Charlotte Leander, Anweisungen zur Kunststrickerei, 1843

Bei der Lektüre meines alltäglichen ArtDaily-Newsletters stieß ich auf die Ausstellungsankündigung "Craft Tech/Coded Media: Women, Art and Technology" im Boulder-Museum of Contemporary Art. Nun ist Craft ja ein englisches Wort für Handwerk, wird aber heute gerne von den Trend-Predigern für alles verwendet, was nur irgendwie durch Fingerbewegung entstehen könnte (s.a. die "Craftistas", welche Handarbeit als Aktionismus predigen und eben bewußt radikal häkeln). Aber das ist eine andere Geschichte.

In der Boulder-Ausstellung geht es mehr um Künstlerinnen und deren Aneignung und Nutzung von Technik, visuellen Medien etc. und es werden die Schnittstellen zwischen Geschlecht, Technik und Macht untersucht.

Instead of the cold, dehumanizing qualities frequently associated with technology, many of the works adopt Do-It-Yourself (DIY)  processes, from weaving to programming. In each work, technology represents a set of tools that are coded meaningfully by humans.

Die Arbeit von Beryl Korotheißt es da im Pressetext. Eine der beteiligten Künsterinnen nimmt auch an der aktuellen Ausstellung TEXTILES: OPEN LETTER / Abstraktionen, Textilien, Kunst im Museum Abteiberg, Mönchengladbach, teil: Beryl Korot. 

Und so schaute ich mir dann die Mönchengladbacher Ausstellung auf der Museums-Webseite an.

Anhand einer Konstellation von historischen und aktuellen Arbeiten reflektiert TEXTILES: OPEN LETTER den wechselseitigen Einfluss zwischen Textilien und zeitgenössischer Kunst. Die Ausstellung geht der Frage nach, wie Textilien aufgrund ihres Formenvokabulars, ihrer Materialität und Kulturgeschichte sowohl historisch als auch aktuell eine künstlerische Sprache und Forschung mit geformt haben und vice versa Textilien und „Textilkunst“ in einer engen Beziehung zu formalen und konzeptuellen Fragestellungen in der Bildenden Kunst stehen und sich entlang dieser entwickelten.

heißt es da in der Einleitung zur Ausstellung. Das finde ich spannend.  Interessante Architektur, die die Ausstellung mitgestaltet und ein weiter Bogen: Über koptische Textilien bis zur zeitgenössischen Kunst reicht das Feld.  Viele viele Künstler nehmen hier teil, nur Franz Erhard Walther scheint nicht dabei zu sein.

Als Rahmenprogramm gibt es Konferenzen, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen. Fast schon packe ich im Geiste die Koffer, um nach Mönchengladbach zu reisen und mir das alles anzuschauen, Ich klicke mich durch die Bildergalerie und finde wie erwartet auch  Arbeiten von Rosemarie Trockel. Ihre Arbeiten haben mich schon je verwundert und ich sehe die Ironie in der Banalität nicht immer. Die Beschreibung dieses Werkes in der Ausstellungsbroschüre allerdings hat es in sich:

Die weiße Fläche ist direkt auf den Holzrahmen gespannt und um die äußeren Ecken geschlagen –  Rosemarie Trockel: Eisbergdabei negiert sie eine Leinwand und jegliche Art von Motiv. Diese 30 x 30 cm kleine, gestrickte Arbeit behauptet sich selbst und stellt sie gleichsam in die Tradition der (v.a. deutschen) Landschaftsmalerei, genau wie die Gitterbilder von Agnes Martin, die Titel wie River, Mountain oder Cliff tragen. Das Gitter zeichnet sich in Trockels Arbeit sanft ab und wird erst bei genauer Betrachtung sichtbar. Dabei lässt sich das Gitter als Symbol und formales Mittel vor allem im vornehmlich männlich dominierten Kanon moderner Kunst erkennen.

Sehen Sie das auch so? Ich jedenfalls las diesen Text einem Kunstkenner vor und bat ihn dann, das Werk ohne es gesehen zu haben, zu beschreiben. Er beschrieb eine Holzplatte mit weißem Gestrick bespannt. Da hatte er richtig ins Weiße getroffen.

Es entspann sich infolge ein längeres Gespräch über zeitgenössische Kunst und was sie zu sagen hat, welches dann zum Duktus der Kunstwissenschaftler umschwenkte. Die zitierte Beschreibung funktioniert mal wieder nach dem Motto "des Kaisers neue Kleider" und man kann sich schon wundern, was alles in diese Arbeit hineingesehen wird. Die Arbeit negiert, verweigert sich, reiht sich ein in Landschaftsmalerei (hat Caspar David Friedrich auch gestrickt? Oder Philipp Otto Runge? Oder Claude Lorrain?) und und und.

Es fehlt nur der offenkundigste Vergleich; der zum Schwarzen Quadrat des Herrn Malewitsch und wenn wir wieder die Ironie der Frau Trockel suchen wollen, dann kommen wir einfach zu dem Schluß:

Der Eisberg ist ein nachgestricktes Schwarzes Quadrat!,

was immer auch die Damen und Herren Kunstkritiker sonst noch von sich geben und herumdrucksen.

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis zum 10. November 2013.
STÄDTISCHES MUSEUM ABTEIBERG
Abteistrasse. 27, 41061 Mönchengladbach

Links:

PS: Die Bilder aus der Ausstellung stammen von der Presseseite des Museums und stehen dort zum Download.