Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Handschuh-Fragmente neu belebt

Bevor ich meine lange Sommerreise weiter aufarbeite, ein kurzer Einschub übder ein Projekt, welches mir sehr gefällt und mich sehr freut.
Anu Pink, die Herausgeberin und Leiterin des estnischen Verlages Saara, hat immer gute Ideen. Das habe ich schön einige Male hier auf der Wockensolle dokumentiert: ob es um den Orden der Muhu-Fliege geht oder um die von ihr herausgegebenen Bücher - immer schafft sie neue und wunderbare Dinge, sehr oft auch mit einem kleinem Schabernack dabei.

Ein ganz besonderes Projekt, an dem sie großen Anteil hat, ist der Kudujate Kopiaklubi (Copy-Club)!  Strickerinnen nehmen sich eine Aufgabe vor und setzen diese um.
So haben sie im Jahr 2019 wunderschöne Muhu-Strümpfe gestrickt, die dann im Estnischen Nationalmuseum ausgestellt und mit einem Buch gewürdigt. wurden.

Und jetzt Saara wieder ein neues Projekt präsentiert: Der Kudujate Koopiaklubi hat sich der kleinen Fragmente angenommen, die im Archiv des Estnischen Nationalmuseums aufzufinden waren.
Denn der Zustand des aufgefundenen Fragments, sei es nun ein Rest eines Handschuhes oder einer Socke, sagt ja nichts über den Wert und die Schönheit des Gegenstandes aus!

On those museum shelves there are also items that have been held and mended because someone saw their worth and gathered these tattered remnants into the museums.
KNITTER`S REPRODUCTION CLUB has decided to find among the museums’ possessions these dear and wretched tatters, whose beauty has faded, been torn, or possibly even chewed on. We have invited each other to knit these rags to give them a new life.

Also schlage ich die Web-Seite des Räbala-Projektes auf und was sehe ich?

Unter den 69 Projekten, gleich in der erste Reihe, aber insgesamt zweimal, sehe ich das kleine Barclai-de-Tolly-Fragment aus Suure-Jaani, das blauweiße kleine Wollstückchen mit der interessanten Geschichte, die ich ja auch schon erforscht und bewundert habe und das mich zu manchen Strickereien inspiriert hat! Im Estnischen Nationalmuseeum ist es unter ERM A 399:13 archiviert.

Aber bevor ich in die Einzelheiten gehe, noch ein Hinweis zu den vorgestellten Projekten! Per Klick auf eines der Bilder gelangt man zur Detailseite, auf der dann die Geschichte / Herkunft des Fragments und das daraus entstandene Modell zu finden ist.
Hier also die Links zu den zwei Projekten (alle anderen sind aber ohne Frage ebenfalls wunderbar!)

  • Kaie Kulper schreibt zu ihrem Projekt: «Suure-Jaani ist der Heimatort meiner Großmutter. Meine Großmutter strickte Handschuhe, Socken, Mützen und Hauben für das ganze Dorf und sogar für ihre Nachbarn. In Erinnerung an sie habe ich dieses Stück ausgewählt.»
  • und Thea Ilusmets kommentiert ihre Arbeit: «Das war auch der schönste Rest, wie ich finde. So sind die Handschuhe geworden🙂.»
Webseite des Räbala-Projektes / KUDUJATE KOOPIAKLUBI

wie immer: für eine größere Darstellung auf ein Bild klicken!

Und was habe ich darüber herausgefunden?

Im Beitrag aus dem Dezember 2019, Im Researchers' Room II - Musterstreifen I, beschreibe ich die interessante Geschichte zweier Sampler aus dem Estnischen Nationalmuseum und deren Herkunft, aus dem kleinen Ort Enge im Kirchsprengel Suure-Jaani. Dabei stelle ich auch Reet Kurrik, die Handarbeitslehrerin, und Barclay de Tolly, den deutsch-baltischen General und vermeintlichen Besitzer des kleinen Handschuhrestes aus dem Museum (ERM A 399:13), dessen Muster in dem zweiten Musterstreifen enthalten ist.

Musterstreifen ERMA115_2_1

kindakirjad, ERM A 115:2, Eesti Rahva Muuseum, http://www.muis.ee/en_GB/museaalview/544958

Und im zweiten Beitrag vom 2. Januar 2020, Im (virtuellen) Researchers’ Room II – Musterstreifen II, komme ich dann auf viele Details zu dem kleinen blauen Wollfragment, die ich inzwischen herausgefunden hatte, zu sprechen.

Meine Projekte mit diesem Muster

Zuerst einmal hatte ich die Muster, die ich ja im Museum fotografieren konnte, ausgezählt und Charts angefertigt. Und dann habe ich mit viel Genuß den zweiten Musterstreifen mit Schafswolle (Teksrena) gestrickt, 96 Maschen in der Runde.
Dabei habe ich mich allerdings nicht ganz an die Mustereihenfolge des Originals gehalten.

wie immer: für eine größere Darstellung auf ein Bild klicken!

estnisches Muster, ERM ERM A 399:13
Mütze Suure-Jaani mit Muster ERM A 399:13

Dieses Muster stricke ich immer wieder gerne, es hat so etwas "Rundes", ist so harmonisch und klar. Allerdings habe ich nicht wie die Damen aus Estland Handschuhe gestrickt, sondern eine Mütze und Socken.

Socken mit Barclay-Muster

Ach ja, ein anderes Projekt der Copy-Club-Damen zeigt ein Muster, ebenfalls aus Suure-Jaani, und wieder von Kaie Kulper  und auch von Merike Saaremets gestrickt: das Fragment VM 3133 E249:1.

Das Muster findet man im gesamten Ostsee-Raum und anderswo, in Lettland heißt es "Maras Kreuz".

Und dieses Muster habe ich auch schon untersucht, denn es gleicht dem Muster aus dem Altarraum der Kirche in Gützkow! Diese Geschichte findet man hier

Das Muster von der Kirchenwand in Gützkow

Das Muster von der Kirchenwand in Gützkow

Fragment aus Suure-Jaani, ERM VM VM 3133 E 249
Meine Stulpen

Mir macht das Projekt des Copy-Clubs viel Freude und es zeigt mir, wieviel Schönes ich schon gesehen, studiert und auch gestrickt habe.

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