses Jahr Urlaub im eigenen Land und gleichen so die Verluste durch das Ausbleiben vieler ausländischer Touristen aus.

Seit meinem letzten Aufenthalt hat sich einiges verändert. Der Platz vor dem Rathaus an der Tallinn-Straße wurde umgestaltet, nun steigen Fontänen aus dem Straßenpflaster auf und viele Sitzbänke laden zum Ausruhen ein.
Und in dem Gebäude am Marktplatz, in dem vor einigen Jahren das leider nicht weitergeführte "KnowSheep Project" untergebracht war, ist jetzt eine Sushi-Bar. Das nennt man Globalisierung und das ist nicht immer gut.

Im Markt von Saaremaa ist jetzt ein Sushi-Restaurant

Die Südspitze der Insel mit dem kleinen Ort Sääre und dem Leuchtturm Sõrve kannte ich noch nicht. Die Ortschaft und den Hafen gibt es nicht mehr, dafür den zweitältesten Leuchtturm Estlands, der erst nach dem zweiten Weltkrieg seine heutige Form erhielt. Etliche Gebäudereste erinnern an der Landspitze noch an die Besiedlung, ansonsten ist es hier öd und leer. Ein großer Himmel spannt sich über dem Wasser und man vermeint fast, bis nach Ventspils / Kurland in Lettland blicken zu können.
Doch so leer ist es aber doch nicht. Es gibt neben dem Leuchtturm eine Vogelwarte, einige Souvenirstände und vor allem: ein schönes Restaurant, wo ich endlich wieder eine Kama-Creme als Dessert genießen konnte, sehr sehr lecker mit Rhabarber-Kompott!

 

Nach der Einkehr ging es wieder nach Norden, jetzt aber an der westlichen Küste der Halbinsel. Riina zeigte mir besondere Orte, deren Namen ich vielleicht schon einmal im Zusammenhang mit einem Handschuhmuster gehört oder gelesen hatte, die ich aber noch nicht kannte. Der erste Halt dann: Ohessaare Pank.

Pank = ein felsige Küste, ein Kliff

Und an diesem Kliff gab es etwas Besonderes: Das Ohessare-Windmühlen-Sommer-Café, ein Open-Air-Café mitsamt einer Mühle, in der man auch übernachten kann = also eine richtige Kaffee-Mühle!
Die Inhaberin des Cafés ist eine Bekannte von Riina und so gab es einen kurzen Plausch und ich konnte das Saaremaa-Kostüm der Inhaberin bewundern, das sie in ihrem Cafè zeigt.

Die (Kaffee-)Mühle am Meer

Mir gefiel es hier sehr, ich kann mir sogar mal einen Strick-Ausflug hierhin vorstellen, gemütlich auf so einem alten Bettgestell in der Sonne sitzen, Kaffee trinken, stricken und plaudern - das hätte was. Vorausgesetzt die Sonne scheint.

In der Kirche von Mustjala

Nach einem Stopp und der Besichtigung der Kirche von Jämaja und einem Gang über den direkt an der Ostsee gelegenen Friedhof wollten wir das Farm-Museum in Mikhli besuchen; aber das war erstaunlicherweise an einem Sonntag geschlossen. Nun denn, ich kannte das Museum ja schon, aber schade wars.

Pech hatten wir dann auch in Mustjala, dem Ort, an dem die Trachten-Schürzen Querstreifen zeigen und keine Längsstreifen, dem Ort von dem die wunderschönen Strümpfe und Hochzeits-Handschuhe stammen. Aber hier war die Galerie auch geschlossen. Eigenartig, im Sommer, in der Hochsaison...

Nun ja, wir besichtigten die aus dem 17. Jahrhundert stammende Annen-Kirche; eine Mischung aus Gotik, Romantik und Neo-Gotik, mit einer schönen Orgel. Ich kann mir Orgelkonzerte beim alljährlichen Mustjala-Festival (im Juli) gut vorstellen.

Ein ganz besonderer Gedenkstein ist in dieser Kirche zu sehen: er ist in kindlicher Liebe dem Andenken an einen Pastor gewidmet, Johann Gottlieb Kleiner, der im August 1786 in der Ausübung seines schönen Berufes während der Predigt starb. Gerade mal 40 Jahre alt wurde er, seine Gattin Hedwig Louise, geborene Hirschhausen, wurde nicht älter als 28 Jahre.

Ohessaare Mühle

Auch wenn das Museum in Mikhli und die Galerie in Mustjala geschlossen waren, habe ich doch viel gesehen an diesem Tag. Und Riina war eine kundige Führerin über die Insel.

Nur warum wir so oft vor geschlossenen Türen standen (auch am Tag zuvor in Töstamaa und in Liiva auf Muhu waren die Gaststätten geschlossen), daß wir unsere Tour "Closed Door Weekend" nannten, das finden wir vielleicht nie heraus.

Zum Schluß dieses Berichtes noch ein Bild von der Müllerin in der Mühle in Ohessaare, im nächsten Beitrag berichte ich dann vom Besuch im Archiv des Museums von Saaremaa und den interessanten Tutt-Mützen, die ich dort zu sehen bekam.

Nach Estland und in Estland kann man gut mit dem Bus reisen, aber ich hatte etwas Pech: Für die Fahrt von Riga nach Tartu hatte ich für den Umstieg in Pärnu eine halbe Stunde eingerechnet und das reichte nicht, denn schon kurz nach Riga machte der Busfahrer einen längeren Stopp und hinter der estnischen Grenze wurde der Bus angehalten und Polizisten kontrollierten die Papiere, aber mein Personalausweis und der Covidpass waren in Ordnung. Der Anschluss-Bus aber in Pärnu war schon weg... also noch eine Karte kaufen und dann gings über Land. In Viljandi wurde mir doch wehmütig ums Herz, warum nicht hier aussteigen und am CraftCamp teilnehmen? Ach, diese verdammte Pandemie, die schönen Dinge leiden am meisten... und immer wieder tröste ich mich: "Nächstes Jahr... dann aber auf jeden Fall!"

Nun denn, in Tartu fand ich Unterkunft im finnisch-estnischen Gästehaus unter dem Dachjuhe und genoß trotz der gruselig-steilen Treppen mein hübsches Zimmer und den Ausblick aus dem Dachfenster auf das kleine gemütliche Häuschen. Ich spazierte durch die Stadt, lachte über das Radfahrverbot für Katzen und trotzte dem grauen Himmel.

Das Ziel meines Aufenthaltes in Tartu war, wie schwer zu erraten, der "Researchers`Room" im Estnischen Nationalmuseum (ERM). Schon letztes Jahr hatte ich eine Liste mit Objekten zusammengestellt, die ich gerne sehen und studieren wollte, aber daraus wurde damals nichts. Jetzt  aber lagen die Kartons mit den Objekten der Begierde vor mir auf dem Tisch: noch einmal die 2 blauen Musterstreifen von Reet Kurrik (einen davon habe ich ja schon nachgearbeitet), ein weiterer Sampler und einige wirklich bizarre Handschuhfetzen sowie das kleine Fragment der Original-Handschuhe von Barclay de Tolly (dazu gibt es zwei ältere Beiträge hier auf der Wockensolle: Im Reseachers Room I und Im Researchers`Room II) und dann noch drei winzige Müsterchen. Jedes der Objekte trägt ein Leinenetikett mit Archivnummer und Herkunftsangabe.
ERM Research
Ich habe zum Vergleich meinen Musterstreifen / Proovilapp mitgebracht und beide nebeneinander gelegt. Meine Wolle ist dicker als das Originalgarn, deshalb ist mein Streifen größer und ich habe zwar nicht die Musterreihenfolge fest eingehalten, aber alle Muster gestrickt. Diesen Winter werde ich dann wohl die anderen Musterstreifen auch noch stricken, aber erst einmal muß ich dafür die Muster nachzeichnen.

Die anderen Objekte zeige ich in der nachstehenden Galerie:

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Am letzten Tag in Tartu traf ich mich noch mit Mathilde Frances Lind, die schon seit nunmehr drei Jahren in Estland lebt und an ihrer Doktorarbeit sitzt. Wir kennen uns vom Craft Camp und es tat uns gut, uns in angenehmer Athmosphäre im Hof des weltberühmten Café Werner zu unterhalten. Und dann kamdie Meldung in Facebook, daß Mathilde nun zum zweiten Mal mit der "Estophilus Scholarship" der Archimedes Foundation für Ihre Studien ausgezeichnet wurde. Herzlichen Glückwunsch, Mathilde!
Und dann fuhr ich schon wieder zurück an die Westküste. Eine Übernachtung in der hübschen Stadt Pärnu, in einem romantischen Holzhaus-Hotel, dem Koidula-Park-Hotel, benannt nach dem Koidula-Park, der nach der Dichterin Lydia Koidula benannt ist, Ein hübscher Park, dominiert von dem Denkmal für diese interessante Frau.
Hier habe ich einige Zeit in der Sonne gesessen, habe ein wenig Inlay-Technik-Stricken geübt und vor mich hingesummt.
Pärnu Koidula Park
Den Abend beschlossen habe ich mit einem Gang durch die Budenstrasse der "Zunfttage von Pärnu", die von der Maarja-Magadalena-Gilde organisiert werden. Kunsthandwerk: Holz, Leder, Keramik, Naturkosmeti, Wurst und Honig, Weberei - groß war das Angebot aber für mich war nichts dabei.
Amüsiert habe ich ich über die lustigen Schweine und Busen, aber sowas paßt nun wirkllich nicht ins Fluggepäck. der Musik, leichtem Sommerpop, habe ich dann einige Zeit gelauscht.

Und heute morgen eine kurze Stippvisite ins Uue Kunsti Muuseum / Museum of New Art, dort läuft zur Zeit eine Ausstellung zum Thema "Mann und Frau - die Kraft und der Geist der estonischen Frauen" und eine Foto-Ausstellung. Irgendwie habe ich nie genug Zeit für dieses Museum, aber dieses Mal habe ich wenigsten einen kleinen Einblick nehmen können.

Einer der Gründer und heutiger Vorstand ist der umtriebige Dokumentarfilmer Mark Soosaar, der auf der kleinen Insel Manija lebt und auch ein Filmchen über das Leben dort in den Zeiten der Quarantäne gedreht hat. Mark Soosaar trägt immer einen Kihnu-Pullover und in diesem Film ist sogar noch eine ganz spezielle Kihnu-Mütze zu sehen. Die muss ich mir nochmal genauer anschauen!

 

KRANTIIN/QURANTINE 2020

This video is about COV-quarantine on Manija Island in Estonia. The community of 30 souls spent two month in virus free paradise. Only one lamb was born with a mask. Thanks to quarantine a miracle took place: the little Kiisu was born from marriage of the sheep Oinar and goat Kammu.
Be healthy and wealthy!
Mark Soosaar,
the author of short doc Quarantine

Und dann holte mich heute mittag Riina in Pärnu ab und wir fuhren langsam auf die Insel Saaremaa. Gemächling ging es auf über Land mit einem Stop im Handarbeitsgeschäft von Töstamaa, einem Geschäft, das mir schon von einem CraftCamp-Ausflug in guter Erinnerung geblieben war. Und wie verführerisch lockten die Angebote. Wer mich kennt, weiß dass ich nicht widerstehen kann. Nein, keine der schönen Handschuhe, die waren mir zu klein, aber ein Paar Daumen-Stulpen, allerfeinst gestrickt mit Schlaufenbündchen und Roositud - Inlay-Muster. Wer mehr darüber wissen möchte, klicke hier!

Die nächsten Tage werden auch wieder aufregend, ich freue mich auf die Zeit mit Riina Tomberg!

Wie schon im letzten Beitrag geschrieben, waren wir auf Vormsi im Elle-Malle Pensionaat untergekommen und das war ein Volltreffer. Die Wirtin Elle-Malle ist absolutely (ihr englisches Lieblingswort) kommunikativ und inselkundig.
Sie lebt seit ihrer Zeit als Forstarbeiterin auf der Insel und betreibt die älteste Unterkunft hier (seit 1994): das Gästehaus mit Frühstücksraum, Antiquitätenkeller und Sauna, dann mehrere Bungalows im Wald, eine Ferienwohnung im 1. Stock eines Wirtschaftsgebäudes, Gästezimmer in der alten Mühle und dann die Wiese als Campingplatz. Es gibt eine Feuerstelle und Sitzgruppen im Freien, das Gemüse und Obst stammt alles aus dem eigenen Anbau (absolutely bio) und man kann Fahrräder ausleihen, davon möchten wir allerdings abraten, die Räder hatten wohl das gleiche Alter wie wir Reisende...

Einige Informationen:
Das Elle-Malle Gästehaus bei VisitEstonia.com

Elle-Malles Kontakt:

ellemalle@gmail.com
☏  +372) 564 72854 
+ (+372) 473 2072

 

 

Neben all der Arbeit mit der Beherbung arbeitet ihr Mann auch als Fremdenführer, spricht allerdings kein Englisch und ich musste mich mit meinem knappen Russisch schon anstrengen. Aber Kommunikation gelingt immer wenn man möchte!

I am also a knitter - dies schrieb sie mir schon in einer der ersten eMails und wenn das so ist sind wir ja bei ihr richtig! Gleich am ersten Morgen zeigte sie uns einige von ihr gestrickten  Socken, Handschuhe und einen Pullover. Später kramte sie dann ältere Stücke aus ihrer Sammlung hervor und erklärte sie uns.
Jedes ihrer Stücke hat seine eigene Geschichte, viele Exemplare wären ohne ihr Engagement einfach weggeworfen worden. Und auch Museen haben schon bei ihr nachgefragt, ob sie die Pottmüts oder die Babymütze nicht vielleicht in die Sammlung geben könne, aber das wollte sie nicht. Dort sieht sie keiner und hier auf Vormsi kann sie die wertvollen Stücke ja vorführen und zeigen. Nein, später vielleicht gehen die Schätze ins Museum, aber jetzt hütet sie sie.

Mich interessierten ganz besonders ihre gesammelten alten Handarbeiten; viele davon hatte sie vor dem Wegwerfen gerettet. Heute würden diese überkommenen Dinge ja nicht mehr geschätzt, aber  vielleicht erinnert sich die nächste Generation an das Erbe? Und ab und an kämen ja auch interessierte Gäste zu ihr, denen sie das dann stolz vorführen könne.

ein Klick aufs Bild öffnet es in größerer Ansicht

Elle-Malle hat aber nicht nur Textilien gesammelt, im Keller des Hauses gibt es einen Ausstellungsraum vollgestopft mit alten Dingen: Geschirr, Bücher, Spielzeug, Werkzeug... alles zusammengetragen in vielen Jahren,
Und auch einige Souvenirs, Postkarten, Topflappen, schöne Knöpfe aus Bein - sie hat ein Auge für Qualität und ist geschäftstüchtig.

Dieses Gästehaus ist schon etwas ganz Besonderes und ich bin mir sicher, daß ich wiederkomme, es gibt viel zu schauen, zu lernen und bewundern - aber nicht nur hier, es gibt ja noch das Farm-Museum!
Das stelle ich im nächsten Beitrag vor.

Dem ZDF-Magazin "Heute in Europa" ist es heute wieder einmal gelungen, einen Beitrag zu senden, der mit allen abgedroschenen Klischees eingeleite wird, ein paar Stimmungsbilder zeigt, keine Fakten nennt (welche Universität? ) und dann zum Schluß etwas Werbung für ein StartUp betreibt.  Also wenig Hand und wenig Fuß, aber es geht um Handarbeiten.

Vorgestellt wird der Strickunterricht an der Kulturakademie Viljandi in Estland, ein Institut der Universität Tartu und den Wockensolle-Leserinnen sicherlich nicht unbekannt, bin ich doch jedes Jahr mindestens einmal dort und berichte auch davon hier auf der Wockensolle.
Es ist aber nicht erkennbar, ob die versammelte Stricker-Gruppe zum Ausruhen vom angestrengten Digitalen Leben zusammengekommen ist oder welchen Rang dieser Unterricht hat. Die renommierte Lehrerin Kristie Joeste wird nicht vorgestellt, ihre Aussage willkürlich zusammengeschnitten und dann ein kurzer Schwenk über die wunderbaren Handschuhe bevor zu einem Neuen Modelabel übergeleitet wird.

Die unvermeidliche Großmutter wird wieder anmoderiert, "zwei rechts zwei links zwei fallenlassen" darf auch nicht fehlen - einfallslos wie sonstwas ist diese Anmoderation, Klischees sind halt immer leicht zur Hand.

Aber kann man mehr von einem Magazin, auch wenn es vom Sender als Nachrichtensendung rubrifiziert wird, erwarten?
Nun schaut's Euch an, hier kommt der Ausschnitt aus der betreffenden Sendung, die noch bis zum 28.01.2020 online sein wird.

Aber schön ist ein VIljandi, der viele Schnee - das habe ich leider noch nicht erlebt. Als ich im WInter dort war, gabs nur ein wenig Puderzucker auf den Bäumen ...

Die Frühjahr - 2019 - Ausgabe des von mir sehr geschätzten Piecework-Magazinn kommt mit einer schönen Überraschung daher: auf dem Titelbild prangt ein Paar Pulswärmer unverkennbar estnischer Prägung, reißerisch angekündigt mit der Schlagzeile Knit Clever Colorwork from Estonia's Ruhnu Island.

Ein ausführlicher Artikel The Exceptional Knitting of Ruhnu || Everyday and Festive Garments und die Anleitung für das Paar Pulswärmer stammen natürlich von? na von wem wohl? Selbstverständlich von Riina Tomberg und Nancy Bush! Sachkundigere Autoren als diese beiden sind schwer zu finden.

 

Ich habe das Glück gehabt, schon mehrfach Seminare / Workshops von Riina Tomberg mitzumachen und habe von ihr die Techniken der estnischen Inseln Saaremaa, Kihnu und Ruhnu nahegebracht bekommen. Und letzen Sommer war ich ganz nahe an der Insel Ruhnu dran.. aber eben nur "ganz nahe"; denn aus unserer Woche auf der Insel wurde nichts, die Fährverbindung war zusammengebrochen.

Das Besondere der Ruhnu-Strickerei? Wenig Farben (naturweiß, dunkelblau, seltener rot), farbige Muster nur in Bündchen und an Halsausschnitten, der Rest ist in naturweiß gehalten, mit vertrackten wunderschönen Strukturmustern: OpenWork, Zöpfe, und vor allem die Travelling Stitches, einzelne Maschen, welche nach links oder rechts mit rechten oder auch linken Maschen gekreuzt werden.

Viele Handschuhe und Pullover sind hauptsächlich in den Museen in Schweden und Finnland erhalten, denn dorthin flohen die "Inselschweden" im 2. Weltkrieg und sie nahmen ihre Stricktraditionen mit. Aber auch in den estnischen Museen finden wir wunderschöne Exemplare.

Nun hatte ich mich im letzten Sommer an die Handschuhe von der Insel Ruhnu gewagt, deren Vorbild im Estnischen Nationamuseum in Tartu liegt (ERM A 509:5278). Anu Pink hat die Anleitung "Old Runö Gloves" erstellt und als PDFzum Download zur Verfügung gestellt.
An dieses Projekt habe ich mich gewagt, zuerst ein wenig die Muster geübt und gleich falsch begonnen, ich habe den weißen und den blauen Faden in der falschen Richtung verkreuzt. Zudem wurde das Strickstück bei einer vorgegebenen Maschenzahl (96M) mit Nadelstärke 1.25 viel zu eng für meine zarten Hände und ich bin zur Nadelstärke 2.0 gewechselt.

Ruhno ferryboat victim mittens habe ich dieses Projekt genannt und bei Ravelry eingestellt. Aber fertiggestellt habe ich diese Handschuhe dann nicht, das war wie  mit dem falschen Fuß aufgestanden...

Estonian National Museum, Collection: kindad, sõrmkindad,
ERM A 509:5278/ab
Eesti Rahva Muuseum, http://www.muis.ee/en_GB/museaalview/504457

Beim CraftCamp dann im Juli 2018 konnte ich einen neuen Ansatz wagen, denn Riina Tomberg gab einen Workshop zu diesem Thema.
Die Vorgabe für das Projekt war schon großzüger: 80 Maschen mit Nadel 1.5 und das Garn war auch ein wenig stärker.
Aber auch dieses Projekt habe ich (bisher) nicht vollendet. Ich habe bei den Travelling Stitches auf dem Handrücken einen Fehler gemacht und erst einige Reihen später bemerkt. Und mit meinen alten Augen kann ich das komplizierte Geflecht nicht so gut sehen, ich habe mir also eine Arbeitslupe besorgt, was auch eine Zeit dauert, und kann mich mit ihr nicht anfreunden. Einfach so aufribbeln möchte ich aber auch nicht...

Da kommt die Anleitung im Piecework-Heft doch gerade recht! Riina Tomberg ist eine sehr gute Lehrerin und kennt ihre Schüler, also hat sie zusammen mit Nancy Bush für das Magazin eine Anleitung mit 61 Maschen und Nadelstärke 2.0 erarbeitet.

Das macht es Anfängern (fortgeschrittenen Anfängern) leichter.. und ich werde erstmal diese Anleitung nacharbeiten, bevor ich mich das andere Projekt wieder aufnehme. Und vielleicht können wir ja dieses Jahr vor oder nach dem CraftCamp ein paar Tage auf Ruhnu verbringen, schön wärs!

Und hier noch einmal die Links:

Eine Reise ist zu Ende, oder war es ein Traum? Drei Wochen scheinen ewig zu dauern und doch enden sie viel zu schnell.
Der letzte Workshop geht zu Ende, am Freitagabend das Abschiedsdiner (diesmal mit Urkunden für Stammgäste und Craft-Botschafter), am Samstag ein schnelles Kofferpacken, den heruntergefallenen FIngerring unter dem Bett vorgeholt, die in den Workshops gestalteten  Arbeiten bei der Schluss-Präsentation ins rechte Licht gerückt, dann gab es die Diplome / Teilnahmebestätigungen und schon war alles vorbei - mit dem Bus nach Tallinn.

Der letzte Abend geriet dann noch sehr lecker, wir  (Claudia, Sue, Charlotte, Sim und ich) trafen uns zum Abschiedsessen im armenischen Restaurant SEWAN am Fährhafen in Tallinn, und am Sonntag flog ich dann heim.

Um das Urlaubsgefühl zu verlängern, gönnte mir Heinz, der mich in Berlin abholte, eine Fahrt durch Brandenburg und ein sommerliches Ausruhen am See in Fürstenberg an der Havel, das Restaurant am Yachthafen ist sehr zu empfehlen!

Aber so ganz war doch noch nicht alles vorbei: Uschi fuhr auf der Heimfahrt vom Craft Camp noch  in Riga bei Sena Klets vorbei und gab dort meine Geschenke für Maruta Grasmane ab und sie kam am montagabend bei uns in Gribow vorbei. Ein langer schöner Abend auf der Terrasse war der schöne Ausklang.

Ja, ich habe eine ganze Weile nicht geschrieben, aber auch im IT-affinen Estland klappt es nicht immer so mit dem Netz.... und deshalb nur eine kurze schnelle Zusammenfassung der letzen 2 Wochen:

  • nach der intensiven Woche des Nordic Knitting Symposiums, die ich selbstverständlich noch ausführlich beschreibe, und den vielen persönlichen liebenswerten Begegnungen ging es in unser "Ausweichquartiert" auf die Insel Saaremaa.
  • Die Fähre auf die Insel Ruhnu kann wohl nicht so einfach repariert werden, für die Menschen auf der Insel ein Riesenverlust, fällt doch die Hauptsaison ins Wasser... für uns fiel der geplante Workshop mit Külli Ustaal aus, aber vielleicht können wir das das nächste Jahr nachholen.
  • Wir haben zu unserer Freude eine liebenswerte Unterkunft in Kuressare gefunden, im Ovelia B&B und so verbrachten wir eine geruhsame Strickwoche, mit abendlichen Ausflügen in die Gastronomie. Auch das werde ich später ausführlich beschreiben, habe ich doch während dieser Tage intensiv Travelling Stitches nach Art der Ruhno Handschuhe geübt.
  • Nach der Woche ging es dann mit dem Bus nach Viljandi und von dort weiter nach Olustvere. Ich nehme zum 4. Mal am Craft Camp der Culture Academy Viljandi teil, das dieses Jahr zum 5. Mal stattfindet und ich habe einen wunderbaren zweitägigen Kurs bei Riina Tomberg genossen: Travelling Stitches.

80 Maschen / Nadeln Nr, 1.25 / Teksrena Wolle - das sind die technischen Angaben für diese Herausforderung,

Aber es ist gut, daß ich noch einmal neu angefangen habe und nicht das auf Saaremaa gestrickte Handschuhteil weiterstrickte, denn so habe ich den schönen Anschlag, den ich aus dem Gedächtnis nicht mehr parat hatte, wieder üben können.

Am Ausflugstag bin ich nach Tartu ins Estnische Nationalmuseum gefahren und habe die aktuelle Ausstellung der estnischen Trachten studiert (davon nachstehend zwei Bilder) und heute nahm ich am Workshop für Card Weaving / Bändchenweben teil, eine Technik, die sich mir langsam erschließt und die mich fasziniert (sie wird aber sicherlich das Stricken nicht ersetzen!).

Das ist eine kurze geraffte Zusammenfassung, mehr später, kurzes Fazit: Wunderschön und wunderbar, daß ich das erleben kann!

wie immer: auf die Bilder klicken für eine grössere Anzeige!

Eine bestickte Mütze aus Simuna im Nordosten Estland, 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts

 

Ein noch nie wahrgenommenes Muhu-Motiv: eine Kutsche, auf einer Schürze im Estnischen Nationalmuseum, Anfang des 20. Jahrhunderts