Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843
By Erdmann2 (Own work) [CC-BY-3.0-de (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Bild #1

Meine Lokalzeitung, der Nordkurier aus Neubrandenburg, die oft wichtige Informationen über das mir doch manchmal noch unbekannte Vorpommern liefert, hat in der letzten Zeit einige journalistische Glanzleistungen gebracht:

"Trickreiche Wollmäuse" stricken um die Wette hieß da ein Artikel, der einige handarbeitende Damen aus Demmin vorstellte. Da werden Häkelbilder erstellt, Socken gestrickt, Glasperlen zu Schmuck verarbeitet und ihren Gruppennnamen "Trickreich hantierende Wollmäuse" haben sie von der Abkürzung ihres Treffpunktes abgeleitet, sie treffen sich regelmäßig in den Räumen des Demminer THW.
Alles gut und schön. Nur was hat die Story mit ihrem Titel zu tun? Wo steht was von um die Wette stricken? Ist Jana Otto, die zuständige Autorin für die Rubrik "Schönes Landleben" auch Sportreporterin?

Tja, das ist nur ein einer von mehreren stilistischen Fauxpas. Auch das Beilagen-Heft "Mit Ruhe und Gemütlichkeit", frech bei Baloo im Dschungelbuch abgestrickt, tut sich stricktechnisch besonders hervor: Der Artikel "Alles schick mit Strick" springt auf die Guerilla-Knitting-Welle auf und will mit dem Motto "Natürlich einrichten" den Leser(inne)n einflüstern, es sei schick und natürlich, Blumentöpfe flauschig zu bestricken oder dafür zu sorgen, daß dem Stuhlbein in seinem selbstgestrickten Strumpf nicht kalt werde. Schick? Ich sehe das eher als Angriff auf den Verstand. Und seit wann stricken Stuhlbeine????????

By Erdmann2 (Own work) [CC-BY-3.0-de (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Bild #2

Abgesehen davon, daß das Modewort "Guerilla" wie auch das nun wohl abflauende "Pirat" einen historisch-gesellschaftlichen Hintergrund und nichts mit der Verzierwut unausgelasteter Freizeitler zu tun hat,  dafür aber mit Kampf und Gewalt, zeigt sich  hier wieder mal wie ohne jede Scheu oder Bedenken jedwede Idee dem Konsum untergeordnet wird.  Aber so ist das wohl in einer marktkonformen Demokratie.

Eine weitere Großleistung des Nordkuriers wird im eigenen Blatt derzeit schamhaft verschwiegen: Entgegen der Abmachungen / Vereinbarungen / Regelungen veröffentlichte der Notkurier, wie er auch genannt wird, am Wahlsonntag schon vor Schließung der Wahllokale Wahlprognosen.  Dieser Bruch des Veröffentlichungsverbotes kann die Zeitung eine saftige Strafe kosten, bis zu 50.000 EUR. Da wird klar, warum das Blatt wohl an den Gehältern für ausgebildete, kompetente Journalisten sparen muß...

Die Illustrationen hier  (von Wikimedia Commons) zeigen Arbeiten von Ute Lennartz-Lembeck von der Gruppe B-Arbeiten. Mir scheint, die Notkurier-Redakteure haben sich eher von Bild #1 denn von Bild #2 inspirieren lassen...


PS: Der netteste abgewiesene Anmeldeversuch auf der Wockensolle erfolgte gestern mit dem Usernamen "MadeleineE33" ;=)