Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Es hat eine Weile gedauert, bis ich "Let's Knit in Kurzeme" dokumentiert habe, Auch im Ruhestand gibts viel Arbeit, viel zu tun und nicht immer war ich in Stimmung, meine wolligen Berichte fertigzustellen. Ich engagiere mich sehr in der Kulturpolitik bei uns im nordöstlichen Landkreis und in EU-Förderprojekten, das geht oft auf Kosten anderer Pläne und fordert viel Kraft, denn aufs Ehrenamt wird hier im ländlichen Raum gerne abgewälzt, was eigentlich Aufgabe der Öffentlichen Hand ist. Strukturpolitik? Kulturpolitik? Fehlanzeige.
Für die große Politik ist unser Vorpommern der ideale Ort für Schweinemastfabriken, Güllelager, Windräder (und nun drängt sogar noch ein irrelaufender Ingenieur ein Atomendlager in die Diskussion). Wir Bewohner stören nur. Die zermürbt man lieber mit Bürokratiewahnsinn und unhaltbaren Anforderungen bei Förderanträgen usw usw usw.

Genug geklagt. Aber das muss ich auch mal hier schreiben. Es ist ja nicht so, daß ich nur im Grünen sitze, Störche und Rehe auf der Wiese beobachte und stricke. Nein. Ich fühle mich im Moment doch sehr zerrieben.

Und deshalb tut mir die baltische Strickerei so gut, es ist herrlich mitzuerleben, wie die Menschen in Lettland und Estland stolz sind auf ihre Traditionen und Kultur, und welche Schönheit sie pflegen und weitergeben.

Also beende ich diesen Prolog und komme zum letzten Tag des Projektes "Let's Knit in Kurzeme".

Der letzte Tag dieser wunderbaren Strick-Woche war eigentlich nur ein halber Tag, denn es ging zurück nach Riga mit einem Zwischenstopp im wunderschönen Kuldiga (Goldingen).

In Liepaja hatten wir in unserem Hotel immer viel Spaß mit dem Hinweistext im Lift, der zu vielerlei Deutungen Anlaß gab.

"It is forbidden to behave in an autocratic way"

lautete die Vorschrift und wir zerbrachen uns den Kopf, Pat bezeichnete dies als Lost in Translation ;=) Aber so ein Lift hat auch seine Ehre und so rächte er sich an uns, am Freitagmorgen blieben einige von uns doch tatsächlich mit ihm stecken und wir konnten erst 20 Minuten später Liepaja verlassen... soviel zum "autocratic way" :=)

In Kurland

Ein großer Himmel wölbt sich über Kurland und es ist eine Freude durch dieses schöne Land zu fahren.

In Kuldiga war noch ein Workshop geplant, Jolanta Medina vom Museum in Kuldiga erwartete uns. Das Museum in Kuldiga liegt erhoben auf einem Hügel über dem berühmten Wasserfall von Kuldiga, der zwar nicht hoch, aber sehr sehr breit ist.

Wasserfall in Kuldiga

Der breiteste Wasserfall Europas...

Ein sehr verlockendes Angebot... aber wir hatten Anderes vor

Jolanta Medina war schon letztes Jahr beim Knitting Camp in Strazde dabei und hat uns besonders schöne Exemplare aus dem Bestand des Museums gezeigt. Heute lag der Schwerpunkt ihres Vortrags auf der Tradierung der alten Muster. Sie leitet auch die Handarbeitsgruppe Čaupe, und ließ uns in einem großen Korb mit Handschuhen stöbern, die allesamt anläßlich der diesjährigen Veranstaltung Satiec savu meistaru (Treffe deine Meister) gestrickt wurden.

Eine Bildergalerie zu dieser Veranstaltung gibt es auf der Museumsseite und natürlich spielt das Handschuhbuch eine Rolle.

Denn viele der Handschuhe in diesem Buch stammen aus der Sammlung des Museums von Kuldiga.

Nach dem Workshop blieb noch ein wenig Zeit für einen Spaziergang durch die schöne Stadt Kuldiga und ein Abschiedsmittagessen in einem Restaurant an der Hauptstrasse.

Der Ort hat eine reiche Geschichte und ein berühmter kurländischer Herzog, Jakob Kettler, brachte Handwerk und Wohlstand hierher. Er führte den Schiffsbau ein und gründete kurländische Kolonien in Gambia und auf Tobago.

Maruta Grasmane mit dem neuen Schal

Maruta Grasmane freut sich über den schönen roten Haapsalu-Schal, den ihr Kaidi-Kätlyn geschenkt hat.

Kaidi-Kätlyn aus Tallinn strickt diese feinen Schals und Tücher in atemberaubenden Tempo, Hut ab!

Und damit ging das Erlebnis "Let's Knit in Kurzeme" zu Ende. Es waren wunderbare Tage mit einem dichten Lernprogramm, viel Freude, einer tollen Gruppe und ich möchte den Organisatoren, Ziedite Muze und Ansis Grasmane von Sena Klets, meinen Dank zollen.

Am 7. September startet der nächste Kurs, und ich kann ihn nur empfehlen! Wer immer kann, sollte sich das gönnen!
Das Anmeldeformular und weitere Infos findet man auf der Webseite von Sena Klets.

Und ich starte heute abend nach Berlin, morgen fliege ich nach Riga, und ein neues Abenteuer startet:

Mit Sue, Christiane und Ewa geht es von Riga nach Limbazu (Wolle!), auf die Insel Kihnu, nach Muhu und Saarema und über Haapsalu nach Tallinn. Und von dort geht es weiter zum Craft Camp in Olustvere!

Also heißt es jetzt Koffer packen!

der Start der Reise

Limbaži, Limbažu pilsēta, LV-4001, Lettland

Weltkulturerbe!

Haapsalu, 90502 Lääne maakond, Estland

Tallinn, Estland

Cultural Academy, Viljandi

Am Sonntag nach dem Markt verließ ich Riga noch einmal. Maruta Grasmane, die Autorin des Handschuh-Buches und Gründerin von Sena Klets in Riga, hatte mich in das Haus am Meer eingeladen. Und dieses Mal konnte ich die Einladung auch wirklich mit frohem Herzen annehmen, denn mein Rückflug war ja erst für Dienstag am frühen Abend gebucht.

Also packte ich den Rucksack und nahm den Bus. So kam ich durch den berühmten Badeort Jurmala und dann ging es noch eine Stunde weiter entlang der Bucht von Riga.

Ein kleiner Küstenort an der Bucht von Riga

Lange geht die Fahrt durch den Küsten-Kiefernwald, oder durch kleine verschlafene Orte, in denen nicht nur der Flieder träumt.

Dann zweigt ein kleiner Weg von der Hauptstrecke ab und nach 200m sind wir am Meer. Dort steht das Haus, in dem ich nun zwei Tage in angeregtem Gespräch oder im Spiel mit den Enkeltöchtern Laura und Nora verbringen durfte.

Blick vom Küchentisch

Draußen saßen die Kormorane auf den Felsen im Meer und wir unterhielten uns am großen Tisch.

Ich erfuhr vieles über Maruta Grasmanes Arbeit und die Vor- und Entstehensgeschichte des Buches "Handschuhe aus Lettland". Die Enkelin Nora zeichnete diese Unterhaltung für die Nachwelt auf.

Maruta und Connie im Gespräch

Ein wunderschönes lichtdurchflutetes Haus, das Meer unmittelbar davor, saubere Luft und ein dunkler Wald hinter dem Garten, ein Paradies.

Schwäne, Kormorane und einen Silberreiher habe ich gesehen, und ich werde diesen Blick immer in Erinnerung behalten,

Die Küste vor dem Haus

Ob es aber auch die Schildkröten, wie Laura sie gezeichnet hat, hier gibt, weiß ich nicht, Ich habe aber auf jeden Fall ein sehr schwieriges lettisches Wort gelernt:

bruņurupucis - die Schildkröte!         

Brunurupucis - Schildkröte

Am ersten Tag in Liepaja waren wir in das Museum von Liepaja eingeladen, Auf der Tagesordnung standen die Workshops Variations of Mitten Cuffs with masters Gaida Gertnere and Solvita Zarupska und "Beaded Mittens” with masters Antra Kukuka, Aisma Demme und Astra Dzērve.

Im National Costume Center war extra für uns eine Ausstellung mit Perlenstrickereien organisiert wurden und der regionale Fernsehsender Kurzeme TV berichtete über das Seminar. Der Film ist auf der Webseite eingebettet, läßt sich aber nicht direkt verlinken. Es ist jedoch erlaubt, den Film in eigene Webseiten einzubinden. Und so zeige ich ihn hier.

Wenn Sie die Webseite im Chrome-Browser öffnen, erhalten Sie die Webseite auch übersetzt. Lohnt sich!

Kinderreigen

Der Kunsthandwerkermarkt im OpenAir-Museum in Riga ist eine riesige Attraktion. Die Busse sind voll, die Zufahrtsstrasse verstopft... und die Besucher voller Erwartungen. Und als Erstes sah ich diesen Kinderreigen, die Lütten hatten sichtlich Freude.

Ich bin erst einmal ein wenig spazierengegangen auf dem wunderschönen Gelände, bevor ich mich ins Getümmel stürzte.

Im OpenAir-Museum in Riga

Es ist nicht einfach auf solch einem großen Gelände und mit soviel Besuchern Freunde zu treffen, dachte ich, aber das war ein Irrtum. Wir Strickerinnen finden uns immer.

Nach einigen Blicken auf die Buchangebote (immer auf der Suche nach dem 2. Band der Reihe "Tautas Terpi".. wie immer erfolglos) ging es dann Richtung Wolle und Wolliges.

Spinnerei
Ilze, Solvita und Ilzes Mutter

Mit Ilze (ihr Ravelry-Name ist Bumbucis) hatte ich mich schon vor der Abreise verabredet und nun kam ich an ihren Stand und lernte auch ihre Mutter kennen, Und zu unserer Freude kam auch Solvita vorbei, in einem wunderschönen Suiti-Kostüm.

Und natürlich bat ich sie ihren Rock zu raffen damit ich die Suiti-Strümpfe bewundern konnte,

Solvitas Suiti-Strümpfe

Meine Ausbeute ist erklecklich: die grössten Holzknöpfe, die schönste Wolle von Dundaga und Limbazu, und als grosse Überraschung ein neu aufgelegtes Buch aus Estland, Kihnu Roosi, das mir Kaidi schenkte. So beglückend!

biggest buttons ever!

Zu meiner Freude hatte ich Maijaa im Getümmel getroffen, bei Ravelry kennen wir uns schon lange, und es kam dann noch zu einem kleinen Ravelry-Treffen um 14:00 Uhr, nur Jeannie hatte sich wohl in diesem wolligen Paradies verlaufen,

Maijaas wunderbare Perlenstulpen machen sprachlos.

Maijaas Stulpen á lá Monet

jede bewunderte die Beute der anderen oder ließ sich noch Tipps für weitere interessante Stände geben, und viele von uns trafen sich zum ersten Mal im "Real Life", eine schöne Erfahrung!

Maajia, Inta, Angharad und eine anonyme Dame...

Claudia und ich fuhren dann mit dem Taxi zurück in die Stadt und ruhten uns ersteinmal im Café Rigenses aus.

Abends dann eine letzte Schlemmerei mit Lizzy und Claudia und nun folgen noch zwei ruhige Tage.

In 2 Stunden nehme ich den Bus aufs Land, ich freue mich auf den Besuch bei Maruta Grasmane!

Nun sind wir zurück in Riga, einige von uns sind gleich weitergereist, aber víele von uns bleiben noch in der Stadt.

Heute abend treffen wir uns im Restaurant Lido zu einem Ausklang, morgen ist der große Kunsthandwerkmarkt im Freilichtmuseum, Gada Tirgus, und am Sonntag fahre ich aufs Land, ich wurde von Maruta Grasmane eingeladen, Das ist mir eine besondere Freude,

Dies war eine unglaublich schöne Woche und eine ganz wunderbare Gruppe. Ich danke Allen für diese schöne Zeit!

Ach könnte ich die Zeit anhalten oder zurückdrehen oder durch Wände gehen wie der selige Herzog Jekabs / Jakob aus Kuldiga / Goldingen!

Herzog Jekabs aus Goldingen

So erfüllte Tage, daß ich nicht zum Berichten kam. Und auch diesmal wieder nur ein kurzer Rückblick.

In Liepaja gab es die Workshops zu den Themen "doppeltgestrickte Handschuhe" und zum Fingerhandschuh-Stricken, Jetzt kenne ich die Formel für die Maschenberechnung,

Meisterliche Handschuhe in toller Präsentation

Wir besichtigten ein Kunsthandwerkerzentrum und ein Bernsteinkünstler war so lieb und reparierte mir meinen altgedienten Bernsteinring.

Fasziniert war ich von der Installation aus ca. 17.000 Bernsteinstücken... soetwas habe ich noch nie gesehen

Bernsteinobjekt

Wir freuten uns alle, dass Maruta Grasmane zu Besuch kam. Eine Ehre und eine Freude,

Dieser Tag klang aus mit einer humorvollen Präsentation des Folklore.Ensembles Atstaukas, und mit Erdbeeren und Prosecco, mitgebracht von Ansis Grasmanis,

Abschiedsabend in Liepaja

Der lokale Fernsehsender hatte am ersten Tag im Museum von Liepaja gefilmt und einige Interviews geführt.

So wurde auch ich vors Mikro gehot und mein Name hat sich auf wunderbare Weise verändert: Aus Connie Müller-Gödecke wurde so Kunimile Gudike,,,

Der Bericht mit vielen Fotos und dem Filmchen ist online;  Adītājas no tuvām un tālām zemēm

Den Bericht werde ich sicherlich noch abspeichern können.

Interview im Liepaja-TV

Heute, am letzten Tag, gab es noch einen u durWorkshop in der Bücherei des Museums von Kuldiga. Jolantha Medina, ich kenne sie schon vom letztjährigen Knitting Camp in Strazde, zeigte uns zeitgenössische Handschuhe und wir lernten ein einfaches, aber effektvolles Muster,

Es ist immer wieder wunderbar, diese Handschuh-Berge zu durchstöbern!

Kuldiga (früher Goldingen) ist ein wunderhübsches Städtchen und ich hätte gerne noch mehr Zeit dort, Aber ich werde wiederkommen!

Maruta Grasmane und Ziedite Muse

Heute wieder ein Highlight: Die Fahrt und der Aufenthalt im ethnografischen Haus Zvanītāji in Rucava. Warmherzige und gastfreundliche Frauen empfingen uns, zeigten uns die wunderbaren, bunten Stricksachen, bekochten und bewirteten uns aufs Herzlichste. Und wir dankten es ihnen mit unserem ernsten Bemühen, die Aufgaben zu meistern,,, 
Die anschliessende Stadtführung zeigte uns die vielfältigen Seiten von Liepaja, dem Kurort am Baltischen Meer, ehemals auch Libau genannt,

Wir haben viel gelernt, viel gelacht und weil das Alles auch müde macht, gibt es heute nur eine Bildergalerie.

25 Jahre Sena Klets

Letztes Jahr im August  hatte ich die Gelegenheit, an der 25-Jahrfeier des lettischen Trachtenzentrums Sena Klets in Riga teilnehmen zu können.

Damals wurde oft gefragt, ob es solch eine Prozession in den festlichen Trachten bald wieder gäbe und gestern am 4. Mai fand dann wieder so eine farbenprächtige Prozession statt.

Aber warum an einem 4. Mai?

Aus der Wikipedia:

Am 4. Mai 1990 beschloss der Oberste Rat der LSSR (= Lettische Sozialistische Republik) die „Wiederherstellung der Unabhängigkeit“; der Parlamentsbeschluss konnte jedoch erst mit dem Zerfall der Sowjetunion am 21. August 1991 de facto wirksam werden.

Inzwischen gibt es  schon einige Presseberichte online über dieses Ereignis, und wie man sehen kann, hat auch das Wetter mitgespielt!

National costume parade participants: Put folk public holidays have a special feeling (Google Übersetzung)

und auf apollo.tvnet.lv gibt es eine wunderschöne Bildergalerie und ein Video zu sehen.

4. Mai 2017, Monta Grasmane und zwei ihrer Töchter

Ich wäre gerne dabei gewesen, den Optimismus, die Freude, die Farben zu genießen!

Culture Academy Viljandi - Wollfabrik

Schon eine geraume Zeit habe ich vor, die Wollfabriken, die ich auf meinen Reisen besucht habe oder noch besuchen werde, hier genauer vorzustellen.

Und das sind ja schon einige:

  • die North Ronaldsay Wool Mill auf den Orkneys,
  • Jamieson's of Shetland in Sandnes auf Shetland,
  • die Wollfabrik Hiiu Wool Factory in Vaemla auf der estnischen Insel Hiiumaa und
  • die akademische Wollfabrik der Kultur-Akademie Viljandi.

Und dann habe ich bei Facebook ein Video gefunden: Ave Matsin, die Leiterin der Abteilung Estonisches Kunsthandwerk der Kultur-Akademie, stellt die kleine Wollfertigungs-Anlage der Akademie vor und erläutert, warum diese Einrichtung so wichtig für das Erhalten und Bewahren der überlieferten Handwerkstraditionen ist.

Das Video ist in estnischer Sprache, aber das macht nichts, ich werde diese Anlage in einem späteren Beitrag noch genauer vorstellen.

Nun also das Video in 100 Sekunden als Auftakt dieser kleinen Serie. Es stammt von der Seite novaator.err.ee

Warum es so wichtig ist, den Prozeß der Wollproduktion zu studieren und die Möglichkeiten und Besonderheiten der estnischen Wolle zu studieren, darauf gehe ich dann im vierten Teil der Mini-Serie "Zu Besuch in Wollfabriken" ein.